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„Ein langsames Vereinssterben wäre unvermeidbar“

fj; 9. Aug 2017, 11:44 Uhr
Archivbilder: Martin Hütt --- Mit Schützenfesten und Konzerten bereichern Chöre und Schützenvereine das soziale und kulturelle Leben auch im Oberbergischen.
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„Ein langsames Vereinssterben wäre unvermeidbar“

fj; 9. Aug 2017, 11:44 Uhr
Oberberg - Laut Bundesfinanzhof haben Vereine, die nur Männer oder Frauen aufnehmen, keinen Anspruch auf Anerkennung als „gemeinnützig“ – Urteil könnte auch für Chor- und Schützenwesen im Oberbergischen drastische Folgen haben.
Zwar ging es in einem Urteil des Bundesfinanzhofs um eine Freimaurerloge, doch dieses kann auch Auswirkungen für andere Vereine haben – und sorgt darum für Aufregung, Unsicherheit und Ärger, auch im Oberbergischen: In der vergangenen Woche hat der Bundesfinanzhof der Loge die Gemeinnützigkeit aberkannt, weil sie ausschließlich Männer aufnimmt. Anders ausgedrückt bedeutet dies: Der Bundesfinanzhof hat geurteilt, dass Vereine, die gemäß ihrer jeweiligen Satzungen Männer oder Frauen grundsätzlich die Mitgliedschaft verweigern, keinen Anspruch auf eine Anerkennung als „gemeinnützig“ haben. Und dieses Urteil kann auch Konsequenzen für Schützenvereine, Frauenchöre und Männergesangsvereine haben, was die oberbergischen CDU-Politiker Klaus-Peter Flosbach und Dr. Carsten Brodesser bereits gestern scharf kritisierten (OA berichtete).


[Klaus Büser beim diesjährigen Schützenfest des Schützenvereins Gimborn.]

Laut Klaus Büser, Präsident des Oberbergischen Schützenbundes, sind nur rund 15 Prozent der oberbergischen Schützenvereine reine Männervereine. Doch für diese wäre das Urteil, sollte es Schule machen, eine ernstzunehmende Angelegenheit, an der sich das Weiterbestehen entscheiden kann. Denn nur ein gemeinnütziger Verein kann Spendenquittungen ausstellen, mit denen die Geber ihre Spende von der Steuer absetzen können. Kann er dies nicht, gingen Spendenanreize verloren. Und durch Spenden wird nicht nur das Schützenfest mitfanziert, beispielsweise indem eine örtliche Druckerei die Festschrift kostenlos produziert und über diese Summe eine Quittung erhält, sondern auch die Jugendarbeit und das Vereinsleben.



„Das Schützenwesen wurde von der Deutschen UNESCO-Kommission, der Kultusministerkonferenz und der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien als immaterielles Kulturerbe anerkannt, unter anderem weil es das soziale und kulturelle Gemeinschaftsleben entscheiden prägt. Wie kann man da die Gemeinnützigkeit in Frage stellen“, wundert sich Büser. Dass es dabei auch heute noch reine Männervereine gebe, sei in der jahrhundertealten Tradition des Schützenwesens begründet, die durch das Urteil nun in Frage gestellt würde.


[Franz Klünenberg, Geschäftsführer des KreisChorVerbands Oberberg, bei einer Jubilaren-Ehrung.]

Auf eine teils jahrhundertealte Tradition blickt auch so mancher oberbergischer Männergesangsverein zurück. 37 reine Männerchöre zählen zum KreisChorVerband Oberberg, hinzukommen 13 reine Frauenchöre. „Somit sind 50 von insgesamt 73 Mitgliedschören reine Männer- oder Frauenchöre“, so Franz Klünenberg, Geschäftsführer des KreisChorVerbands Oberberg. Und für diese Vereine wäre eine Pauschalisierung des Urteils existenzbedrohend. Ein Beispiel: Ein Chor gibt ein Konzert und der Betrieb in der Nachbarschaft sponsert ein Plakat oder platziert eine Anzeige im Programmheft. Über den Gegenwert dieser Werbung erhält er eine Spendenquittung – aber auch hier nur, wenn der Verein als gemeinnützig anerkannt ist. Ohne diesen Status ginge diese Einnahmequelle wohl verloren.

„Und zumeist hat ein Chor nur drei Einnahmequellen: Mitgliedsbeiträge, die Einnahmen aus Konzertveranstaltungen – aber hier gehen Chöre nicht selten mit ‚plus minus null‘ heraus – und eben Spenden. Aus diesen Einnahmen muss nicht nur das Vereinsleben finanziert werden, sondern auch der Chorleiter“, so Klünenberg. Die einzige Stellschraube, an der dann noch gedreht werden könnte, wären die Mitgliedsbeiträge. „Eine solch drastische Beitragserhöhung, die nötig wäre, um diese Lücke zu schließen, würden wohl viele Sänger nicht akzeptieren“, fürchtet Klünenberg drastische Folgen. „Sollte dieses Urteil Schule machen, wäre dies eine Katastrophe, denn es würde nichts anderes bedeuten, als ein langsames Vereinssterben – und das nicht nur im Chorwesen und nicht nur im Oberbergischen“, hofft Klünenberg, dass die Entscheidung, an der Gemeinnützigkeit von Männer- und Frauenchören sowie Schützenvereinen zweifeln zu wollen, noch einmal gründlich überdacht wird.
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