LOKALMIX

Jede Behandlung ein Risiko

lw; 06.04.2020, 12:23 Uhr
Fotos: privat.
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Jede Behandlung ein Risiko

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lw; 06.04.2020, 12:23 Uhr
Oberberg – Zahnarztpraxen bestellen Patienten ab - Schutzmasken fehlen - Wunsch nach klarer Regelung.

Von Lars Weber

 

Gabriele Lohrbeer ist Vorstandsmitglied bei den Freien Zahnärzten Oberbergs. In dem Verein sind rund 80 der etwas mehr als 100 Zahnärzte im Kreis organisiert. Lohrbeer hat seit 2013 ihre eigene Praxis in Bielstein. Mit ihr sprach Oberberg-Aktuell über die schwierige Situation ihrer Zunft während der Corona-Krise.

 

Warum sind Zahnärzte großem Risiko ausgesetzt?

 

Zahnärzte arbeiten einfach sehr dicht an der Mundhöhle des Patienten, erklärt Lohrbeer. Wenn der Patient ausatmet, wenn er hustet, all das bekommen die Zahnärzte „komplett ab“. In diesen Zeiten sei dies besonders problematisch, da sich die Coronaviren am Rachen des Menschen vermehren. „Ich selbst wurde in der vergangenen Woche dreimal angehustet von Patienten.“ Die meisten ihrer Kollegen arbeiten wie sie mit normalem medizinischen Mundschutz, wodurch aber nur der Patient vor den Behandelnden geschützt werde. „Die wenigsten haben eine FFP2- oder FFP3-Maske.“ Nur die FFP3-Maske würde maximalen Schutz bieten, also auch Zahnarzt und Mitarbeiter schützen. Diese im Moment zu bekommen, sei aber schwer, zumal die Qualität oft zweifelhaft sei und die Masken überteuert seien.

 

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„Wir sind dazu verpflichtet, die zahnärztliche Versorgung aufrecht zu erhalten“, so Lohrbeer, gleichzeitig fühlen sich die Kollegen von Politik und Kammer im Stich gelassen. „Wenn es um die Verteilung von Schutzmasken geht, stehen die Zahnärzte am Schluss der Liste.“ Um Ärzte und Mitarbeiter besser zu schützen, hatte die Kassenärztliche Vereinigung vor drei Wochen FFP3-Masken zugeschickt. „Jede Praxis hat zwei bekommen.“ Lohrbeer hat aber vier Mitarbeiter, und in anderen Praxen sehe es auch nicht anders aus. Zumal die Masken nur einmal genutzt werden können.

 

Wie ist die Situation bei den Zahnärzten im Oberbergischen?

 

[Gabriele Lohrbeer ist Vorstandsmitglied bei den Freien Zahnärzten Oberbergs.]

 

Lohrbeers Kollegen gingen mit der Coronakrise ganz unterschiedlich um. Manche würden einfach wie immer weiterarbeiten. Andere seien sehr nervös und machen sich Sorgen um die Zukunft. Denn ausgelastet sind die Praxen nicht mehr. „Viele Patienten rufen von sich aus an und verschieben ihre Termine“, sagt Lohrbeer. Aber auch die Praxen selbst werden aktiv. „Manche Patienten wollen aber trotzdem zur Kontrolle kommen.“ Wie sich die Krise finanziell auswirkt, sei für die Zahnärzte aufgrund der Abrechnungsmodalitäten mit den Krankenkassen nur schwer zu prognostizieren. „Die Mindereinnahmen sehen wir erst in Monaten“, sagt Lohrbeer. Wie sie auch hätten schon viele Zahnärzte Kurzarbeit angemeldet. Manche Praxen hätten auch ganz geschlossen, weil beispielsweise die Verwandten im direkten Umfeld zur Risikogruppe gehörten. „Diese Kollegen bekommen dann eine Vertretung für die Zeit.“ Ein paar ältere Kollegen überlegten laut Lohrbeer, bereits jetzt in Rente zu gehen.

 

Wie läuft die Behandlung bei Verdachtsfällen und Infizierten?

 

Für Infizierte und unter Quarantäne stehende Personen soll die Notfallversorgung über explizit benannte Kliniken laufen. Verdachtsfälle hatte Lohrbeer schon in der Praxis. Diese Patienten müssten Mundschutz tragen, bis es zur Behandlung kommt. „Diese habe ich dann allein vorgenommen, um meine Mitarbeiter nicht zu gefährden.“

 

Können die Zahnärzte von den finanziellen Hilfspaketen profitieren?

 

Lohrbeer glaubt, dass es für die Praxen schwierig werden könnte, Zuschüsse zu bekommen. Die Zahnärzte gingen für die geleistete Arbeit immer in Vorleistung. Sprich: Macht eine Praxis beispielsweise viele Füllungen, entstehen dafür hohe Kosten. Das Geld dafür bekommen die Praxen über die Krankenkassen aber häufig erst Monate später. Auf den Abrechnungen der Praxen könnte so ein Minus entstehen, dass nicht Coronabedingt sei, sodass Zuschüsse verwehrt blieben.

 

Sollten nur noch Notfälle behandelt werden?

 

Die meisten Zahnärzte würden dies bereits so machen, auch wenn sich Lohrbeer eine klare Ansage aus Politik und von der Zahnärztekammer wünschen würde. In anderen Ländern werden nur noch Notfälle behandelt und bereits angefangene Behandlungen vollendet. Dass das Robert-Koch-Institut dazu rät, auch im beruflichen Bereich die sozialen Kontakte zu reduzieren, gehe in diese Richtung.

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