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Ein Welttrainer der etwas anderen Sorte

db; 1. May 2015, 01:10 Uhr
Bilder: privat (1,3,5) Daniel Beer (2), DFB (4) --- Ein Bild aus 2014: Karl-Heinz Weigang beruhigt die Fans am Zaun: Der vom Abstieg bedrohte Perak FA hat sein Auswärtsspiel in Kuala Lumpur 1:4 verloren. Weigang will Zuversicht verbreiten: 'Wir schaffen das.'
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Ein Welttrainer der etwas anderen Sorte

db; 1. May 2015, 01:10 Uhr
Wiehl - Karl-Heinz Weigang trainierte in seinem Leben zahlreiche Fußall-Nationalmannschaften und Vereine, gewann Titel und wurde mit Auszeichnungen überhäuft. Außerdem ist er Mitglied des BSV Viktoria Bielstein und lebt auch in dem Wiehler Ort. Ein Bericht über eine außergewöhnliche Trainerkarriere.
Von Daniel Beer

Es gibt in der Fußball-Geschichte viele Deutsche, die jeder kennt: den ersten Weltmeister-Trainer Sepp Herberger, den Kaiser Franz Beckenbauer oder auch „Tante Käthe“ Rudi Völler. Und dann gibt es Karl-Heinz Weigang. Wer ihn kennt, der darf sich wahrlich als Fußball-Experte bezeichnen. Nicht einmal eine deutschsprachige Wikipedia-Seite gibt es über ihn. Dabei hat er über fünf Jahrzehnte lang für den Fußball gearbeitet. Er hat Nationalmannschaften trainiert, Endspiele in ausverkauften Stadien bestritten und Titel gewonnen. Und seit Ende der 70er Jahre lebt er in Wiehl-Bielstein, ist Vereinsmitglied und Berater des BSV Viktoria Bielstein und war dort natürlich auch schon Trainer. Im August wird er 80 Jahre alt. Höchste Zeit also, einmal auf sein Leben und Wirken zu schauen.



Bevor Karl-Heinz Weigang Fußball-Weltenbummler wurde, spielte er in seiner Jugend in Wanne-Eickel im Ruhrgebiet. „Ich war Halbstürmer, heute sagt man dazu wohl offensiver Mittelfeldspieler“, erzählt er. Der Fußball als beruflicher Lebensinhalt war aber zunächst nicht der Plan von Weigang, der nach der Schule ein Maschinenbaustudium begann. Ein Dozent bekam den Auftrag, eine technische Schule im damaligen Ceylon (heute Sri Lanka) aufzubauen und für die Ausbilder gebraucht wurden. Und weil Weigang nach eigener Aussage schon immer reiselustig war, unterbrach er sein Studium und ging 1959 dorthin – und blieb neun Jahre in Asien. Während seiner Zeit in Ceylon arbeitete er dann ehrenamtlich als Fußballtrainer in seiner Freizeit.


[Freuen sich über ein besonderes Vereinsmitglied: BSV-Pressesprecher Thomas Rothe (links) und Lothar Vollmer (Ältestenrat) mit Karl-Heinz Weigang.]

Der Job als Fußballtrainer gewann immer mehr Bedeutung. Schließlich zog er nach Südvietnam und wurde dort 1966 sogar Nationaltrainer – als Ehrenamtlicher. Eine Bezahlung gab es in Form von Verpflegung und Unterkunft. Wegen des Vietnamkriegs wurde es ihm dann irgendwann zu gefährlich und er kehrte 1968 nach Köln zurück. Das Maschinenbaustudium war längst vom Tisch. Stattdessen machte Weigang 1968/69 die Fußballlehrerausbildung an der Sporthochschule Köln. Danach wurde er zunächst Verbandssportlehrer. „In dieser Zeit habe ich teilweise Hennes Weisweiler assistiert und beim Fußball-Lehrer-Lehrgang geholfen, wenn er nach Gladbach musste“, erzählt Weigang, der dadurch unter anderem den jungen Otto Rehhagel, Hans Tilkowski (Nationaltorwart) oder Siggi Held (u.a. Borussia Dortmund) unterrichtete.


[Weigang wird gemeinsam mit seinem Manager, Abwehrspieler und Torwart für die Olympia-Qualifikation für 1980 mit Malaysia geehrt.]

Es folgten mehrere Jahrzehnte als Auslandsbeauftragter des DFB und der Bundesregierung. Weigang wurde in Afrika Nationaltrainer von Mali und belegte bei der Afrikameisterschaft 1972 den zweiten Platz. Außerdem trainierte er die Nationalteams von Ghana und Gabun. In Kamerun kümmerte er sich erfolgreich um die Nachwuchsförderung. Bei der Fußballweltmeisterschaft 1990 in Italien gehörten 13 seiner Schützlinge zum Kader von Kamerun und neun davon standen in der Startaufstellung beim Eröffnungsspiel gegen Argentinien, das die Afrikaner sensationell mit 1:0 gewannen und später erst im Viertelfinale an England scheiterten.


[DFB-Präsident Wolfgang Niersbach (r.) zeichnet Karl-Heinz Weigang (v.l.) sowie Burkhard Pape, Peter Schnittger und Bernd Fischer mit der DFB-Verdienstspange aus.]

Als Fußballtrainer im Ausland und teils exotischen Ländern braucht es besondere Eigenschaften. Das fängt bei der Sprache an. Neben Deutsch spricht Weigang Englisch und Französisch. Doch besonders im Umgang mit Menschen aus fremden Kulturen sind vielseitige Fähigkeiten erforderlich. „Da draußen sind sie ganz allein und müssen sich gegen alle durchsetzen“, erklärt Weigang. Von DFB-Auslandstrainern wird unter anderem Einfühlungsvermögen, Verhandlungsgeschick und Durchsetzungsvermögen erwartet. Und natürlich die Liebe zum Fußball. Weigang sagt über sich: „Ich esse, schlafe und träume Fußball.“ Unterstützung erhielt er dabei auch immer von seiner Ehefrau, mit der er seit 55 Jahren verheiratet ist. „Ohne eine Frau, die das alles mitmacht, wäre das alles unmöglich.“ 

Ein ganz besonderes Verhältnis hat Weigang so Malaysia. Von 1977 bis 1981 war er Nationaltrainer und gewann mit der Mannschaft unter anderem zwei Mal die Goldmedaille bei den Southeast Asian Games. 1997 übernahm er dann den malaysischen Erstligisten Perak FA und gewann ein Jahr später den Malaysia Cup. Das Endspiel im Nationalstadion Bukit Jalil sahen 100.000 Zuschauer. Im vergangenen Jahr rief dann noch einmal der Perak FA, der sich in akuter Abstiegsnot befand. Weigang kehrte offiziell als Technischer Berater zurück. Mit seiner Hilfe gelang der Klassenerhalt schließlich doch noch.


[Perak schlägt im eigenen Stadion im letzten Spiel den Vizemeister und Pokalsieger 2014 mit 3:0 und verhindert so den Abstieg. Die Fans stürmen vor Freude den Platz.] 

Und dann ist da natürlich noch der BSV Viktoria Bielstein. Den ersten Kontakt gab es 1968, als Weigang mit einer Auswahlmannschaft, in der auch die heutigen Gladbach-Legenden Berti Vogts und Hartwig Bleidick spielten, gegen den BSV antrat, der damals in der 1. Kreisklasse kickte. Später kehrte er mit den Nationalmannschaften von Malaysia und des wiedervereinten Vietnams zurück. Die Gegend gefiel Weigang. Als er 1971 im Heimaturlaub in Wanne-Eickel eine Grundstücksanzeige für Bielstein in der Zeitung sah, war der neue Wohnort gefunden. Mit dem Hausbau dauerte es jedoch noch etwas. Erst 1978 zogen die Weigangs nach Bielstein. Im Jahr 2009 wurde Weigang dann auch im Verein aktiv, trainierte die 1. Mannschaft, die Jugend und zum ersten Mal in seiner langen Karriere eine Damenmannschaft. „Wir sind sehr stolz, ihn in unserem Verein zu haben“, sagt Lothar Vollmer, Mitglied des Ältestenrats und ehemaliger Vorsitzender.


[Bei einer UEFA-Veranstaltung im März in Bonn spricht Karl-Heinz Weigang mit Frauen-Bundestrainerin Silvia Neid. Da muss auch Günter Netzer mal kurz warten.]

Für sein Wirken hat Weigang zahlreiche Auszeichnungen bekommen. Im Rahmen der Abschlussveranstaltung des 61. Fußball-Lehrer-Lehrgangs an der Hennes-Weisweiler-Akademie erhielt er kürzlich die DFB-Verdienstspange für seine Arbeit als Auslandstrainer. Von der FIFA erhielt er 1998 als zweiter deutscher Trainer nach Helmut Schön die Order of Merit, die höchste vom Weltfußballverband verliehene Auszeichnung. Alle Ehrungen, Stationen und Titel zu erwähnen, würde den Rahmen dieses Artikels bei Weitem sprengen. Wenn man Karl-Heinz Weigang eine Frage stellt, fallen ihm bei der Antwort drei neue Anekdoten ein, die zu weiteren Erinnerungen an Erlebnisse führen. Eines ist ihm aber ganz wichtig: „Es war immer mein Ziel, etwas Nachhaltiges an meinen Stationen zu hinterlassen.“
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