BLAULICHT

Ausgerechnet zur Weihnachtszeit: Griff in fremde Pakete zu verführerisch

lw; 18.04.2024, 15:00 Uhr
Archivfoto: OA.
BLAULICHT

Ausgerechnet zur Weihnachtszeit: Griff in fremde Pakete zu verführerisch

lw; 18.04.2024, 15:00 Uhr
Waldbröl – 18-Jähriger gesteht Diebstahl - Jugendstrafe auf Bewährung – Auch bei einer großen Firma griff er zu.

Von Lars Weber

 

Wegen Diebstahls ist der 18-jährige Eymen Ü (Anm.d.Red.: Name geändert) heute vom Jugendschöffengericht unter dem Vorsitzenden Richter Carsten Becker zu einer Jugendstrafe von acht Monaten verurteilt worden. Die Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Allein die Tatsache, dass eine Jugendstrafe verhängt wurde, zeigte schon: Hier ging es um keine Bagatellen. Da er zudem erst vor gerade mal einem halben Jahr zuletzt auf der Anklagebank hatte Platz nehmen müssen, wollte das Gericht den jungen Mann nun ein klares Signal geben, ohne jedoch seinen Weg zu verbauen. Denn Eymen Ü. zeigte sich nicht nur geläutert, sondern wähnt sich auch auf dem richtigen Weg.

 

Die Staatsanwaltschaft warf dem 18-Jährigen vor, zunächst am 1. September bei einer großen Firma in Morsbach einen Handscanner gestohlen zu haben, als er für eine Verleihfirma dort gearbeitet hatte. Der Scanner hatte einen Wert von rund 2.300 Euro. Anschließend soll Eymen Ü. versucht haben, das Diebesgut im Internet auf einem Kleinanzeigen-Portal zu verkaufen, um seine Schulden abzubauen. Zwei weitere Diebstähle sollen sich kurz vor Weihnachten im Verteilerzentrum der Post in Nümbrecht ereignet haben, wo der Angeklagte zu dem Zeitpunkt jobbte. Er soll Pakete geöffnet und nach Dingen gesucht haben, die er gewinnbringend verkaufen kann. In die Hände sollen ihm dabei AirPods und ein iPhone gefallen sein. Um das Smartphone bis Dienstschluss zu verstecken, soll er es in einen Mülleimer auf der Toilette geworfen haben.

 

Eymen Ü. räumte auch gleich alle Anklagepunkte ein. Vor allem seine Schulden zu der Zeit sollen die Motivation für die Taten gewesen sein. 3.000 Euro fehlten ihm damals, um es Leuten zurückzuzahlen, denen man besser nichts schulden sollte. Zwar konsumiert er Cannabis, aber wie die hohe Summe wirklich zusammengekommen ist, konnte oder wollte er nicht weiter ausführen. In der Nacht vor der ersten Tat jedenfalls sei das Auto seiner Mutter zerkratzt worden. „Die kommt nicht auf meine Vergangenheit klar.“ Auch bei ihm selbst habe das Signal etwas ausgelöst, weshalb er bei der nächsten Nachtschicht beim Anblick des Handscanners die Gelegenheit sah, seine Schulden damit vielleicht loszuwerden.

 

Nun ist solch ein spezielles Gerät kein Produkt, was man klassischerweise schnell im Netz verkaufen kann. Zumal es auch noch mit der Software des Betriebes bespielt war, wie der Personalleiter der Firma später im Zeugenstand verriet. Der Verkaufspreis, so der Zeuge, sei schnell gesenkt worden, als der Dieb merkte, dass wenig Interesse vorherrschte. Die Technikabteilung hatte „ihr“ Produkt nämlich schnell auf dem beliebten Kleinzeigen-Portal aufgespürt. Wenig später stand die Polizei bei Eymen Ü. vor der Tür. Der Handscanner ging an die Firma ohne Schaden zurück.  Der 18-Jährige entschuldigte sich für sein Verhalten und die Probleme in den Betriebsabläufen, die er verursacht habe. Der Zeuge nahm die Entschuldigung an.

 

Ein weiterer Job führte den Angeklagten dann in der Adventszeit ins Verteilzentrum der Post, die zu dieser Zeit im Jahr den hohen Arbeitsaufwand mit Aushilfen auffängt. Als er die beiden Pakete geöffnet habe, hatte er bereits einige Wochen dort gearbeitet. Beide Kartons seien beschädigt gewesen. Es sei leicht zu sehen gewesen, was sich darin befand. „Das iPhone-Logo hat mir ins Gesicht gelächelt.“ Doch weit kam er nicht. Noch am selben Tag flog der Diebstahl auf.

 

Es war nicht das erste Mal, dass er die falschen Entscheidungen getroffen hat. Noch im September vergangenen Jahres hatte er eine Verwarnung von Richter Carsten Becker kassiert, nachdem er Falschgeld, das er auf dem Schulhof erhalten haben soll, wieder unters Volk mischen wollte. Ein Freizeitarrest für ein Wochenende sei ihm „eine große Lehre“ gewesen. „Das hat mir die Augen geöffnet.“

 

Hinter sich lassen wolle er diese Zeit nun. Bei seinem Schuldenproblem habe ihm sein Bruder geholfen, dazu sei er dabei, den Termin bei der Schuldenberatung zu machen, den das Gericht ihm als Auflage gemacht hatte. Zudem arbeitet er darauf hin, im August eine Ausbildung zu beginnen. Sicher habe er die Stelle zwar noch nicht, aber es sehe gut aus, sagte er.  

 

„Sie sehen immer wieder die Chance, alle Probleme mit einer Tat zu beseitigen.“ Die Staatsanwaltschaft sah vor allem aufgrund der hohen Rückfallgeschwindigkeit die Zeit für einen „Denkzettel“ gegeben. Der Verteidiger des Angeklagten wollte die Sache nicht dramatischer machen, als sie war. „Es ist kein Schaden entstanden.“ Er plädierte dafür, dass sich sein Mandant zunächst beweisen darf, bevor eine Jugendstrafe ausgesprochen wird. „Ich bereue meinen bisherigen Weg, jetzt bin ich auf dem richtigen“, betonte Eymen Ü. vor dem Urteil.

 

Das Jugendschöffengericht sprach ihn des Diebstahls schuldig und folgte der Staatsanwaltschaft. Eine Jugendstrafe über zehn Monate auf Bewährung schwebt nun über dem Kopf des 18-Jährigen, wenn das Urteil rechtskräftig wird. Dazu bekommt er einen Bewährungshelfer an die Seite gestellt, er muss zur Schuldenberatung, 200 Euro ans Jugendamt zahlen und im Sommer 80 Sozialstunden ableisten, damit er im August seine Ausbildung anfangen kann. Trifft er in den kommenden Jahren wieder falsche Entscheidungen, „bedeutet das Knast“, machte Richter Becker deutlich. „Das ist Ihre letzte Chance.“

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