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„Trauer und Verlust machen auch vor den Jüngsten nicht halt“

fj; 23. Sep 2014, 14:07 Uhr
Bilder: Fenja Jansen --- Sabine Heintze (li.) erzählt die Geschichte von Jolante und Crisula. Wer Gans Jolante in der Hand hält, darf von seinen Erfahrungen berichten (re.).
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„Trauer und Verlust machen auch vor den Jüngsten nicht halt“

fj; 23. Sep 2014, 14:07 Uhr
Engelskirchen – Der Kinder- und Jugendhospizdienst Aggertal und der Hospizdienst Wiehl haben ein Projekt entwickelt, mit Hilfe dessen Kindern die Themen Tod, Trauer und Verlust nähergebracht werden können – Derzeit wird es in der Kita St. Jakobus durchgeführt.
Ist der Tod ein Thema für Kinder? Ja, finden Malteser-Hospizmitarbeiter aus ganz Deutschland und haben sich im Rahmen eines Workshops vier Jahre lang damit beschäftigt, wie dieser schwierige Gegenstand in Schulen und Kindergärten altersgerecht mit Kindern erarbeitet werden kann. „Schließlich machen Tod, Trauer und Verlust auch vor den Jüngsten nicht halt“, erklärt Diplom-Heilpädagogin Stephanie Reuter vom Malteser Kinder- und Jugendhospizdienst Aggertal.


[Die Kleinen waren gespannt bei der Sache.]

Dabei sieht es sehr gemütlich aus, wie sechs Vorschulkinder – drei Jungen und drei Mädchen der katholischen Kindertagesstätte St. Jakobus in Engelkirchen - dort auf dicken Kissen um eine Kerze herum sitzen. Es ist eine fröhliche Runde, in der jeder der kleinen Teilnehmer einmal zu Wort kommt – und dies sichtlich ohne zu merken, dass es dort um schwere Kost geht. „Das Angebot ist so angelegt, dass es die Kinder nicht nachhaltig beschäftigt oder gar belastet. Aber es klingt in ihren Herzen nach“, weiß Sabine Heintze, die heute mit den Kleinen über Verlust und Gefühle spricht. Heintze ist Erzieherin in der Wiehler Kita Naturkinderhaus und ehrenamtliche Hospizmitarbeiterin im Malteser Hospizdienst Wiehl. Sie war heute zum zweiten Mal in der Kita St. Jakobus zu Gast.


Das Kindergarten-Projekt, welches der Malteser Kinder- und Jugendhospizdienst Aggertal im Rahmen des Workshops gemeinsam mit dem Wiehler Hospizdienst erarbeitet hat, führt die Jüngsten mit Hilfe von Sebastian Loths Kinderbuch „Jolante sucht Crislua“ an die Themen Verlust, Trauer und Sterben heran. In vier Einheiten wird den kleinen Teilnehmern die Geschichte der Gans Jolante und der Schildkröte Crisula abschnittweise erzählt. Die beiden Bilderbuch-Tiere sind die besten Freunde, doch eines Tages findet Gans Jolante Crisula nicht mehr. Sie sucht die Schildkröte auf dem höchsten Berg und tief unter der Erde, doch Crislua bleibt verschwunden. Nachdem die Kinder in der ersten Einheit mit Heintze über das Thema Gefühle am Beispiel Freundschaft gesprochen haben, bekommen sie heute diesen Teil der Geschichte zu hören. Er ist die Ausgangsbasis für das heutige Thema: Verlust und die Gefühle, die damit verbunden sind.



„Habt ihr schon mal etwas verloren?“, fragt Heintze die Kinder. Da wird von Taschen, Kuscheltieren und Spielzeug erzählt, das plötzlich nicht mehr auffindbar war. Manchmal tauchte es wieder auf, manchmal blieb es verloren. „Da war ich sehr traurig“, erinnert sich Vanessa, die ihre Tasche trotz intensiven Suchens nicht mehr fand. Die kleine Sophia erinnert sich, dass Katze Lucy einmal verloren ging. Sie kam aber wieder. Wenig später musste das Tier jedoch „in der Erde eingebuddelt werden“. Sie war aber auch schon alt.

Heintze hört zu und achtet darauf, dass jedes Kind Raum bekommt, um von seinem ganz persönlichen Verlust zu erzählen. Nach 50 Minuten, in denen auch Zeit für ein Begrüßungsritual und ein gemeinsam gesungenes Lied war, ist die Einheit beendet. Jedes Kind bekommt eine Feder, die es in den Raum pusten kann. „So blasen wir uns unsere Trauer einfach vom Herzen“, erklärt Heintze den Kleinen, die sofort begeistert bei der Sache sind. Die Feder dürfen sie mitnehmen. Fröhlich und laut schnatternd verlassen die Kinder den Raum – ganz als wäre es ihnen gar nicht bewusst, was sie sich dort gerade von der Seele geredet haben.


[Federn wurden in den Raum gepustet, um die eigene Trauer loszulassen. Das machte sichtlich Spaß.]

In den nächsten Wochen werden die Kinder erfahren, wie es weitergeht mit Jolante und Crisula. Und sich anhand von ihrer Geschichte den Themen Wut und Trauer sowie Mitteilen zuwenden. Genauso spielerisch, wie sie auch das Thema Verlust „abgehandelt“ haben. Im Vorfeld der Einheiten fand ein Elternabend statt. Ein abschließendes Gespräch wird auf Wunsch der Eltern angeboten. Sollten die Kinder nach dem Projekt weiteren Redebedarf haben – beispielsweise wenn sie in ihrer Familie dem Tod schon begegnet sind – wird dies an die Mitarbeiter des Kinder- und Jugendhospizdienstes weitergegeben, die sich dann um die Kleinen kümmern. Kitas, die daran interessiert sind, das Projekt in ihrer Einrichtung durchzuführen, wenden sich an Stephanie Reuter unter E-Mail: reuter@hospizdienst-aggertal.de.

Die Ergebnisse des vierjährigen Workshops, in dem auch das vorgestellte Projekt entstanden ist, sind in dem Handbuch „Tod – (k)ein Thema für Kinder?“ festgehalten, das im Hospiz-Verlag erschienen ist (ISBN: 978-3-941251-66-3; 34,90 €). Weitere Informationen zum Malteser Hospizdienst Aggertal gibt es unter www.hospizdienst-aggertal.de.
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