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Fliegende Steine und Flaschen gegen Rechtsextreme

ch; 23. Aug 2009, 17:10 Uhr
Bilder: Christian Herse --- Ein Großteil der Veranstaltung blieb die Lage ruhig, ehe sich sich abends rasch zuspitzte.
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Fliegende Steine und Flaschen gegen Rechtsextreme

ch; 23. Aug 2009, 17:10 Uhr
Radevormwald – Während die Kundgebung der rechtsextremen „pro NRW“ ruhig verlief, drohte die Lage später zu eskalieren. 500 Linke trafen auf 70 Rechte. Mehrere Personen festgenommen, die Polizei setzte Tränengas ein (AKTUALISIERT).
 Der geneigte Sonnenausflügler dürfte am gestrigen Samstag ein zweigespaltenes Bild von Radevormwald davon getragen haben. Sicherlich beeindruckt haben die zahlreichen Polizeifahrzeuge, die in der ganzen Stadt verstreut standen. Eher Volksfestcharakter hatte hingegen  die Stimmung auf dem Marktplatz, wo sich der „Runde Tisch“, die Linkspartei und verschiedene Gruppen auf ihre Kundgebung gegen die rechtspopulistische Bürgerbewegung „pro NRW“, die für den Tag eine Großveranstaltung angekündigt hatte, vorbereiten. Bei Würstchen und Grillfleisch feierten zu dem Zeitpunkt rund 200 Menschen friedlich und verteilten fleißig Aufkleber gegen Rechts.

[Markus Beisicht und Markus Wiener lächelten der Menge zu.]


Die Hauptfiguren des Tages ließen derweil auf sich warten. Von 16 bis 18 Uhr war ihre Wahlveranstaltung auf dem kleinen Schlossmacherplatz angemeldet, mit einer halben Stunde Verspätung traf eine Gruppe von 70 Personen in ihren Fahrzeugen ein. Derweil hatten sich mittlerweile circa 400 Menschen vor dem abgesperrten Gelände versammelt und hießen die vom Verfassungsschutz beobachteten Rechten mit einem lauten Pfeifkonzert willkommen. Doch auch die Rechten um die „pro Köln“- Vorsitzenden Markus Beisicht und Markus Wiener sparten nicht an Provokationen und genossen offensichtlich die aufgebrachte Menge, die sowohl aus friedlichen Bürgern mit vielen Jugendlichen, als auch aus zahlreichen türkischen Mitbürgern und eindeutig linksgerichteten Personen bestand.

Eine Dreiviertelstunde dauerte die Kundgebung von „pro NRW“, an der auch der Oberbergische Vorsitzende Udo Schäfer und der Landratskandidat Manfred Rouhs teilnahmen. Die politischen Parolen gingen dabei von unnötigen Steuerverschwendungen in der Stadt bis hin zum Stopp der fortschreitenden Islamisierung von Deutschland. Währenddessen hatte sich die zunehmend alkoholisierte Gruppe von linksgerichteten Demonstranten von der 30 Meter großen Schutzzone entfernt und begann den Schlossmacherplatz von allen Seiten zu umzingeln. Immer wieder kam es dabei zu vereinzelten Eierwürfen, bei denen unter anderem ein Polizist am Kopf getroffen wurde.

[Die Mehrheit der Demonstranten zeigten friedlich ihre Meinung.]

„Im Vorfeld der Veranstaltung haben wir mehrmals das Gefahrenpotential der Teilnehmer überprüft und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass mit einem friedlichen Ablauf auszugehen ist“, berichtete Polizeisprecher Ernst Seeberger während der Kundgebung. Dass diese Einschätzungen sich als teilweise falsch erweisen sollten, zeigte sich dann am späten Nachmittag. Offenbar hatte sich schnell rumgesprochen, was in Radevormwald passierte, denn gegen 17:30 Uhr mischten sich zahlreiche aggressive und teils vermummte Linksextreme aus dem Wuppertaler Raum unter die Menge und hetzten zahlreiche Jugendliche auf. So kam es immer wieder zu kleineren Handgemengen mit den Bereitschaftspolizisten, die zu dem Zeitpunkt allerdings noch deeskalierend mit Worten die Menge beruhigen konnte. Auch Journalisten gerieten zeitweise in die Schusslinie von Eierwerfern.

Diese Situation wandelte sich allerdings schlagartig, als Teilnehmer der „pro NRW“- Kundgebung ihre Kleinbusse vom nur wenige Meter entfernten Busbahnhof holen und zum Schlossmacherplatz fahren wollten, um ihre Gleichgesinnten einsteigen zu lassen. Eine wütende Menge aus rund 50 Personen bewarfen dabei Teilnehmer wie Polizisten mit Steinen und Flaschen, wobei zahlreiche Fahrzeuge beschädigt wurden. Die Polizei musste sich nach eigenen Angaben mit Tränengas und Schlagstöcken zur Wehr setzen und  nahm drei Personen in Gewahrsam. Anscheinend von der Situation eingeschüchtert, weigerten sich die Rechten anschließend den Platz zu verlassen, da sie sich nicht genug geschützt fühlten.

[Drei Personen wurden festgenommen.]

Der CDU- Landtagsabgeordnete Peter Biesenbach zeigte sich aufgrund der Eskalation von den Gegendemonstranten enttäuscht: „Natürlich finde ich es schade, dass in der heutigen Zeit solche Rechtsextreme noch auftreten. Aber so, wie sich hier einige Menschen verhalten, bringt uns das auch nichts.“ Während die Rechtsextremen Reifen wechseln mussten, versammelte sich die aufgebrachte Menge in der ganzen Stadt und pöbelte dabei auch unbeteiligte Autofahrer an. Immer wieder kam es zu kleineren Auseinandersetzungen mit der Polizei. Gegen 19:15 Uhr rollte schließlich der Konvoi unter Polizeischutz vom Platz, allerdings mitten in die mittlerweile stark alkoholisierte Gruppe von Demonstranten hinein. Dabei kam es erneut zu zahlreichen Stein- und Flaschenwürfen auf die Fahrzeuge der Kundgebungsteilnehmer, bei denen mehrere Scheiben zerstört wurden.
 
[Der Oberbergische Polizeileiter Thomas Sanders (links) im Gespräch mit dem Landtagsabgeordneten Peter Biesenbach.]

Auch nachdem die Rechtspopulisten abgezogen waren, blieb die Stimmung in der Stadt angespannt, sodass die Polizei erst am späten Abend abrücken konnte. Die Bilanz der Veranstaltung: Sechs beschädigte „pro NRW“- Autos sowie ein Polizeiwagen, drei Festnahmen von Jugendlichen aus Rade und Hückeswagen sowie zahlreiche Anzeigen wegen Diebstahl und Sachbeschädigung. Zwei Demonstranten erlitten Augenreizungen durch den Einsatz von Pfefferspray. Verletzt wurde glücklicherweise niemand, aber es blieben zahlreiche geschockte Radevormwalder zurück. „Ich lebe seit 35 Jahren in Deutschland, aber sowas habe ich hier noch nie gesehen“, resümierte ein türkischer Mann. Derweil hat „pro NRW“ für das kommende Jahr zum Landtagswahlkampf erneut eine Kundgebung in Rade angekündigt.


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