POLITIK

NS-Aufarbeitung „niemals erledigt“

lw; 01.01.2022, 13:00 Uhr
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NS-Aufarbeitung „niemals erledigt“

lw; 01.01.2022, 13:00 Uhr
Oberberg – Bergneustädter Lothar Gothe wollte von Kreisverwaltung mehr über Gemälde des Künstlers Werner Peine erfahren – Neues Buch zum Thema Nationalsozialismus im Kreis erschienen.

Von Lars Weber

 

Hat die Kreisverwaltung Nachholbedarf, was die Aufarbeitung der NS-Zeit in der Verwaltung und der Region angeht? Darum ging es dem Bergneustädter Lothar Gothe, als er bei der jüngsten Kreistagssitzung eine Einwohneranfrage einreichte und erläuterte. Vordergründig ging es dabei um vier Gemälde des Malers Werner Peine, die der Kreis in den 1950er-Jahren gekauft hatte, als Dr. Friedrich Wilhelm Goldenbogen Oberkreisdirektor war. Der Blick Gothes ging aber weit darüber hinaus. Er forderte, unabhängige Historiker mit der Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit zu beauftragen – nicht zum ersten Mal.

 

Der Maler Werner Peine leitete die Herrmann-Göring-Meisterschule und wurde 1944 von Adolf Hitler in die Sonderliste der „Gottbegnadeten Künstler“ aufgenommen, eine Liste mit den zwölf wichtigsten bildenden Künstlern. Zu jener Zeit zog Peine auch nach Gimborn. Vor allem die Rolle von Dr. Goldenbogen und des damaligen Kreistags interessierte Gothe nun. Er wollte wissen, wie viel die Gemälde gekostet haben, ob es Kritik aus der Politik gab und ob der Kreistag der Aussage zustimme, „dass die distanzlose Förderung des Antisemiten Peiner ein starkes Indiz dafür ist, dass Goldenbogen selbst ebenfalls Antisemit war oder zumindest keinen sonderlichen Makel im Antisemitismus sah“, heißt es in der Anfrage.

 

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Zudem kritisierte Gothe in seinen Ausführungen die Aufarbeitung der NS-Zeit im Kreis. Er könne nicht verstehen, warum seine Forderung, einen unabhängigen Historiker einzusetzen, bei einer Sitzung des Kreisausschusses vor einigen Monaten einstimmig abgelehnt worden sei. Die Arbeiten des ehemaligen Kreishistorikers Gerhard Pomykaj wiesen seiner Meinung nach Lücken auf. Auch die Ankündigung bei der Ausschusssitzung im September – nach einer Stellungnahme Pomykajs selbst -, dass sich die Fraktionsvorsitzenden gemeinsam mit der Verwaltung bei dem Thema weiter beraten wollten, wie weiter vorgegangen werden soll, genügte Gothe keineswegs. „Nebulös“, bezeichnete er diese Aussage.

 

Um in diesem Bild zu bleiben: Viel Nebel wird sich für Gothe während der Sitzung nicht gelichtet haben. Baudezernent Felix Ammann beantwortete einige Fragen: Der Kaufpreis der Gemälde sei unklar, dazu finden sich keine Angaben. Auch eine etwaige Beteiligung des Kreistags ließe sich nicht ausmachen. 1989 seien die Werke in den nicht-öffentlichen Bereich der Kunstsammlung eingelagert worden – was anderes sei mit den Bildern auch nicht geplant. Mehr sagte die Verwaltung während der Sitzung nicht.

 

Auf Nachfrage von OA geht Ammann weiter ins Detail, was die Aufarbeitung der NS-Zeit durch den Kreis angeht. Die Untersuchung und Aufarbeitung des Nationalsozialismus im Kreis sei in den vergangenen Jahren mehrfach Gegenstand der Beratungen in den politischen Gremien des Oberbergischen Kreises gewesen. „Als ein Ergebnis dieser Diskussion wurde der damalige Kreisarchivar Gerhard Pomykaj mit der Recherche und Aufarbeitung dieser Thematik beauftragt.“

 

Die Erkenntnisse dieser Untersuchung wurden von Pomykaj in der Sitzung des Ältestenrates im Juni 2016 vorgetragen. Um die Inhalte auch der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, wurde im November 2016 im Gummersbacher Lindengymnasium nach öffentlicher Ankündigung eine Vortragsveranstaltung unter dem Titel „Der Nationalsozialismus im Oberbergischen Kreis – Kontinuitäten und Diskontinuitäten nach 1945“ durchgeführt.

 

Daneben gab es weitere wissenschaftliche Auseinandersetzungen und Veröffentlichungen mit ähnlichen Themenschwerpunkten, zum Beispiel Teil 3 der Schriftenreihe „Oberbergische Geschichte“. Auch der amtierende Kreisarchivars Manfred Huppertz hat sich mit der „Dokumentation zur Judenverfolgung in Gummersbach während der Zeit des Nationalsozialismus“ der weiteren Aufarbeitung der NS-Zeit gewidmet. Außerdem sei er mit zwei Beiträgen an gerade erscheinenden Buchprojekt des LVR (siehe Kasten) beteiligt.

 

„Die Aufarbeitung des Nationalsozialismus und seinen Auswirkungen auf spätere Jahre ist vielschichtig und kann nie als abgeschlossen oder erledigt bezeichnet werden“, macht Ammann klar. Deshalb werde sich auch, wie bereits angekündigt, die Kreisverwaltung im kommenden Jahr weiter mit den Fraktionsvorsitzenden abstimmen, in welcher Form und mit welchem Schwerpunkt die Aufarbeitung des Nationalsozialismus weiterverfolgt wird.

 

26 Autoren stellen ihre Forschungsergebnisse vor

 

[Cover: LVR.]

 

Das neue Buch "Indoktrination. Unterwerfung. Verfolgung - Aspekte des Nationalsozialismus im Oberbergischen, Rheinisch-Bergischen und Rhein-Sieg-Kreis“ ist seit Kurzem erhältlich. Herausgeber sind Frederik Grundmeier, Robert Wagner und Michael Kamp, Leiter des LVR-Freilichtmuseums in Lindlar. Unterstützt wurde die Veröffentlichung vom LVR, dem Lindlarer Museumsförderverein und dem Geschichtsverein Rösrath. Die Publikation sei die erste, in der sich 26 Autoren auf 359 Seiten mit vielen Abbildungen ausführlich der Zeit des Nationalsozialismus und den Kontinuitäten danach in den drei südlichen Kreisen des Bergischen Landes widmen.

 

Das Buch ist zum Preis vom 29,80 € im Museumsladen erwerben. Es gibt aber auch die Möglichkeit, das Werk zu bestellen. Weitere Informationen gibt es hier.

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