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Auf Schicht mit...Kinderärztin Dr. Galanou

fj; 2. Oct 2018, 11:10 Uhr
Bilder: Fenja Jansen --- Dr. Zoi Galanou trägt Verantwortung für mehrere Bereiche. Sie gewährte Oberberg-Aktuell einen Einblick in den Arbeitsalltag einer Kinderärztin.
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Auf Schicht mit...Kinderärztin Dr. Galanou

fj; 2. Oct 2018, 11:10 Uhr
Gummersbach - OA blickt hinter die Kulissen der Kinderstation des Gummersbacher Krankenhauses - Dr. Zoi Galanou treibt der Wunsch, Kindern zu helfen, immer weiter an - Gleichzeitig denkt sie an einen Selbstverteidigungskurs.
Von Fenja Jansen

Wenn Dr. Zoi Galanou an Wochenenden ihre Schicht im Kreiskrankenhaus Gummersbach beginnt, weiß sie zwei Dinge: Sie wird die nächsten 24 Stunden an der Arbeit verbringen und kann kaum abschätzen, was in dieser Zeit auf sie zukommt. Muss die zierliche 31-Jährige mit den langen dunklen Haaren einen Notfallkaiserschnitt durchführen oder zwischen Mobiles und bunt bemalten Wänden völlig verängstigte Eltern beruhigen? Oder ist heute einmal Zeit, um das Abendessen ohne Unterbrechungen zu genießen und vielleicht sogar, um liegengebliebenen Papierkram zu erledigen? Nur wenig ist Routine in ihrem Job als Assistenzärztin für Kindermedizin am Kreiskrankenhaus Gummersbach.


[Die Kinderstation hat ihr eigenes Aufnahmezimmer. Erst nach 21 Uhr kommen die kleinen Patienten auch in der Notaufnahme an und werden dort von Dr. Zoi Galanou und ihren Kollegen erstuntersucht.]

Die Schichten der 31-Jährigen beginnen unter der Woche um 14 Uhr und enden am nächsten Tag um 8:30 Uhr. Am Wochenende arbeitet die junge Ärztin mit griechischen Wurzeln von 9 Uhr am Samstag bis 8:30 Uhr am Sonntag, danach hat sie frei. Am Beginn jeder Schicht stehen die Visite und die Übergabe: Sie besucht ihre jungen Patienten, spricht mit den Eltern und lässt sich von den Kollegen über anstehende Untersuchungen und neu aufgenommene Patienten informieren. So viel ist Routine. Dann, nach wenigen Stunden, ist sie die einzige Ärztin im Dienst auf der Kinderstation. Chefarzt Dr. Roland Adelmann oder einer der beiden Oberärzte schiebt zwar immer Hintergrunddienst, ist also im Notfall telefonisch erreichbar und kann auch ins Krankenhaus gerufen werden, doch vor Ort ist sie erst mal die einzige Kinderärztin und immer dort zu finden, wo sie von ihren Kollegen zu einem kleinen Patienten gerufen wird: auf der Kinderstation, der Kinder-Intensivstation, in der Notfallambulanz, im Kreißsaal – bei Kaiserschnitten auch im Operationssaal - oder in der Gynäkologie, wenn das Kind nach der Geburt im Zimmer der Mutter liegt.

Hier, auf der siebten Etage des Krankenhauses, ist sie, als ihr Telefon klingelt. Auf der Kinderstation hat ein Kind Krämpfe bekommen. Dr. Galanou spurtet los. Den Aufzug lässt sie links liegen, im Treppenhaus nimmt sie mehrere Stufen auf einmal. Trotzdem dauert es ein paar Minuten, bis sie bei ihrem kleinen Patienten ist. „Als einziger Arzt für so viele Bereiche ist man sich seiner großen Verantwortung natürlich bewusst. Gerade als junge Ärztin ist man am Anfang auch angespannt. Aber es ist eine positive Anspannung – schließlich weiß ich, dass ich hier bin, um den Menschen zu helfen“, sagt sie, nachdem es dem Kind wieder gut geht. Die Frage, ob ihr diese Verantwortung nicht auch mal zu viel wird, verneint sie: „Ich weiß ja, dass die Ober- oder Chefärzte da sind, wenn ich sie brauche. Kritisch wird es zum Beispiel dann, wenn ein Kind einen Fremdkörper verschluckt hat und zu klein ist, um zu beschreiben, was passiert ist. Dann holt man sich Rat bei den Ober- oder Chefärzten“.


[In den Stationsstützpunkten tauschen sich Ärzte und Pfleger aus.]

Überhaupt ist das oft so eine Sache mit der Anamnese, also der Befragung der Patienten durch das Fachpersonal. Dr. Galanous jüngste Patienten wurden in der 32. Schwangerschaftswoche als Frühchen geboren, die ältesten sind 18 Jahre alt. Oft sind die Kinder also schlicht zu jung, um Fragen wie „Was ist passiert?“ oder „Wo tut es weh?“ zu beantworten. „Wenn ein Kind alt genug ist, um zu verstehen, was mit ihm passiert und warum die Untersuchung auch mal weh tut, ist das schon einfacher“, erklärt Dr. Galanou und verrät, dass sie und ihre Kollegen auch schon mal in die Trickkiste greifen: „Nach einer Blutabnahme kann man mit einem Gummiebärchen wieder ein Lächeln auf das Gesicht des Kindes zaubern. Bei Babys und Kleinkindern muss man manchmal einfach fest zupacken, um weiterzukommen. Wenn das Kind dann weint, tut das nicht nur mir im Herzen weh, sondern vor allem den Eltern“, erklärt die junge Ärztin.



Ihr gibt dann der Gedanke Trost, dass sie mit den besten Absichten handelt. Und das erklärt sie dann auch den Eltern. Ruhig und mit Geduld. „Ich kann absolut verstehen, dass Mama und Papa extrem aufgeregt sind, wenn es um ihre Kinder geht. Gerade wenn die noch so klein sind, dass sie nicht verstehen, was mit ihnen passiert. Dann versuche ich Kind und Eltern zu beruhigen. Denn sind die verängstigt, spürt das auch ihr Kind“, so Dr. Galanou. Dabei sei es gar nicht so einfach, Vertrauen zu gewinnen. „Hier ist es ja ganz anders als beim Kinderarzt, den die Familie regelmäßig aufsucht. Ich habe zumeist nur bei der Aufnahme in die Klinik, bei der Visite oder in Notfällen mit den Kindern und ihren Eltern zu tun. Da ist es schwierig, Vertrauen aufzubauen“, erklärt Galanou. Damit dies doch gelingt, müsse man geduldig und vor allem empathisch sein, erklärt die junge Frau in ihrer ruhigen Art, der man sofort zutraut, dass sie Wunder bei verängstigten Eltern bewirkt.


[Die Patienten auf der Kinder-Intensivstation sind zumeist noch so klein, dass sie in Wärmebettchen liegen müssen, insbesondere Frühchen und Neugeborene werden per Monitor überwacht.]


Schwierig werden Gespräche mit Eltern, wenn diese kaum Deutsch verstehen. Zwar gibt es für solche Fälle die Möglichkeit, sich telefonisch von Dolmetschern helfen zu lassen, aber nicht immer ist der richtige verfügbar. Dann scheut sich die junge Ärztin auch nicht, Hände und Füße zu Hilfe zu nehmen. „Das kostet zwar Zeit, aber die nehme ich mir dann einfach“, sagt sie. Mehr ärgert sie die Uneinsichtigkeit mancher Eltern: „Der Trend, Krankheiten zu googeln nimmt immer mehr zu. Dann kommen die Eltern und meinen schon zu wissen, was ihr Kind hat. Wenn wir ihnen dann sagen, dass ihr Kind durchaus vom Kinderarzt behandelt werden kann und nicht ins Krankenhaus gehört, wollen das manche nicht akzeptieren.“ Sie selbst sah sich bereits in einer brenzligen Situation, von Kollegen hat sie ähnliches und schlimmeres gehört. „Ich habe schon darüber nachgedacht, einen Selbstverteidigungskurs zu absolvieren. Und wenn mein Bauchgefühl mir dazu rät, hole ich eine Schwester dazu, damit ich nicht alleine bin“, gibt sie zu, auch Angst zu haben.



[Viele Kinder haben sich mit Briefen und Bildern beim Klinikpersonal bedankt. Die kleinen Kunstwerke zieren die Flure der Kinderstation.]

Manche Kritik lässt sie ebenfalls nicht kalt: „Wenn etwas nicht gut läuft, darf man das natürlich sagen. Aber es kann einfach nicht jeder sofort dran kommen. Ich verstehe die Sorge der Eltern um ihre Kinder, aber wenn sie sehen könnten, was hier hinter den Kulissen los ist, hätten sie vielleicht auch mehr Verständnis für uns“, sagt sie, während sie schon wieder durch das Treppenhaus hastet, diesmal auf den Weg in die Intensivstation und entlang von monitorüberwachten Wärmebettchen zu ihren jüngsten Patienten. Insgesamt neun Kinder und Babys liegen derzeit auf der Intensivstation. 16 Kinder sind es auf der Kinderstation. Besonders viel sei das nicht, erklärt sie, doch sie weiß, dass es demnächst wieder voll wird, schließlich steht der Winter und damit die Grippezeit vor der Tür. „Besonders wenn viele Kinder ansteckend sind und isoliert werden müssen, kommen wir an unsere Grenzen. Dann muss auch schon mal das Spiel- oder Ultraschallzimmer als Patientenzimmer herhalten“, erklärt sie. Erleichterung bringt dann meist erst der Frühling.

Dann wünscht sich Dr. Galanaou noch mehr als sonst einen weiteren Arzt pro Schicht. „Wir würden uns ja auch über weniger Wartezeit für die Patienten freuen - und mehr Zeit für uns, die wir den Patienten schenken können.“ Trotzdem gibt es für sie keinen schöneren Beruf: „Ich bin kinderlieb und ich mag es, anderen zu helfen. Beides motiviert mich jeden Tag aufs Neue und ich komme immer gerne zur Arbeit“, sagt sie. Nach einer 24-Stunden-Schicht gibt es trotzdem erst mal nur zwei Sachen für sie: „Viel schlafen und in Ruhe essen“, verrät sie lächelnd. Nach 24 Stunden darf schließlich selbst der hilfsbereiteste Mensch auch einfach mal nur an sich denken.

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