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„Xynthia“ sorgte für Chaos in Oberberg

ch,mkj; 1. Mar 2010, 19:50 Uhr
Bilder: Michael Kleinjung --- Richtig viel Glück hatte eine Autofahrerin an der Aggertalsperre, als ihr Wagen von einem Baum getroffen wurde.
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„Xynthia“ sorgte für Chaos in Oberberg

ch,mkj; 1. Mar 2010, 19:50 Uhr
Oberberg – Kräftige Windböen knickten Bäume wie Streichhölzer um. Feuerwehren zählen über 600 Einsätze - Orte waren von der Außenwelt abgeschnitten - Teilweise gingen für Stunden die Lichter aus (AKTUALISIERT von 28.2.2010).
Von Christian Herse

War der Himmel am Sonntagmittag noch blau und ließ auf ein ruhiges Spätwinterwetter hoffen, so zeigte Sturmtief „Xynthia“ nur wenig später, was für ein hitziges Teufelsweib sie wirklich ist. Ab 12:30 Uhr standen die Notruftelefone der Kreisleitstelle in Kotthausen nicht mehr still. Sämtliche Feuerwehren in Oberberg waren im Einsatz, um umgestürzte Bäume von Straßen, Stromleitungen und Dächern zu räumen. Die B256 musste zwischen Schönenbach und dem Kreisverkehr Brüchermühle genauso gesperrt werden, wie die Strecken Müllenbach Richtung Dahl und die L286 zwischen Wipperfeld und Erlen.

[Diese Situation traf man häufig am Sonntag im Bergischen an.]

Brisant an der Wetterlage waren vor allem orkanartige Böen, die plötzlich mit voller Wucht zuschlugen und gleich mehrere Bäume umknicken ließen. So geschehen in Lindlar auf der L299. Noch während den Fällarbeiten stürzten wie bei einem Dominoeffekt weitere Tannen um, sodass sich die Feuerwehr zu ihrer eigenen Sicherheit dazu entschloss, die Straße zu sperren. Immer wieder verirrten sich dennoch Autofahrer auf die Strecke und mussten befreit werden, da sie von umgefallenen Bäumen eingekeilt waren. Erst am Montagabend war die Strecke wieder befahrbar. Einige Ortschaften in Oberberg wurden von der Außenwelt abgeschnitten und konnten erst nach langwierigen Sägearbeiten wieder zugänglich gemacht werden.

 In Lantenbach am Steinweg stürzten zwei hohe Fichten über die Verbindungsstraße zwischen Abus Kransysteme an der L323 und der L337 an der Aggertalsperre hinweg auf ein Einfamilienhaus. Dabei wurden das Dach und die Stromleitung beschädigt. Die Feuerwehr beseitigte die Tannen. Auch in anderen Orten wurden Gebäude durch umherfliegende Gegenstände und umknickende Bäume beschädigt. Die Kreisleitstelle zählte von 12:30 bis 22 Uhr über 600 unwetterbedingte Notrufe und verdoppelte die Zahl der Disponenten, um der Lage Herr zu werden.  Insgesamt waren kreisweit 500 Hilfskräfte im Einsatz. Glücklicherweise gab es bis jetzt keinerlei Verletzten zu beklagen.


[Zwei Tannen stürzten in Lantenbach auf ein Wohnhaus und bestädigten dieses.]

Wie schnell der Sturm allerdings gefährlich werden kann, musste eine 43-Jährige an der Aggertalsperre am eigenen Leib erfahren.  Mit ihrem Ford Focus kam sie aus Richtung Lantenbach, als rund 100 Meter vor der Sperrmauer ihr Wagen von einem rechts oberhalb der Böschung entwurzelten Baum getroffen wurde. Die Frau erlitt einen Schock. Ebenfalls Glück hatte ein Autofahrer in Lindlar, den ähnliches Ungemach ereilte.. Allein das Deutsche Rote Kreuz Frielingsdorf-Scheel versorgte mit 16 Helfern die in Spitzenzeiten 90 Kameraden in Lindlar mit warmen Essen und unterstützte zeitgleich die Einsatzleitung bei der Abarbeitungen von auflaufenden Einsätzen. 

Zudem stationierte das DRK am Gerätehaus einen Rettungswagen, um mögliche verletzte Kameraden schneller versorgen zu können und um den Regelrettungsdienst zu entlasten, der teilweise massive Umwege zu seinen Einsatzzielen fahren musste. Nachdem ein zehn Kilovolt Mast umknicke und für einen rund anderthalbstündigen Stromausfall im gesamten Gemeindegebiet sorgte, musste zeitweise auch über eine Versorgung von Bauern und Altersheimen nachgedacht werden.

[Mancherorts behalf man sich mittels Handsäge und entfernte die Tannen selbst.]

„Kyrill war deswegen dramatischer, weil wir über eine lange Zeit unter anderem Landwirte mit Elektrizität versorgen mussten. Damals war die Infrastruktur teilweise zerstört, was dieses Mal glücklicherweise nicht der Fall war“, berichtete Charly Kruggel von der Wehrführung Lindlar. Bis 20 Uhr musste man in der Kommune dennoch knapp 65 Einsätze abarbeiten, weswegen, wie in vielen anderen Kommunen auch, Gemeindealarm und damit die Einsatzbereitschaft aller möglichen Einheiten ausgerufen wurde. Ebenfalls die Lichter aus gingen in Alperbrück, Loope und Teilen von Radevormwald. Der Entstördienst der RWE ist bereits pausenlos unterwegs, wird allerdings dennoch frühestens morgen Entwarnung geben können. Gänzlich leer gingen alle Zugfahrer aus, die heute mit der Regionalbahn 25 reisen wollten. Aufgrund der Böen stellte die Bahn am Nachmittag nämlich in ganz NRW den Zugverkehr ein.

Die Wetterstation von Alfons Heitmann in Bergneustadt registrierte eine Spitzengeschwindigkeit von 83,8 Stundenkilometern. Andere Stationen in der Kreismitte vermeldeten jedoch sogar Werte von 110 Stundenkilometern. Noch bis in den Morgen hinein kann es weiter stürmen. Problematisch dabei dürfte der immer weiter aufgeweichte Boden werden, der bis 10 Uhr insgesamt 40 Liter Wasser pro Quadrat aufnehmen muss. Auch die Situation an manchen Flüssen bleibt angespannt.

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