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Russische Familie durch Abschiebung bedroht

Red; 10. Aug 2010, 10:42 Uhr
Oberberg Aktuell
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Russische Familie durch Abschiebung bedroht

Red; 10. Aug 2010, 10:42 Uhr
Waldbröl – Das Presbyterium der Evangelischen Kirchengemeinde Waldbröl gewährt einer Witwe und ihren Kindern Kirchenasyl.

[Bild: privat --- Mutter Goarik Grygoria mit Kolja, Sonja und Pfarrer Matthias Schippel.]

Seit Anfang diesen Monats befindet sich die armenische Christin Goarik Grygorian mit ihren beiden Kindern Kolja (19) und Sonja (16) im Kirchenasyl der Evangelischen Kirchengemeinde Waldbröl. Das Presbyterium hatte den Beschluss, der Familie Zuflucht zu gewähren, einstimmig gefasst. Die Abschiebung hatte aufgrund richterlicher Anweisungen unmittelbar bevorgestanden – der unfreiwillige Flug nach Russland war von den Behörden für den Mittwoch gebucht gewesen. Jetzt lebt die Familie bis auf weiteres in den Räumen der Evangelischen Kirchengemeinde, die sie nicht verlässt. Zum ersten Mal seit Wochen könne sie wenigstens stundenweise wieder schlafen, berichtet Goarik Grygorian. Der 19-jährige Kolja, der zum 1. September eine Zusage für eine Lehrstelle als Verputzer hat, weiß nicht, wie es weitergehen soll. Auch Sonja Grygorian ist bislang im Ungewissen darüber, wie es nach den Ferien mit ihrem Schulbesuch aussehen wird. „Mit dem Kirchenasyl soll die Familie einstweilen vor der Abschiebung geschützt werden“, sagt Pfarrer Matthias Schippel. Ziel ist es, humanitäre Gründe für den Verbleib der Familie deutlich zu machen und Zeit zu gewinnen, um ein Gutachten über die traumatisierte Mutter erstellen zu lassen.

Vor zehn Jahren war die Witwe mit ihren beiden Kindern per Flugzeug nach Deutschland gekommen. Goarik Grygorian beantragte damals Asyl. Ihr Mann sei von der Mafia getötet worden. Auch sie und die Kinder seien mit dem Tod bedroht worden, gab sie als Grund an. „Aus Angst vor weiterer Verfolgung und aus Sorge um ihre Kinder hat sie damals ihre wahre Identität verschwiegen“, erläutert Pfarrer Schippel. Statt der russischen gab sie für sich und die Kinder die aserbaidschanische Staatsangehörigkeit an. Als sich nach der Abweisung des Asylantrages im Zuge der Altfallregelung die Möglichkeit einer Aufenthaltserlaubnis ergab, offenbarte sie gegenüber den Behörden ihre wahre Identität. Genau das wurde der inzwischen in Waldbröl integrierten Familie zum Verhängnis. Ihr wurde Täuschung vorgeworfen, die zum Ausschluss von der Altfallregelung und dann zur Abschiebung führte.

Pfarrer Matthias Schippel sieht den Grund für das jahrelange Schweigen jedoch in einer Traumatisierung von Goarik Grygorian. Sie sei der Grund dafür, dass sich die Frau bislang weder den betreuenden Sozialarbeitern der Stadt Waldbröl noch einem Mitglied des Freundeskreis Asyl geöffnet habe. Weil Grygorian aus Angst so lange geschwiegen habe, hatte das Ausländeramt auch nicht wie in vergleichbaren Fällen eine Begutachtung durch Traumafachleute angeordnet. Schippel und der rund 20-köpfige Unterstützerkreis wollen versuchen, eine solche Untersuchung auf eigene Kosten jetzt nachträglich auf den Weg bringen. Dass das Oberverwaltungsgericht Münster bei der Ablehnung eines Eilantrages argumentiert, der 19-jährige Sohn habe mit Eintritt seiner Volljährigkeit von sich aus seine wahre Identität offenbaren müssen und daher auch die Abschiebung der Kinder bestätigte, kann Schippel menschlich nicht nachvollziehen. „Das ist sippenhaft. Wie soll denn ein Sohn sich in so einer Situation gegen die eigene Mutter stellen?“, fragt er.

In die Bemühungen um die Familie hat sich auch der Waldbröler Bürgermeister Peter Köster eingeschaltet. In einem Brief an den Oberbergischen Kreis, wo das Ausländeramt angesiedelt ist, gibt er seiner Sorge darüber Ausdruck, dass die Familie bei einer Rückkehr nach Russland gefährdet sein könne. Er regt an, gemeinsam nach einer Lösung zu suchen. Auch Matthias Schippel und die Evangelischen Kirchengemeinde wollen Konfrontation und Machtkampf mit den Behörden vermeiden. Schippel hat dem Ausländeramt in Gummersbach den Aufenthaltsort der Familie mitgeteilt und hofft darauf, dass das Kirchenasyl respektiert wird. Unterstützende Spenden können unter dem Stichwort „Kirchenasyl“ auf das Konto 10 01 29 60 15, Volksbank Oberberg eG (BLZ: 38 46 21 35),  überwiesen werden.
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