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Flachdachsanierung kostenlos – geht das?

Red; 12. Sep 2015, 10:00 Uhr
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Flachdachsanierung kostenlos – geht das?

Red; 12. Sep 2015, 10:00 Uhr
Oberberg - Oberberg-Aktuell informiert in dieser Rubrik über Rechtsfragen - Der Service wird präsentiert von Fincke Rechtsanwälte Bergneustadt.
„Außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge sind u.a. solche Verträge, die bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Verbrauchers und des Unternehmers an einem Ort geschlossen werden, der kein Geschäftsraum des Unternehmers ist.“ Obwohl sich das nicht schön liest, steht es trotzdem seit ca. einem Jahr im Bürgerlichen Gesetzbuch. In demselben Gesetz steht auch, dass der Verbraucher, der außerhalb von Geschäftsräumen einen Vertrag abgeschlossen hat, diesen Vertrag widerrufen kann, wenn er nicht oder nicht richtig über das Widerrufsrecht belehrt wurde. An die Belehrung denkt kein Mensch. Das kann weitreichende Folgen haben, wie unser kleiner Beispielsfall zeigt.

Das Flachdach vom schmucken Bungalow unserer Verbraucherin, der rüstigen Rentnerin Marie-Luise Kluge, hat die besten Jahre hinter sich. Die Flachdachbahnen sind wellig und werfen Blasen. Undichtigkeiten zeigen sich – noch – nicht. Es war reiner Zufall, dass Frau Kluge anlässlich eines Restaurantbesuchs Dachdeckermeister Klaus Fröhlich traf. Die Sprache kam aufs Dach, ein Termin am Bungalow war schnell vereinbart. Nach der ersten Besichtigung vereinbarte man einen Folgetermin, zu dem Fröhlich direkt einen Kostenvoranschlag über immerhin pauschal 25.000,00 EUR zur Instandsetzung des Flachdaches mitbrachte. Was sein muss, muss sein, dachte sich Frau Kluge noch, bevor sie den Dachdeckermeister vor Ort mit der Instandsetzung beauftragte. Wunschgemäß zahlte sie später 12.500,00 EUR und damit die Hälfte des vereinbarten Preises an.

Wer weiß, wie die Geschichte ausgegangen wäre, hätte Fröhlich die Dachdeckerarbeiten zur vollen Zufriedenheit seiner Kundin abgewickelt. Das tat er nicht. Er begann viel zu spät mit den Arbeiten, die auch noch länger dauerten, als eigentlich geplant war. Sehr zum Missfallen unserer Hausbesitzerin beschädigte Fröhlich auch noch einen prächtigen Rhododendron. Als Fröhlich dann wegen einiger unvorhergesehener Arbeiten auch noch 2.000,00 EUR mehr als vereinbart von Frau Kluge forderte und eine Schlussrechnung über 27.000,00 EUR aufmachte, reichte es unserer Hausbesitzerin. Sie stellte den Sachverhalt ihrem 21-jährigen Enkel Kevin, einem aufgeweckten Jurastudenten, vor.

Dem war die Rechtslage sehr zur Freude seiner Großmutter vertraut. So erklärte er seiner Oma, dass sie den Dachdeckervertrag außerhalb von Geschäftsräumen im Sinne von § 312 b BGB abgeschlossen habe, weshalb sie nach § 312 g BGB berechtigt sei, den Vertrag nach § 355 BGB zu widerrufen. Das Widerrufsrecht bestehe auch heute noch, weil Dachdeckermeister Fröhlich es verabsäumt habe, die Rentnerin über ihr Widerrufsrecht ordnungsgemäß zu belehren. Die Rechtsfolgen des Widerrufs – so der belesene Student – seien in § 357 BGB geregelt. Danach sind die empfangenen Leistungen zurückzugewähren. Auch auf die Frage der Großmutter, wie sie dies denn bewerkstelligen solle, das Flachdach sei schließlich repariert, wusste Kevin eine Antwort. Grundsätzlich schulde der Verbraucher dem Unternehmer für die bis zum Widerruf erbrachten Leistungen zwar Wertersatz. Dies gelte nach der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung in § 357 Abs. 8 BGB aber nur dann, wenn der Verbraucher von dem Unternehmer ausdrücklich verlangt habe, dass dieser mit der Leistung vor Ablauf der Widerrufsfrist beginne und der Unternehmer den Verbraucher über die Rechtslage auch noch besonders belehrt habe.

Weil Dachdeckermeister Fröhlich das alles nicht getan hat, war das nicht zu beanstandende Ergebnis der rechtlichen Prüfung unseres Studenten für die Großmutter mehr als erfreulich. Frau Kluge konnte den Vertrag auch nach Fertigstellung der Arbeiten widerrufen und brauchte danach nichts mehr für die Reparatur des Daches zu bezahlen. Dachdeckermeister Fröhlich musste die Anzahlung von 12.500,00 EUR sogar an Frau Kluge zurückzuzahlen, weil es nach dem Widerruf an einem wirksamen Vertrag fehlte.

Dachdeckermeister Fröhlich hat das Flachdach für Marie-Luise Kluge also kostenlos repariert. Das alles nur deshalb, weil der Vertrag außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossen wurde und Frau Kluge über ihr Widerrufsrecht nicht belehrt wurde. Ein bemerkenswertes Ergebnis – oder?

(Fallgestaltung in Anlehnung an das Urteil Amtsgericht Bad Segeberg vom 13.04.2015 – 17 C 230/14 -)

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