POLITIK

Massentests in Schulen nicht auszuschließen

bv; 11.08.2020, 18:58 Uhr
Archivfoto: OBK.
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Massentests in Schulen nicht auszuschließen

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bv; 11.08.2020, 18:58 Uhr
Oberberg - Landrat Jochen Hagt und Kaija Elvermann, Leiterin des Gesundheitsamtes, mahnen zur Corona-Vorsicht und sehen auf absehbare Zeit keine Grundlage zur Entwarnung.

Von Bernd Vorländer

 

OA: Erinnern Sie sich noch an den Tag, als sie erstmals von Covid19 gehört haben und was haben Sie damals gedacht?

Elvermann: Mitte Januar habe ich die ersten Meldungen aus China in den Händen gehalten. Damals hatte das Virus noch nicht den heutigen Namen und wir erhielten die Botschaft, dass wir über ein lokales Geschehen in China sprechen. Als das Virus die chinesische Grenze überschritt und sich quasi internationalisierte, war mir klar, dass wir auch in Deutschland betroffen sein würden.

Hagt: Als ich gesehen habe, welche Maßnahmen im Kreis Heinsberg im März ergriffen wurden, wusste ich, dass wir vor riesigen Herausforderungen stehen würden. Das hatte sich im Übrigen bereits Ende Februar angedeutet. Wir haben in den vergangenen Monaten viel dazu gelernt, insbesondere, was unsere Krisenpläne betrifft, die bislang darauf ausgerichtet waren, mit einem zeitlich begrenzten Ereignis umzugehen. Diese Pandemie besteht aber zunächst einmal dauerhaft, Krisenstäbe tagen nicht nur wenige Tage, sondern über viele Wochen oder gar dauerhaft. Wir sorgen für Strukturen, die binnen weniger Stunden wieder aktiviert werden können. Die Mitarbeiter der Kreisverwaltung haben einen tollen Job gemacht. Aufgrund der Corona-Entwicklungen haben zeitweise etwa 200 Mitarbeiter eine andere Aufgabe erhalten, um die Arbeit des Gesundheitsamtes zu flankieren. Das hat hervorragend geklappt.

 

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OA: Zu Beginn gab es die große Sorge, ob man ausreichend Notfallbetten und Beatmungsgeräte vorhalten kann. Wie sieht es heute aus?

Elvermann: Wir hatten zunächst im Januar die Krankenhäuser sensibilisiert, ihre eigenen Alarmpläne zu überprüfen und waren in einem sehr engen Austausch mit den Geschäftsführungen und den Chefärzten – etwa auch, wenn es um die notwendigen Hygiene-Maßnahmen ging. Gemeinsam haben wir Standards verändert und auch angepasst. Aktuell haben die Krankenhäuser in Oberberg ihre Infektionsbetten seit März verdoppelt und können eine große Anzahl an Erkrankten behandeln.

Hagt: Wir haben das Corona-Thema als Kreis umfassend angenommen und die Zusammenarbeit mit allen Stellen war wirklich erstklassig. Gerade, was die Nachverfolgung von Infektionsketten betrifft, liegen wir bei herausragenden 83 Prozent. Landesweit beträgt dieser Wert lediglich bei etwa 50 Prozent.

 

OA: Nach dem Schock kam allmählich die Lockerung. Jetzt steigen die Infektionszahlen, zumindest zeitweise. Habe wir zu viel Lockerheit bei der Lockerung?

Hagt: Wir haben hinsichtlich der Zahlen nur wenige aktuelle Fälle einer Erkrankung in Oberberg. Aber das ist ja nur das, was wir sehen. Wir wissen nicht, ob sich – und wenn ja – wie viele Menschen im Urlaub oder am Badesee angesteckt haben oder anstecken. Es gibt derzeit in der Bevölkerung sicherlich keine Alarmstimmung mehr. Aber Vorsicht ist geboten, auch wenn wir mit einem gewissen Risiko leben lernen müssen. Dass wir die nächste Zeit deutschlandweit auch zu punktuellen Einschränkungen kommen werden, ist eigentlich klar. Allerdings gilt es dringend, eine Situation zu vermeiden, in der wir das öffentliche Leben erneut herunterfahren müssen. Das hätte dramatische Folgen.

 

OA: In dieser Woche kehren die Kinder und Jugendlichen in die Schulen zurück. Ist das die Corona-Nagelprobe?

Elvermann: Wir sind in engem Kontakt zu den Schulen und Kitas, um sehr schnell reagieren zu können, wenn es eine Erkrankung gibt. Darauf haben wir unsere Strukturen ausgerichtet und auch Massentests sind dann nicht auszuschließen.

 

OA: Was ist eigentlich mit Großveranstaltungen in der Region – bald beginnt wieder die Handball-Bundesliga und auch Karnevalsveranstaltungen in der SCHWALBE arena waren geplant?

Hagt: Ich gehe davon aus, dass wir nicht zu einer Normalität der Vor-Corona-Zeit zurückkehren können. Solange es keinen wirksamen Impfschutz gibt, müssen Vorsichtsmaßnahmen eingehalten werden. Insbesondere bei Hallen-Veranstaltungen wird man da genau drauf schauen müssen. Wir haben eine veränderte Realität, das ist Fakt.

 

OA: Kritiker sagen oft, Covid 19 sei nichts anderes als eine Grippe. Was entgegnen Sie denen?

Elvermann: Am Anfang hätte man das vermuten können. Inzwischen wissen wir aber, dass Krankheitsverläufe sehr unterschiedlich sind. Corona-Erkrankte sind auch bei anfangs milden Verläufen nicht selten noch sehr lange eingeschränkt. Nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft beeinträchtigt das Corona-Virus unterschiedliche Organ-Systeme und ist somit wesentlich gefährlicher als eine 'normale Grippe'.

 

OA: Die oberbergische Wirtschaft hat sich in der Vergangenheit immer als sehr krisenfest erwiesen. Corona hat jedoch eine ganz andere Gefährdungs-Dimension. Sorgen Sie sich um den Standort Oberberg?

Hagt: Der Lockdown im März hat viele Unternehmen in arge Bedrängnis gebracht und wir können froh sein, dass die Kurzarbeiter-Regelungen hier das Schlimmste verhindert haben. Aber wir dürfen auch nicht den Blick davor verschließen, dass auf unsere Firmen unterschiedliche Herausforderungen zukommen, von denen die Pandemie nur eine ist. Etwa im Bereich der Automobil-Zulieferer. Die gesamte Branche steckt in einem Veränderungsprozess, was auch Ungewissheit mit sich bringt. Und die tollen Strukturen im Oberbergischen, nämlich, dass wir junge Menschen und interessierte Unternehmen auf Messen miteinander ins Gespräch gebracht haben, nutzen uns im Corona-Zeitalter nichts, denn die Messen finden nicht statt. Hinzu kommen die Probleme des Einzelhandels, der sich durch die Online-Kaufmöglichkeiten bedrängt sieht. Die Corona-Pandemie hat dies alles noch zusätzlich verschärft. 

 

OA: Eine besondere Herausforderung für Kreis und Kommunen ist es, den Menschen Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Davon aber gibt es zu wenig. Wird der Kreis seiner Verantwortung gerecht?

Hagt: Das Thema Wohnen war schon vor der Corona-Zeit enorm wichtig, weil es auch über die Zukunft einer Region entscheidet. Mit dem Virus bekommt das ganze aber noch eine neue Dynamik. Ich werbe sehr dafür, dass die Kommunen hier die Zeichen der Zeit erkennen. Wir brauchen nämlich schlaue Lösungen. Einerseits natürlich neue Wohngebiete, andererseits wissen wir, dass in den Dorfkernen die Menschen immer älter werden und ihr Eigentum gar nicht mehr bewirtschaften können. Uns allen muss aber daran gelegen sein, dass die Dorfkerne auch morgen und übermorgen noch lebendig sind.

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