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Reise zwischen Kaukasus und Schwarzem Meer

er; 17. Jul 2014, 10:49 Uhr
Bilder: privat --- Elena (2. v. re.) und ihre Mitreisenden im Gebirge bei Kasbegi.
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Reise zwischen Kaukasus und Schwarzem Meer

er; 17. Jul 2014, 10:49 Uhr
Nümbrecht – Die Nümbrechterin Elena Rother absolviert einen einjährigen Freiwilligendienst in einem Kinderheim in der Ukraine – Auf OA schildert sie ihre Erlebnisse und Erfahrungen.
Liebe Leser,

feuchtwarme Luft weht mir entgegen als ich die Treppe aus dem Flugzeug hinunter steige und über das Rollfeld zum Bus gehe. Am Horizont heben sich in der Dämmerung die Silhouetten der Berge vom Abendhimmel ab. An der Passkontrolle schaut mich eine junge Frau prüfend an, nimmt meinen Pass umständlich aus der Hülle und begrüßt mich mit einem gebrochenen „Willkommen“. Sarah und ich verlassen den Flughafen und stehen inmitten einer Gruppe wild gestikulierender Taxifahrer, die die beiden „Djerwatschkis“ (Mädchen) mit den Rucksäcken zu sich rufen. Wir sind in Georgien angekommen. Dem Land, das ich erst durch begeisterte Berichte von ukrainischen Freunden auf der Landkarte zwischen dem Kaukasus und dem Schwarzen Meer entdeckt habe - zwischen Russland und der Türkei. Das kleine Land hat nur eine gute Million mehr Einwohner als Kiew und meine Reise war ursprünglich nur die Alternative zum Sommerurlaub auf der Krim.


[Halbwüste beim Kloster Davit Gareja.]
  
Jetzt sind wir also angekommen und bahnen uns, bepackt mit unseren großen Rucksäcken, einen Weg durch die Taxifahrer zum „Shuttlebus“ (der sich als kleines Marschrutka entpuppt), um in die Innenstadt zu gelangen. Als das Auto voll bepackt ist, setzt es sich Richtung Kutaisi in Bewegung. Vorbei an Melonen-Ständen, alten Autowerkstätten, maroden Wohnhäusern und modernen Hotels. Ich habe meinen deutschen Reiseführer noch nicht aufgeschlagen als meine Sitznachbarin, eine ältere Frau, sich als Niederländerin vorstellt, die ihren Sohn, Rosindo, in Georgien besucht.


[Hatschapuri, das in Georgien typische Fladenbrot.]

Rosindo sitzt in der Reihe vor mir, kennt die Autorin des Buches persönlich und lädt uns direkt ein, ihn und seine georgische Frau Inna in deren neu eröffneten Hostel in Tblisi (Tiflis) zu besuchen. Während der Fahrt gibt er uns eine kleine Einführung in Georgisch und schwärmt von den verschiedensten Städten deren Namen für uns genauso unaussprechlich sind wie „Danke“ und „Bitte“ auf Georgisch. Seine Mutter erzählt uns fröhlich von zwei allein reisenden Mädchen in Panama, von denen später „nur noch Hautfetzen“ gefunden wurden. Als sie meine leichte Beunruhigung spürt, versichert sie mir allerdings sofort, dass so etwas in Georgien nie passieren würde.

Schließlich kommen wir in der Stadt an und geben dem Fahrer die Adresse unserer ersten geplanten Unterkunft. Nacheinander fährt er alle Fahrgäste zu den jeweiligen Häusern. Endlich steigen auch wir aus. Der Fahrer hilft uns mit dem Gepäck und steigt mit aus. Nachdem er jedoch den Kofferraum gerade geöffnet hat, beginnt das Auto den Berg hinunter zu rollen. Willkommen in Georgien!


Wir klingeln bei Familie Suliko. Ein junges Mädchen öffnet uns die Tür und führt uns durch die Küche in das Wohnzimmer, in dem wir von einer alten Frau, wie sich später herausstellt der Großmutter des Mädchens, herzlich begrüßt und in den Schlafsaal gebracht werden. Ein einfacher Raum mit sieben Betten. Kaum haben wir unsere Taschen ausgepackt, werden wir zum Essen gerufen. Eingelegtes Gemüse, Auberginen-Walnusssauce, typisches Fladenbrot, Salat und zum Nachtisch Wassermelone. Dazu gibt es Hauswein, den wir, traditionell georgisch, aus Kuhhörnern trinken.


[Kloster Gelati bei Kutaisi]
  
Im Laufe des Abends kommt auch der Sohn der Vermieterin nach Hause und setzt sich zu uns an den Tisch. Schnell ist eine Diskussion über die Ukraine, Georgien und Europa in vollem Gange. Georgier und Ukrainer fühlen sich insgesamt sehr verbunden und scheinen ein sehr gutes Verhältnis zueinander zu haben. Nicht zuletzt weil beide Länder sich nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion unabhängig erklärten und sich seitdem immer wieder von ihrem großen Nachbarn, Russland, bedroht fühlen. Um auf Georgien, die Ukraine, Deutschland und den Weltfrieden zu trinken, holt der Sohn „Chacha“ heraus, „georgischer Vodka“, der zu allen möglichen Gelegenheiten getrunken wird.

Am nächsten Morgen beginnen Sarah und ich unsere Erkundungstour in der Innenstadt. Auch bei Tageslicht wirkt die kleine Stadt verschlafen. Alles hier scheint langsamer und ruhiger zu gehen als wir es aus Kiew gewohnt sind. Menschen sitzen bei Gesprächen mit den Nachbarn vor ihren Türen, Kinder spielen in Gärten zwischen Granatäpfel- und Feigenbäumen, der Duft vom Obst, das Händler überall am Straßenrand anbieten, ist allgegenwärtig. Im Park verkaufen alte Frauen Luftballons, Eis und Zeitungen. Wir setzen uns in einem kleinen Café auf gelbe Plastikstühle und bestellen türkischen Kaffee und Chatschapuri (pizzagroße Fladen aus Hefeteig und Käse, in speziellen Öfen gebacken). Wie in Zeitlupe läuft das Leben hier ab. Männer trinken Saft, Kaffee oder Bier, lesen Zeitungen, gehen einkaufen. Nach einem Gang über den Markt machen wir uns auf den Weg zu zwei Klöstern, die etwas außerhalb der Stadt liegen.


[Hinterhof in Batumi.]
  
Im Marschrutka treffen wir ein polnisches Paar, das wir bereits von der Fahrt vom Flughafen in die Innenstadt kennen. Nach der Besichtigung der Klöster, einer ausgiebigen Mittagspause auf dem Markt und dem ewigen Suchen nach einer Marschrutka, die uns zu unserem nächsten Ziel, der Prometheus-Tropfsteinhöhle, bringen soll sitzen wir am Busbahnhof des ehemals bekannten, sowjetischen Kurort Zqualtubo. „It looks like stalking!“, hören wir plötzlich Stimmen hinter uns. Die beiden Polen grinsen uns an. Das Georgien ein „Dorf“ ist, erfahren wir auch, als wir wenige Tage später beim Frühstück in unserem Hostel in der Hauptstadt Tblisi einen Deutschen treffen, der wiederum einen Schweitzer getroffen hatte. So setzen wir unsere Reise für ein paar Tage zu viert fort.


[Markt in Kutaisi.]
  
Nach einiger Zeit in Tblisi und einem Tagesausflug nach Davit Gareja, einem (Höhlen-)Kloster an der Grenze zu Aserbaidschan, in der Halbwüste gelegen, machen wir uns in den Norden auf, wo wir Bekannte vom Vermieter eines Bekannten (…) besuchen. Dieser hat wiederum einen Freund im Osten des Landes - Nika, ein Kunsthistoriker, Künstler und Weinbauer aus Georgien - der in Deutschland studiert und gearbeitet hat. Dort angekommen genießen wir lange Abende und Sonnenuntergänge am großen Tisch unter dem Walnussbaum bei Schaschlik, frischem Gemüse aus dem Garten und selbstgemachten Wein. Einen langen Tag verbringen wir damit, Weinflaschen zu versiegeln und zu etikettieren.

Von Osten geht es dann wieder Richtung Westen, erst zum Nationalpark und Kurort Bojormi, danach wollen wir weiter nach Batumi, ans Schwarze Meer. Da wir die Marschrutka verpasst haben, versuchen wir unser Glück beim Trampen und stellen uns an die Ortsausgangsstraße. Nach weniger als drei Minuten hält ein großer Lieferwagen an und der nette Fahrer nimmt uns in den nächst größeren Ort mit. Erst dort erfahren wir durch die Einwohner von dem schlechten Zustand der Straße, auf der wir unsere Fahrt fortsetzen wollten. Also müssen im Marschrutka wieder zurückfahren, um eine andere Route zu nehmen. Während das Marschrutka im strömenden Regen am Straßenrand auf ein mir unbekanntes Ersatzteil oder eine Reparatur wartet, rückt unser Wunsch, den Sonntagnachmittag am Strand zu genießen, in weite Ferne. Spontan werden wir von einer Mitfahrerin angesprochen und nach Hause eingeladen, also ändern wir unsere Pläne und übernachten in einem kleinen Dorf, nicht weit von der Küste entfernt.


[Der Marktplatz in Kutaisi.]
  
Kaum im Haus angekommen, will ihr Mann uns einen deutschen Fernsehsender zeigen. Das nimmt jedoch einige Zeit in Anspruch. „Ivan!“, ruft seine Frau von unten. „Ho!“ („Ja“), antwortet Ivan von oben und zappt weiter zwischen iranischen, englischen und russischen Sendern hin und her. „Ivaaan!“ - „Hooo! … Ah, thats German, isn't it?“ - „Ivaaaaaaan!“ - „Hooooo!“. Die Lautstärke nimmt zu. Ivan bewahrt die Ruhe, schaltet schließlich auf einen englischen Sportsender und geht. Seine Frau hat in der Zeit ein wunderbares, großes Essen für uns zubereitet und fährt jetzt mit ihrem Mann noch Torte kaufen. Nach dem Festmahl fallen wir müde in die Betten und nachdem wir am nächsten Morgen Nudeln, Bratwurst, Torte, Brot, Salat und löffelweise Honig verdrückt haben, fahren wir weiter nach Batumi, wo unsere Gastgeberin bereits Kontakte organisiert hat: Zwei Söhne ihrer Freundin holen uns vom Bahnhof ab und helfen uns bei der Suche eines Hostels. Im Vergleich zu den anderen Städten, die wir bisher in Georgien gesehen haben, ist Batumi unglaublich ordentlich und modern. Nach zwei weiteren Tagen am Strand ist unser Urlaub dann vorbei und wir fliegen zurück in die Ukraine.


[Eine morgendliche Begegnung in einem kaukasischen Dorf.] 


Hier in Kiew sind jetzt auch Ferien und die Stadt leert sich, weil viele Menschen zu ihren Familien aufs Land fahren oder anderweitig verreisen. Auch die Kinder sind in einem Ferienlager und ich arbeite deswegen bis Mitte August ausschließlich im Büro. Dann kommen unsere Nachfolger-Freiwilligen an und Anfang September ist mein Freiwilligendienst zu Ende. Bis dahin genieße ich noch den ukrainischen Sommer und das Leben in Kiew.

Weitere Informationen zu meinem Friedensdienst, sowie Fotos und Berichte von der Reise nach Georgien finden Sie in meinem Blog: www.elenainderukraine.jimdo.de

Liebe Grüße,

Elena Rother
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