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Lebenstraum: Ehrenamtlicher Hilfseinsatz in Madagaskar

js; 23. Jun 2015, 06:00 Uhr
Bild: privat --- Die 28-jährige Alexandra Kahlenbach möchte ihren Lebenstraum wahrmachen. Die Kinderkrankenschwester geht an Bord des Hospitalschiffs Africa Mercy, um medizinische Hilfe zu leisten. Den zehnmonatigen Einsatz muss sie komplett selbst finanzieren.
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Lebenstraum: Ehrenamtlicher Hilfseinsatz in Madagaskar

js; 23. Jun 2015, 06:00 Uhr
Oberberg – Ehemalige Wipperfürtherin Alexandra Kahlenbach plant Hilfseinsatz auf Hospitalschiff und reist Anfang August nach Madagaskar - Die Kinderkrankenschwester muss ihren Lebenstraum selbst finanzieren und hofft auf Unterstützung.
Von Jessica Schöler

„Der Wunsch Menschen zu helfen, war immer in meinem Herzen“, sagt Alexandra Kahlenbach. Die 28-Jährige ist in Wipperfürth aufgewachsen und hatte in jungen Jahren Kontakt zu Entwicklungshelfern. Schon als Kind sei deshalb der Wunsch gereift, selbst einmal in diesem Bereich tätig zu werden. Auf die Umsetzung ihres Ziels hat sie in den vergangenen Jahren hingearbeitet. Obwohl sich die gelernte Kinderkrankenschwester im Herbst 2012 noch nicht darüber im Klaren war, in welcher Organisation und in welchem Land sie helfen möchte, hat sie damit begonnen ihre Englischkenntnisse aufzubessern – die Sprache, in der sich internationale Teams verständigen.

Während eines zweijährigen Au-pair-Aufenthalts in den USA beschließt sie, wie es weitergehen soll. Ein Bekannter berichtet ihr von Mercy Ships, einer Hilfsorganisation die seit 1978 per Schiff medizinische Hilfe in die ärmsten Länder der Erde bringt. Auf der "Africa Mercy", dem weltweit größten, privaten Hospitalschiff, sorgen über 400 ehrenamtliche Mitarbeiter aus nahezu 40 Nationen seit 2007 für die kostenlose Versorgung von Patienten. „Auf diesem Schiff können lebenstransformierende Dinge geschehen. Es gibt fünf Operationssäle, eine Intensivstation und eine Station mit 82 Betten. An Land wird zusätzlich eine Augen- und eine Zahnklinik aufgebaut“, berichtet die 28-Jährige, die sich dazu entschlossen hat, Teil des ehrenamtlichen Teams zu werden: „Ich wusste: Jetzt muss ich das machen“.



Der Startschuss für ihren Aufenthalt auf der Africa Mercy fällt am 11. August. Zehn Monate lang wird sie Teil eines internationalen Teams sein, das sich im Hafen von Tamatave in Madagaskar um kranke Menschen kümmert, die in ihren Heimatorten nicht ausreichend medizinisch versorgt werden können. Die ehemalige französische Kolonie Madagaskar wird als Entwicklungsland eingestuft und zählt zu den ärmsten Ländern der Welt. Laut Weltgesundheitsorganisation müssen in dem Inselstaat zwei Ärzte für 10.000 Menschen sorgen – in Deutschland stehen 35 Ärzte pro 10.000 Einwohner zur Verfügung.

„Die frühzeitige medizinische Versorgung fehlt. Gleichzeitig wird den Menschen ihre Zukunft genommen. Kranke werden oft isoliert und aus der Gesellschaft ausgeschlossen“, erklärt Kahlenbach und geht damit auf die soziale Ächtung ein, die Kranken mit körperlichen Auffälligkeiten widerfährt. Beispielsweise Tumore werden oft als Strafe oder Fluch betrachtet und führen zur Ausgrenzung der Betroffenen. An Bord des Hospitalschiffs leiste man deshalb nicht nur körperliche, sondern auch seelische Heilung, glaubt die Kinderkrankenschwester: „Das Anschauen und Beachten der Patienten oder ein einfacher Handschlag vermitteln ein Gefühl von Wertschätzung, was den Kranken sonst nicht gegeben wird.“ 

Auf der Africa Mercy können jährlich bis zu 7.000 Operationen durchgeführt werden. Die Behandlung von Grauem Star und der Einsatz von künstlichen Linsen, Tumorentfernungen, Lippen- und Gaumenspaltenkorrekturen, orthopädische und gynäkologische Operationen machen den Großteil der Eingriffe aus. Kahlenbach wird sich als gelernte Kinderkrankenschwester vorwiegend um die jüngeren Patienten kümmern, aber auch bei der Versorgung Erwachsener Hilfe leisten. Weil an Bord nach dem amerikanischen Versorgungssystem gearbeitet wird, wird sie auch medizinische Aufgaben erledigen, die im deutschen eher pflegerisch orientierten System nicht von Krankenschwestern erledigt werden. „Es steht aber immer jemand zur Verfügung, der im Notfall hilft oder Anleitung gibt “, sagt Kahlenbach, die sich um ganz andere Herausforderungen sorgt.

Die Ehrenamtler arbeiten nicht nur auf dem Schiff, sie leben und schlafen auch an Bord. Acht bis 13 Personen teilen sich eine Kajüte. Ruhe oder Rückzugsmöglichkeiten zu finden ist nicht leicht, das Krankenhaus wird nämlich im Dreischichtsystem betrieben. Die Kommunikation wird weniger schwierig, denn alle Mitarbeiter sprechen Englisch. Die Patienten hingegen sprechen Malagasy und Französisch. Ein Übersetzter wird die Helfer bei der Kommunikation unterstützen. Notfalls klappe das auch mit Händen und Füßen, so  Kahlenbach. „Ich glaube die Gemeinschaft auf dem Schiff wird eher eine Riesenherausforderung“, lacht die 28-Jährige, die sich ihren Lebenstraum unbedingt erfüllen möchte.


Für den zehnmonatigen Einsatz wird sie ihren Job in der Chirurgie der Uniklinik Heidelberg aufgeben. Für ihr Engagement nimmt sie nicht nur einen Einkommensverlust auf sich, sondern investiert neben ihrer persönlichen Zeit auch Geld in das Ehrenamt. Mercy Ships arbeitet nach dem Grundsatz, dass die Spendengelder vor Ort ankommen sollen und nicht in die Finanzierung von Personal fließen. Die Mitarbeit auf den Schiffen muss deshalb von allen Helfern selbst finanziert werden. Flüge, Impfungen, Versicherungen und Crew-Gebühr muss Kahlenbach aus eigener Tasche zahlen. Sie rechnet mit monatlichen Ausgaben von etwa 1.340 €.


Um nicht ihr gesamtes Erspartes für den Einsatz aufbringen zu müssen, hofft sie auf finanzielle Unterstützung. Um Gelder zu generieren, hat Kahlenbach einen Blog ins Leben gerufen. Dort informiert sie über das Projekt und ihr Ziel, bittet um Spenden. Sie betont, dass man mit einer Spende nicht sie oder Mercy Ships unterstützt, sondern die Kranken vor Ort, die dringend medizinische Hilfe benötigen. „Ich habe zwei Jahre lang daraufhin gearbeitet, und möchte jetzt anderen Menschen die Chance geben, Teil des Ganzen zu werden und das Projekt zu unterstützen. Ich selbst bin nur 'Hände und Füße' des Projekts, der aktive Part vor Ort. Ich aber brauche Menschen, die mir den Rücken stärken, die ganze Sache publik machen, und mich gegebenenfalls auch finanziell unterstützen“, berichtet Kahlenbach.

Die ehemalige Wipperfürtherin hat noch keine genaue Vorstellung davon, wie es nach dem Madagaskar-Abenteuer weitergehen soll. Vermutlich gehe sie zurück nach Heidelberg: „Ich habe mich dort auf eine Stelle beworben. Außerdem habe ich mein Herz an die Stadt verloren.“ Ein anderer Ausgang wäre aber ebenfalls gut möglich: „Es kann auch sein, dass ich bei der Entwicklungsarbeit bleibe oder meinen Lebenstraum danach doch in die Schublade packe. Wer weiß schon, wie es kommt.“  

Weitere Informationen zum Projekt finden Interessierte auf  www.mercyships.de. Informationen zu Alexandra Kahlenbach, ihrer Reise und Unterstützungsmöglichkeiten findet man auf ihrem Blog "Hold fast to Hope".
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