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Im Würgegriff der Kassenärztlichen Vereinigung

om; 21. Aug 2013, 12:46 Uhr
Bilder: Oliver Müller --- Ein nachdenklicher Arzt, der im Moment nicht abschätzen kann, ob seine Praxis und damit seine Existenz noch Zukunft hat.
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Im Würgegriff der Kassenärztlichen Vereinigung

om; 21. Aug 2013, 12:46 Uhr
Lindlar- Der Lindlarer Hausarzt Dr. Jörg Blettenberg wird für sein Engagement bestraft - Mediziner soll sechsstelligen Betrag zurückzahlen – Lokalpolitiker schalten sich ein.
Von Oliver Müller

Jörg Blettenberg ist enttäuscht, sein Gerechtigkeitsempfinden stark in Mitleidenschaft gezogen. Für seine Übernahme der ärztlichen Betreuung der Patienten im Gummersbacher Pflegeheim „Haus Tannenberg“ im Jahre 2008 zahlt der Lindlarer Hausarzt jetzt die Zeche. Nach einer Prüfung durch die Kassenärztliche Vereinigung (KV) wurde eine Überschreitung des Budgets für Heilmittel festgestellt, die der Mediziner nun zurückzahlen soll. Hierbei handelt es sich nicht um zu viel in Rechnung gestellte Honorare des Arztes, vielmehr um die entstandenen Kosten für Heilmittel, wie Physiotherapien, Logopädische Anwendungen oder Medikamente, die den circa 120 Patienten des Pflegeheims regelmäßig verschrieben werden müssen. „Ich soll also im Grunde die Therapien meiner Patienten bezahlen“, so Blettenberg.


[Kämpft für seine Überzeugung, notfalls bis zur höchsten Instanz]

Dabei steckte das Pflegeheim selbst in einer Zwangslage. Denn nach der Schließung der Praxis des bis dahin zuständigen Neurologen in Gummersbach fehlte ein Nachfolger. Die Therapien aber sollten und mussten aus medizinischen Gründen weiterlaufen. Blettenberg stellte sich in dieser Situation zur Verfügung, die entsprechenden Verordnungen - nach sorgfältiger Prüfung des Einzelfalls - auszustellen. Es war ihm natürlich bewusst, dass in der Folge erhöhte Kosten auf die Versicherer zukommen, denn den schwerst psychisch kranken Bewohnern des Heimes müsse eine andere Versorgung zugestanden werden als dem „Durchschnitts-Patienten“, ist er überzeugt. Hierzu habe Blettenberg vor der Betreuungsübernahme die KV angesprochen und um eine Budgeterhöhung gebeten. Dies sei nicht nötig, da die besonderen Aufwendungen vor einer Prüfung heraus gerechnet würden und damit keine Auswirkungen auf sein Büdget hätten, so damals die KV. „Aber genau das ist nicht geschehen“, beteuert Blettenberg. In der Folge seien für die Jahre 2009 und 2010 in den Prüfungen circa 150.000 € als Forderung der KV ausgesprochen worden. Die Jahre 2011 bis 2013 kommen erst noch, hier sei der Sachverhalt aber gleich und somit werde sich die Gesamtsumme auf rund 400.000 € erhöhen. 



Ungehalten macht den Arzt vor allem die seines Erachtens bestehende Rechtsverletzung, wonach bei einer Budgetüberschreitung vor einer Nachforderung eine Beratungspflicht seitens der KV besteht, die vom Sozialgericht in anderen Fällen mehrfach bestätigt, aber von der KV nie angeregt worden sei. Blettenberg hofft derzeit auf die Aussetzung der Vollstreckung bis zur endgültigen gerichtlichen Entscheidung über den Fall. Diese kann aber mehrere Jahre dauern und bis dahin muss die ärztliche Versorgung der Patienten gesichert sein.

„Ich bin Arzt geworden, weil ich  kranken Menschen helfen will, deswegen mache ich weiter und gehe notfalls bis zur höchsten Instanz“, versichert der Mediziner und fügt hinzu „Andernfalls droht der Verfall der Versorgung, das möchte ich verhindern!“. Er sei keineswegs ein Einzelfall, wisse von einem Kollegen aus Düsseldorf und einem weiteren aus Radevormwald, die zurzeit Ähnliches erlebten. Über die Anzahl der tatsächlich in Regression genommenen Kollegen hülle sich die KV aber in Schweigen. Zudem verweigere sie ohnehin jede Aussage über laufende Verfahren, erklärt der Arzt.

Unterstützung erhält Blettenberg durch lokale Politiker wie Lindlars Bürgermeister Dr. Georg Ludwig und seinen Amtskollegen aus Gummersbach, Frank Helmenstein, die ein Gespräch Anfang September mit dem Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung erwirkt haben, sowie die ehemalige Bundestagsabgeordnete Ina Albowitz-Freytag, die den Fall Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr vorgelegt hat. Blettenberg freue sich über die positive Resonanz der Lindlarer Bürger „Zudem sprechen mir meine Patienten immer wieder Mut zu, was sehr gut tut und mich bestärkt“, versichert der Arzt und ergänzt „Ich werde kämpfen!“.
  
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