Gummersbach – Am kommenden Samstag startet der VfL Gummersbach gegen den Deutschen Meister THW Kiel in die neue Bundesligasaison – Selbst Experten fällt es schwer, die Chancen der Oberberger einzuschätzen.

Von Bernd Vorländer

Wer gedacht hatte, dass mit dem Saisonstart im vergangenen Jahr und dem drohenden Entzug der Bundesligalizenz sowie dem folgenden Rettungsakt die gröbsten Probleme hinter dem VfL Gummersbach liegen würden, erlebt ein Jahr später ein déjà-vu. Es geht nicht gerade um die Existenz, aber Aufregung herrschte in diesem Sommer genug – mit Auswirkungen auf den sportlichen Bereich. Die Tatsache, dass der VfL nach der Trennung von Jan Gorr und dem Festhalten an Emir Kurtagic zwei Trainer bezahlen muss, verengt wie auch die Kosten für den Hallenumbau die sportlichen Möglichkeiten.

Trainer Kurtagic (Bild) muss also mit dem vorhandenen Personal auskommen, das nur geringfügig ergänzt wurde. Für den VfL ist die kommende Spielzeit sicherlich eine Übergangssaison. Mit großen Erwartungen setzt man auf den Effekt der neuen Schwalbe-Arena, die ab der übernächsten Spielzeit als neuer Anziehungspunkt die Zuschauer locken soll. 2012/13 werden die VfL-Fans nach erfolgreichen internationalen Jahren erstmals wieder auf auf europäische Auseinandersetzungen verzichten müssen.

Kommen und Gehen

Mit Patrick Wiencek, der zum Meister nach Kiel wechselte, und Igor Anic (Cesson Rennes/1. französische Liga) verliert der VfL zwei arrivierte Spieler, die vor allem in der Deckung wichtige Aufgaben erfüllten. Ivan Dimitrejevic wird vorerst in der 3. Liga bei der Zweitvertretung auflaufen, Jonathan Eisenkrätzer wechselte zum TV Großwallstadt und das Ziel von Vjenceslav Somic ist unbekannt. Gekommen ist mit Michal Kopco ein wuchtiger Kreisläufer, der auch in der Abwehr sofort eine Schlüsselrolle spielen muss und mit Dennis Krause den Mittelblock stellt. Hinzu kommen einige talentierte jüngere Spieler wie Andreas Heyme und Nemanja Mladenovic, die Trainer Kurtagic möglichst schnell auf Bundesliganiveau bringen will. Mit der Vorbereitungszeit ist der junge Coach zufrieden und attestiert den Spielern, die sich seit Wochen auf die Bundesliga vorbereitet haben eine hervorragende Physis. „Wir haben richtig gut gearbeitet.“ Getrübt wird dieses Bild nur durch die Verletzungen von Christoph Schindler und Adrian Pfahl. Dass Barna Putics und Kentin Mahé lange mit ihren Nationalmannschaften in der Vorbereitung auf die Olympischen Spiele steckten, schuf nicht gerade beste Voraussetzungen für eine eingespielte Mannschaft.


[Von den Ideen eines Kentin Mahé wird in der kommenden Saison viel für den VfL abhängen.]

Doch Emir Kurtagic denkt schon längst über die nächste Spielzeit hinaus. „Ich habe die Mannschaft für die übernächste Saison schon im Kopf. Wir müssen vor allem perspektivisch denken und der Verkauf von Leistungsträgern muss ein Ende haben“, gibt der Trainer die Richtung vor. Für den nach Hamburg wechselnden Adrian Pfahl könnte sich Kurtagic vorstellen, auf einen jungen Nachfolger zu setzen, „den wir zu einem nationalen Spitzenspieler entwickeln“. Angesichts enger finanzieller Rahmenbedingungen ist dem Coach allerdings klar, dass jeder Transfer sitzen muss. „Wir dürfen uns hier keine Fehler mehr erlauben. Das war in der Vergangenheit nicht immer optimal.“ Wichtig ist für den 32-Jährigen auch, dass die Leistungsanforderungen in der VfL-Akademie angehoben werden. Vor allem im technischen und taktischen Bereich müsse man von 18- oder 19-jährigen Spielern mehr erwarten, um sie in der Bundesliga einzusetzen. Dazu sei auch ein durchgängiges Trainerkonzept von der C-Jugend bis zum Profibereich zwingend erforderlich.

Stärken und Schwächen

Der VfL Gummersbach dürfte in der kommenden Saison vor allem von der individuellen Klasse seiner Spitzenspieler abhängig sein. Adrian Pfahl, Kentin Mahé und inzwischen auch Barna Putics werden mit ihren Toren dafür sorgen müssen, dass der VfL bereits frühzeitig den notwendigen Abstand zu den Abstiegsplätzen hält, um in der Folge eine ruhigere Saison als in der vergangenen Spielzeit spielen zu können. „Ich bin sicher, dass die Torhüter eine wesentlich bessere Leistung zeigen werden“, ist Kurtagic sicher. Ristovski wie Rezar hätten einen erheblich höheren Leistungsstand erreicht. Auf der Habenseite darf man getrost auch die Begeisterungsfähigkeit und den Ehrgeiz des Trainers verbuchen wie auch die Tatsache, dass wesentliche Teile der Mannschaft zusammen geblieben sind. Allerdings – und das ist das größte Manko – verfügt der VfL nur über einen extrem kleinen Kader mit Spielern, die sich im Erstligageschäft auskennen und auch bei heftigem Gegenwind nicht die Orientierung verlieren. „Wenn alle gesund bleiben, ist ein Platz zwischen 9 und 13 realistisch, aber es darf nichts passieren, sonst wird es eng“, weiß Emir Kurtagic um die Gefahren. Würden Leistungsträger länger ausfallen, wäre der VfL rasch wieder in Tabellenregionen, die ihn zittern lassen müssten.

Fazit

Der VfL Gummersbach steht vor einer Übergangssaison und muss versuchen, die Leistung der vergangenen Rückserie zu stabilisieren. Dies dürfte nicht immer gelingen, Rückschläge sind programmiert. Wichtig für die mittelfristige Zukunft wird sein, ob Verein und Zuschauer dem Trainer wie dem künftigem Geschäftsführer das Vertrauen geben, die Mannschaft über einen längeren Zeitraum zu entwickeln – unabhängig von aktuellen Ergebnissen.

Tests und Tore
VfL – Vardar Skopje 25:24
VfL BSV Bern Muri 34:26
VfL – TV Neuhausen 29:25
VfL – Bietigheim 35:28
VfL - TuSEM Essen 14:11 (Turnier)
VfL – VfL Gladbeck 13:12 (Turnier)
VfL- TBV Lemgo 17:19 (Turnier)
TSV Burgdorf – VfL 33:25
VfL – TV Neuhausen 14:10 (Turnier)
VfL – Union Leoben 15:12 (Turnier)
VfL - TuSEM Essen 10:8 (Turnier)
VfL – TV Bittenfeld 18:15 (Turnier)

Abgänge
Jonathan Eisenkrätzer (TV Großwallstadt)
Ivan Dimitrejevic (VfL II. Mannschaft)
Patrick Wiencek (THW Kiel)
Igor Anic (Cesson Rennes)

Zugänge
Michal Kopco (Tatran Presov)
Nemanja Mladenovic
Tobias Schröter
Lucas Puhl
David Wiencek
Andreas Heyme (alle VfL A-Jugend)
Jan-Lars Gaubatz (VfL II)
Robin Teppich (ausgeliehen an Bergischer HC)

Spielerkader


Tor
Borko Ristovski
Aljosa Rezar
Lucas Puhl


Feld
Dennis Krause
Barna Putics
Christoph Schindler
Kentin Mahé
Adrian Pfahl
Goran Sprem
Vedran Zrnic
Jörg Lützelberger
Michal Kopco
Nemanja Mladenovic
Tobias Schröter
David Wiencek
Andreas Heyme
Jan-Lars Gaubatz
Robin Teppich

Trainer:
Emir Kurtagic