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„Was ich jetzt mache, ist besser als das, was ich wollte“

Red; 26. Aug 2015, 16:24 Uhr
Bild: Das Unternehmen und der Auszubildende sind mit der Entwicklung sehr zufrieden.
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„Was ich jetzt mache, ist besser als das, was ich wollte“

Red; 26. Aug 2015, 16:24 Uhr
Oberberg - Die Berufsberatung der Agentur für Arbeit bringt auch Unternehmen und Auszubildende zusammen, die sich ansonsten nie gefunden hätten.
Vieles ist nicht rund gelaufen, seit Jonathan Filipp 2009 die Realschule mit guten Noten verlassen hat. Eine schulische Ausbildung (Informatik) hat er abgebrochen, weil sie ihm zu theoretisch war, dann als Verkäufer im Elektronikbereich gejobbt, Zeitarbeit gemacht. Mit 23 Jahren stand nun die Frage im Raum: „Wo soll es hingehen? Weiter jobben oder doch eine Ausbildung?“ Jonathan Filipp ging mit sehr gemischten Gefühlen zur Agentur für Arbeit. „Bisher hatte ich noch nicht sehr viel Positives über das „Arbeitsamt“ oder die Berufsberatung gehört… Ich war sehr skeptisch“ Dort traf er auf Martina Neukirch, Berufsberaterin der Agentur für Arbeit Gummersbach, deren Büro er im September 2014 mit den Worten betrat: „Ich will eine Ausbildung – und die noch in diesem Jahr“

„Herr Filipp hat bei mir einen super Eindruck gemacht. Die Schwierigkeit war der unstete Lebenslauf nach dem Schulabschluss – hier gucken Arbeitgeber meist recht genau hin.“, sagt Martina Neukirch. Daher ging sie einen eher ungewöhnlichen Weg und sprach auf einem Azubi-Speed-Dating Georg Hartwig, Technischer Leiter der Firma K+W in Gummersbach, an und empfahl ihm Herrn Philipp. K+W bildet „Elektroniker in der Informations- und Telekommunikationstechnik“ aus. Einen Bereich, der gut zu den Interessen Filipps passte. „Als Herr Filipp sich dann noch auf der Messe persönlich bei mir vorstellte, hatte auch ich einen sehr guten Eindruck von ihm. Hätte er sich regulär bei uns beworben, hätte ich ihn aufgrund des Lebenslaufes vermutlich eher nicht zum Bewerbungsgespräch eingeladen. So konnte er mich persönlich davon überzeugen, ihn in einem Praktikum zu erproben.“


Bereits ab Oktober startete Filipp in die Einstiegsqualifizierung (EQ) bei K+W – ein Jahrespraktikum, das beiden Seiten die Möglichkeit eröffnet, sich gegenseitig kennen zu lernen - und natürlich auszutesten, ob der ausgewählte Beruf passt. Im Rahmen des Praktikums werden alle Ausbildungsinhalte vermittelt. Jonathan Filipp hat natürlich auch am Berufsschulunterricht teilgenommen. Die Zeit des EQ kann bei guten Leistungen als Ausbildungszeit anerkannt werden, so dass Jonathan Filipp nun zum 1. August 2015 direkt in das zweite Ausbildungsjahr einstieg. K+W bot ihm darüber hinaus auch die Möglichkeit, an den überbetrieblichen Ausbildungsteilen teilzunehmen – und das, obwohl dies für den Arbeitgeber mit zusätzlichen Kosten verbunden ist.

„Die Einstiegsqualifizierung ist für den Arbeitgeber eine gute Möglichkeit, sich risikolos potenzielle Auszubildende anzuschauen. Passt es nicht, kann die EQ auch wieder beendet werden. Wir investieren Zeit und auch Geld in Herrn Filipp – von daher war es natürlich unser Ziel, ihn in die Ausbildung zu übernehmen“, so Georg Hartwig. Für K+W ist individuelle Ausbildung für den eigenen Bedarf wichtig und erforderlich. Die angebotenen Dienstleistungen sind einerseits sehr breit gefächert (von Brandmelde- und Einbruchmeldeanlagen über Zutrittskontrolle bis hin zu Telefonanlagen und Zeiterfassung), die dafür erforderlichen Kenntnisse aber sehr speziell. Eine „passende“ Ausbildung, für diese spezialisierte Tätigkeit gibt es bislang noch nicht.

K+W, ein mittelständiges Unternehmen mit ca. 40 Mitarbeitern, das nach wie vor in Familienbesitz ist, hatte für Jonathan Filipp auch schon im ersten Jahr einiges zu bieten: „Ein Highlight war ein Fernmeldeturm in der Oberpfalz! Dort haben wir auf der Plattform Sirenen angebracht. Ein tolles und aufregendes Erlebnis.“ Das Unternehmen installiert, wartet und repariert die verschiedensten Anlagen, die sich durchaus an ungewöhnlichen Orten befinden können, wie etwa im kältesten Windkanal der Welt, mit minus 180 Grad Celsius – oder eben auch dem Fernsehturm. Die reine Kabelverlegung erfolgt dabei in der Regel durch Elektriker – aber: „Niemand darf sich bei uns für irgendwas zu schade sein“, sagt Philipp Nauwartat, Ausbilder von Jonathan Filipp, der selbst auch immer wieder auf Baustellen mitarbeitet und sein Fachwissen aktualisiert.

Die Einstiegsqualifizierung war in diesem Fall genau das richtige Mittel: Georg Hartwig konnte sich einen Jugendlichen, den er eigentlich als passenden Bewerber um die ausgeschriebene Ausbildungsstelle gar nicht im Blick hatte, risikolos anschauen. Jonathan Filipp seinerseits hatte die Möglichkeit, sich in einem Beruf, den er vorher nicht kannte und einschätzen konnte, auszuprobieren – mit dem Ergebnis: „Das was ich jetzt mache, ist viel besser als das, was ich eigentlich wollte.“
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