LOKALMIX

Wenn jede Minute zählt

pn; 17.09.2019, 02:30 Uhr
Fotos: Peter Notbohm --- Jeder Handgriff bei einem Notkaiserschnitt wird intensiv trainiert.
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Wenn jede Minute zählt

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pn; 17.09.2019, 02:30 Uhr
Gummersbach – Am Klinikum Gummersbach fand gestern ein Notkaiserschnitt-Training statt – Zwischen Entscheidung zum sofortigen Handeln und der Entbindung des Kindes dürfen maximal 20 Minuten liegen.

Von Peter Notbohm

 

Im Vollsprint kommen die Operationsschwestern und der Anästhesist durch den Krankenhausflur geflogen. Kurze Zeit später folgt ihnen in ähnlich hohem Tempo der Oberarzt. Die Hebamme und der gynäkologische Stationsarzt sind schon längst bei der hochschwangeren Patientin, sie ist bereits auf dem Weg in den Kreißsaal, wird auf eine Notsektion vorbereitet. Es geht um Minuten, wenn nicht sogar Sekunden: Schließlich sind die Herztöne des Babys schwach und die Nabelschnur könnte sich im Mutterbauch um den Hals des ungeborenen Säuglings gelegt haben.

 

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„Ich hoffe, das Team wird ein paar kleine Fehler machen, denn daraus lernt man“, sagt Chefarzt Dr. Matthias Paul, der die Leitung bei dem Not-Kaiserschnitt-Training hat, das am Montag im Gummersbacher Krankenhaus durchgeführt wurde. Denn, was sich oben noch wie ein echter Notfall liest, bei dem es um das Leben von Mutter und Kind geht, soll junge Assistenzärzte trainieren, auf den Ernstfall vorbereiten und vor allem mögliche Probleme aufdecken. Es soll sich Wissen einschleifen, wird Dr. Clemens Bartz, Leitender Oberarzt, später sagen.

 

„Der Notfallkaiserschnitt ist eine sehr zeitkritische Angelegenheit“, erklärt Paul weiter. Von der Entscheidung zur Notsektion bis zur Entbindung des Kindes (Ent­scheidungs-Entbindungs-Zeit, E-E-Zeit) sollten maximal 20 Minuten liegen. Meist sind es zehn Minuten, am Gummersbacher Krankenhaus haben sich die Werte mittlerweile auf unter acht Minuten eingependelt, auch das gestrige Training war nach sieben Minuten und 50 Sekunden beendet. Die Zeiten müssen NRW-weit gemeldet werden, das Gummersbacher Klinikum war noch nie negativ auffällig. Wenn die Hebamme einmal den hausinternen Notruf abgesetzt hat, lässt das eingeteilte Personal alles stehen und liegen und eilt in den Kreißsaal.

 

 

Und die erwünschten Probleme treten bei der möglichst realitätsnahen Übung sogar auf. Der junge Assistenzarzt der Anästhesie, Dr. Andreas Reimann, die drei OP-Schwestern Hannah, Cannan und Silke sowie der Gynäkologe Dr. Mustafa Kocaer sind in der Theorie zwar bestens geschult, für sie ist es aber eine Premiere und während der Simulation entsprechend nervös. Um 7:43 Uhr wird der Alarm ausgelöst, um 7:47 Uhr  ist die werdende Mutter im Kreißsaal: Nach der eingeleiteten Vollnarkose ist das Kind keine vier Minuten später geholt. Ganz wie bei einer echten Geburt macht sich Erleichterung unter allen Beteiligten breit, ehe es ins anschließende Debriefing mit Chefärztin Dr. Anja Weishap geht.

 

Nach Ansicht der Videodokumentation wird jeder Schritt des siebenköpfigen Teams von den 45 Teilnehmern kritisch beäugt. Neben einem fehlenden Anruf beim Oberarzt sowie einem nicht optimal liegenden Narkosetuch haben sich vor allem zwei Kabel als Stolperfallen für das Operationsteam entpuppt. „Vermutlich hat eine Reinigungskraft die Infusionspumpe falsch eingesteckt. Dieser Fehler ist hier erstmalig aufgetreten“, sagt Weishap und hat auch eine Erklärung dafür, warum niemand diesen Mangel behob: „Jeder ist auf seine standardisierten Arbeitsschritte fixiert.“ Auch für Assistenzarzt Reimann war es eine lehrreiche Übung: „Ich war hektisch und stand mir etwas im Weg.“ Insgesamt beurteilen Weishap und Bartz die gezeigten Leistungen aber als gut.

 

 

Etwa 30 bis 35 echte Notsektionen gibt es jährlich im Gummersbacher Klinikum. Hatte man in der Vergangenheit auch dramatische Fälle, fanden die Notkaiserschnitte in 2019 bislang immer ein gutes Ende. Zwischen Narkotisierung und Schnitt liegen in der Regel 90 bis 120 Sekunden, damit das Narkosemittel nicht in den Kreislauf des Kindes kommt, auch wenn Babys dies durchaus verkraften würden. Mit der Geburt des Kindes ist die Arbeit der Ärzte aber längst nicht beendet. „Wichtig ist es, den Müttern zu vermitteln, dass sie keine schlechten Eltern sind, nur weil sie in Narkose lagen und die direkte Mutter-Kind-Verbindung nicht möglich war“, berichtet Weishap über ein häufiges Spätproblem.

 

Den Notkaiserschnitt übt das Klinikum zwei Mal jährlich, andere komplizierte Geburten werden vier Mal pro Jahr trainiert. Gestern fand die Übung im Rahmen des heutigen Welttags der Patientensicherheit statt, an dem der Öffentlichkeit Maßnahmen zur Patientensicherheit vorgestellt werden sollen. „Eine Geburt bringt immer einen dramatischen Aspekt mit, schließlich geht es um zwei Leben“, sagt Oberarzt Bartz, „aber es gibt für einen Arzt nichts Schöneres, als das erfolgreiche Management einer solchen Krisensituation.“

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