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Famose Inszenierung der Komödie "Der eingebildete Kranke"

vma; 2. Sep 2002, 22:58 Uhr
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Famose Inszenierung der Komödie "Der eingebildete Kranke"

vma; 2. Sep 2002, 22:58 Uhr
(vma/16.2.2002-) Von Vera Marzinski
Wiehl - Klassiker aus dem 17. Jahrhundert von dem 19-jährigem Regisseur Jörn Kolpe mit hervorragendem Ensemble des Wiehler Schauspiel-Studios in beeindruckender Weise umgesetzt.

[Bilder: Oliver Mengedoht.]

Nicht zum ersten Mal führt Jörn Kolpe Regie bei einem Stück des Schauspiel-Studios, aber zum ersten Mal alleine. Bereits 1999 inszenierte er gemeinsam mit Raimund Binder "Die Eule und das Kätzchen" und im gleichen Jahr war er an der Regie des Kabarett "Mit uns die Sinnflut" beteiligt. Auch als Darsteller des Schauspiel-Studios ist er nicht unbekannt. Mit der Komödie in drei Akten von Moliére, bei dem er auch Vor- und Zwischenspiele dazunahm, ist ihm eine famose Inszenierung gelungen.



Hinter dem Vorhang: Klagelaute. Hinter weißen Masken: Menschen die klagen, jammern, stöhnen, verängstigt daherschleichen. Eine groteske Szene, die plötzlich in eine ganz andere Richtung geht, als die Darsteller einen alten Koffer mit Musikinstrumenten finden. Gemeinsam finden sie mit Tamburin, Rasseln und Pfeifen eine Melodie – das Vorspiel zum Stück.



Und dann liegt er da, in seinem Bett: Argan, der sich einbildet, krank zu sein. Er bildet sich nicht nur ein, krank zu sein: Er ist es. Er leidet allerdings nicht an den Krankheiten, die von seinen kurpfuschenden Ärzten behandelt werden, sondern eben an seiner Einbildung: Er ist ein Hypochonder.



Argan (Gisbert Möller) wird schamlos von Apothekern und Ärzten ausgenutzt, die ihm obendrein sogar einen angehenden Mediziner als Schwiegersohn aufzwingen wollen. Als Argans Gattin Béline umsorgt Evelyn Hassel überzeugend voll Saccharinsüße den Gemahl mit vielen Gesten, lässt aber diskret ihre Habgier merken. Ihre Stieftochter Angélique, dargestellt von Johanna Babke, wirkt frisch und natürlich in Freude und Schmerz. Sie und ihre Auserwählter Cleante (Jörn Wollenweber) bilden ein ideales Paar.



Jörn Wollenweber trifft auch den richtigen Stil in der Schäferszene, in der er versteckt und dennoch offensichtlich Angélique vor ihrem Vater seine Liebe gesteht. Und das vor dem vom Vater auserwählten Schwiegersohn Thomas Diafoirus. Dominik Kirchholtes spielt den jungen geistig irrsinnigen Mediziner, der die eigenen Dummheiten ebenso für Weisheit hält wie sein Vater, der Arzt Diaforus (Michael Albrecht) sehr possierlich und gekonnt überdreht, in den Rollen als Apothekergehilfe und als Notar wirkt er weniger echt.

Des Hausherrn völlige Hörigkeit und Gier nach Klistieren und allerlei anderen Heilmethoden, konterkariert Dienerin Toinette mit dem nötigen frechen Mundwerk. Brillant agiert Bärbel Stinner in der Rolle der Haushälterin Toinette. Mit ihrem scharfen Ton und auch mit ihren gekonnten Schmeicheleien setzt sie sich gegen alle durch. Sie verlegt sich auf eine doppelbödige Taktik – verkleidet als Arzt -, die darauf hinausläuft, dem Hypochonder mittels scheinbarer Zustimmung die Realität in ungeschminkter Form zu präsentieren. Dabei unterstützt sie Argans Bruder (Klaus Weyers), der dem "eingebildeten Kranken" ins Gewissen redet.



Um nicht auf fremde Hilfe angewiesen zu sein, lässt sich Argan - auf Rat seines Bruders- schließlich selbst promovieren. Das Stück endet mit einer possenhaften Zeremonie, in der Argan das Recht verliehen wird, "zu klistieren, zu stechen und gar zu schneiden".



Argan ist der Protagonist, dessen dominierenden aber auch destruktiven Charakterzug, Gisbert Möller in genialster Weise darstellt. Das Leid, dass Argan empfindet verdeutlicht Möller so vollkommen, dass der Zuschauer ihn bedauert, mit ihm leidet und ihn auch ein wenig belacht.



Molière spielte seinerzeit den eingebildeten Kranken selbst und rief von der Bühne: "Ach was, Molière! Das ist ein unverschämter Bursche ... Wenn ich Arzt wäre, ich würde an dem frechen Kerl Rache nehmen, und wenn er krank würde, dann ließe ich ihn ohne Hilfe sterben." Molière sprach diese Sätze als todkranker Mann. Er rief sie in jenem dritten Akt, in dem er bei der vierten Vorstellung, am 17. Februar 1673, zusammenbrach. Er starb an einem Blutsturz im Kostüm des eingebildeten Kranken eine der schauerlichsten Ironien der Theatergeschichte.

Als ältestes von zehn Kindern unter dem Namen Jean-Baptiste Poquelin wurde Moliére am 15. Januar 1622 geboren. Nach harten Jahren als Schauspieler in der Provinz, leitete er schließlich sein Theater selbst, schrieb Stücke, führte Regie und stand selbst auf der Bühne. Die Komödie "Der eingebildete Kranke" schrieb und inszenierte Molière unter dem Einfluss der italienischen Commedia dell'Arte, bei der die Typen maskiert gespielt und das Stück mit Tanzszenen angereichert wurden.



In seiner Inszenierung wird Regisseur Jörn Kolpe neben dem Begriff der Charakterkomödie auch dem der Typenkomödie gerecht, indem er sich sowohl der Elemente des Stegreiftheaters als auch der Commedia dell´arte bedient. Den in deutschen Inszenierungen häufig weggelassenen Ballettszenen Molières, ebenso wie der überzeichneten Zeremonie der Verleihung der Doktorwürde an Argan im Schlussakt, werden mit Elementen des Masken- und Typentheaters Rechnung getragen. Zudem verleiht Jörn Kolpe mit seinen Regieeinfällen jedem Charakter eine transparente Klarheit. Ein Famose Inszenierung mit hervorragendem Ensemble.

Die Premiere war ausverkauft; für die Vorstellungen am Samstag, 16.2., Sonntag, 17.2., Mittwoch, 20.2, Freitag, 22.2, Samstag 23.2., und Sonntag, 24.2. sowie Freitag, 1.3., jeweils 20 Uhr in der Aula der Grundschule Wiehl, sind beim Wiehl-Ticket, Tel.: 02262/99-285, noch Karten erhältlich.





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