SPORTMIX

Mitgliederschwund bedroht den Breitensport

pn; 09.12.2020, 11:00 Uhr
Beispielfoto: Stefan Schranz auf Pixabay
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Mitgliederschwund bedroht den Breitensport

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pn; 09.12.2020, 11:00 Uhr
Oberberg – Fehlende Angebote haben Konsequenzen - Vereine kämpfen durch die Corona-Pandemie mit sinkenden Mitgliederzahlen - Viele Austritte, kaum Neuanmeldungen.

Von Peter Notbohm

 

Individualsport ist das Zauberwort dieser Tage. Die Sportstätten sind geschlossen, Vereine ihrer Basis durch die Corona-Maßnahmen beraubt, Mitglieder können ihr Hobby kaum noch ausüben. Rollt auf den Breitensport eine Austrittswelle zu, die zu finanziellen Engpässen führen wird? Oberberg-Aktuell hat sich bei mehreren Vereinsvorständen und dem Kreissportbund Oberberg umgehört.

 

354 Sportvereine gibt es momentan im Oberbergischen. Diese haben bislang 125.625 Euro aus dem Programm Soforthilfe Sport beantragt. Eine Gesamterhebung über Mitgliederverluste werde es erst im kommenden Jahr geben, erklärt Anja Lepperhoff, Geschäftsführerin des Kreissportbund Oberberg (KSB), die sich mehrenden Stimmen aus den Vereinen hat aber auch sie in ihren Gesprächen vernommen. „Eine pauschale Aussage kann man noch nicht treffen, aber natürlich gibt es Vereine, die zum Jahresende einige Kündigungen erhalten haben. Aber auch das Gegenteil wird uns berichtet, wo Vereine sehr viel tun, um mit ihren Mitgliedern in Kontakt zu bleiben und die bisher noch nicht vor Problemen stehen“, sagt sie.

 

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Noch habe man beim Kreissportbund das Gefühl, dass die Mehrheit der Menschen ihren Vereinen auch in diesem Krisenjahr treu bleiben und nicht sorglos langjährige Mitgliedschaften kündigen. Irgendwann werde aber auch diese Solidarität überstrapaziert sein. „Wir kämpfen momentan auf allen Ebenen“, berichtet Lepperhoff. Auch der Aufruf des KSB-Vorsitzenden Hagen Jobi habe große Resonanz erfahren. Dass Breitensport auch in Pandemiezeiten möglich sei, davon ist sie weiterhin überzeugt: „Wir haben nach dem ersten Lockdown viel Zeit in Hygienemaßnahmen investiert und viele Ausbildungen abgehalten. Dort, wo sich an alle Regeln gehalten wurde, gab es keine Infektionen – auch im Breitensport nicht.“

 

Hört man sich in einzelnen Vereinen um, zeichnet sich das Bild ab, das auch Lepperhoff wahrgenommen hat. Mancher Vereinsvorstand gibt allerdings eine düstere Prognose für das kommende Jahr ab. Beim TV Strombach merkt man noch nichts von einer Corona-Austrittswelle, sagt der 1. Vorsitzende Kay Wegermann. Es gebe zwar vereinzelt Abmeldungen, hier bewegen sich die Zahlen aber im Rahmen der Vorjahre. Einzig an Neuanmeldungen fehle es derzeit. „Unsere Mitgliederzahl bewegt sich immer zwischen 520 und 580. Derzeit sind wir bei 561.“ Das sei auch wichtig, schließlich bleiben die Kosten bestehen: Die Hallennutzungsgebühren wurden von der Stadt eingezogen. Der Verein betreue alle Teams digital, halte auch zu den Mitgliedern im Gesundheits- und Kindersport möglichst häufig den Kontakt. „Den Menschen fällt Zuhause die Decke auf den Kopf. Viele warten nur darauf, endlich wieder Sport machen zu dürfen“, meint er. Dass die Geduld endlich sein wird, befürchtet er trotzdem: „Kritisch wird es, wenn die Maßnahmen auch nach den Osterferien gelten.“

 

Finanzielle Auswirkungen merkt man beim Wiehltaler LC ebenfalls noch nicht, wobei der 1. Vorsitzende Klaus Heinen das „noch“ deutlich betont. 364 Mitglieder hatte der Verein zum Jahresbeginn. Heinen befürchtet, dass viele Vereine die Auswirkungen erst im kommenden Jahr spüren werden. „Im Sommer hatten wir noch zwei neue Kindergruppen und viele Anmeldungen, aber wo sollen wir in der aktuellen Situation im großen Durchbruch noch Anmeldungen haben“, fragt er. Mit einer Rückkehr in die Hallen rechnet er frühestens im März. So bleibe den Trainern und Übungsleitern derzeit nur der „Videosport“. Besonders die ältere Generation sei hierfür aber nur schwer zu begeistern. Eine absehbare finanzielle Belastung sei für den Verein vor allem der ausgesetzte Lungensport, die größte Abteilung beim WLC: Etwa 100 Patienten trainieren dort üblicherweise, durch das Ausbleiben können auch keine Gelder bei den Krankenkassen abgerechnet werden. Ein großes Problem sei, dass Vereine kaum Rücklagen für schlechte Zeiten bilden dürfen. Heinen plädiert für Lockerungen: „Laut dem DOSB ist der Sport kein Pandemie-Treiber. Wenn man uns nicht auf vernünftiger Ebene mit Hygieneregeln Sport treiben lässt, werden die Menschen immer unzufriedener.“

 

Von einem Mitgliederschwund will man beim VfL Engelskirchen noch nicht sprechen, aber auch hier sind die Austritte inzwischen spürbar. „Ich kann mich nicht erinnern, wann der Verein das letzte Mal unter 1.000 Mitglieder hatte“, sagt der 1. Vorsitzende Hans-Georg Potthoff. Er kann es den Menschen angesichts ausbleibender Sportangebote aber nicht verdenken: „Nicht jeder ist auf Rosen gebettet und überlegt sich nun zwei Mal, wofür er sein Geld ausgibt.“ Existenzbedrohend sei die Situation für den VfL zwar noch nicht, durch das neue Sportgelände muss der Verein neben den laufenden Kosten aber auch einige Kredite bedienen. Auch in Engelskirchen versuchen die Übungsleiter auf Online-Angebote auszuweichen, die meisten Abteilungen sind allerdings Teamsportarten, die von der Zusammenkunft leben. Seine Hoffnungen setzt Potthoff in die angekündigten Impfungen. „Ich hoffe, dass wir im Frühjahr zumindest draußen wieder Sport treiben dürfen.“

 

Kritischer sieht die Situation dagegen beim TuS Wiehl aus. Hildegard Wirths, 1. Vorsitzende des Vereins, rechnet mit einem Schwund von mindestens 80 bis 100 Mitgliedern (10 Prozent). Besonders bei den Mutter-Kind-Gruppen habe man massive Verluste zu beklagen. Die Jahresbeiträge werden im Kreissüden erst im Mai eingezogen, in der Hoffnung, dass mit einhergehenden Lockerungen im Frühjahr einige Menschen den Weg zurückfinden. Wirths kritisiert die Inkonsequenz der Maßnahmen. „Wir hatten ein super Hygienekonzept für unsere vereinseigene Halle“, sagt sie. Die Halle werde aufgrund der guten Lüftung mittlerweile auch für den Sportunterricht des Gymnasiums genutzt. „Natürlich muss man die Kontakte einschränken, aber wenn man sieht, dass vormittags Schüler dort Sport machen und Erwachsenen nachmittags der Zutritt verwehrt wird, ist das nur schwer verständlich.“ Besonders für die ältere Generation seien die Kurse nicht nur aus gesundheitlicher Sicht wichtig, sondern auch ein gesellschaftlicher Aspekt. „Deshalb müssen die Vereine weiterleben“, sagt sie.

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