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„Wir bringen das Leben, nicht den Tod“

fj; 10. Feb 2014, 07:05 Uhr
Bilder: Fenja Jansen --- (v. li.) Kerstin von Rappard und Stephanie Reuter vom Malteser Hospizdienst Aggertal.
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„Wir bringen das Leben, nicht den Tod“

fj; 10. Feb 2014, 07:05 Uhr
Oberberg/Engelskirchen – Anlässlich des heutigen Kinderhospiztages stellt OA die Kinder- und Jugendhospizarbeit des Malteser Hospizdienstes Aggertal vor und hat sich mit der Mutter eines lebensverkürzt erkrankten Kindes unterhalten.
Phillip ist sieben Jahre alt. Er kann nicht alleine laufe, essen oder sprechen, manchmal muss er beatmet werden. Er leidet am Dandy-Walker-Syndrom, einer angeborenen Erkrankung des zentralen Nervensystems. Hinzu kommen mehrere Hirnfunktionsstörungen. Phillip ist ein Kind mit einer unheilbaren, lebensverkürzenden Erkrankung. Stets an seiner Seite ist seine Mutter, Susanne Thomas. Der Alltag mit einem schwerkranken Kind gestaltet sich für die alleinerziehende Mutter oft nicht einfach. Ein Besuch im Café, beim Friseur oder ein Stadtbummel sind da verständlicherweise Balsam für die Seele.


„Naturgemäß rückt das kranke Kind in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit“, weiß auch Kerstin von Rappard, Leiterin des Malteser Hospizdienstes Aggertal. „Oftmals bleibt für die Geschwister dann nur wenig Zeit, aber auch Eltern selbst stellen sich und ihre Bedürfnisse in den Hintergrund“. Seit rund einem Jahr ist das bei Susanne Thomas anders. Eine ehrenamtliche Mitarbeiterin des Hospizdienstes Aggertal kommt die kleine Familie einmal in der Woche besuchen. Während sich der Pflegedienst um Phillip kümmert, nimmt sich die Ehrenamtliche Zeit für seine Mutter.


„Diese Besuche geben mir Kraft, Ablenkung und neue Impulse. Sie holen mich für ein paar Stunden aus dem Alltag“, so Thomas. Zusammen gehen die Frauen einkaufen oder einen Kaffee trinken – „alleine macht man das nicht.“ Manchmal bleiben sie auch einfach zu Hause, ordnen Papiere oder unterhalten sich. „Es ist schön, mal über etwas anderes als Diagnosen zu reden – und wenn es nur das Wetter ist“, so Thomas. Aber auch wenn sie zum x-ten Mal über die Krankheit ihres Sohnes sprechen will, weiß sie, dass ihr Gegenüber zuhört. Ein Vertrauensverhältnis zwischen den beiden Frauen hat sich längst entwickelt.


[Kerstin von Rappard: „Naturgemäß rückt das kranke Kind in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit".] 

Die derzeit acht ehrenamtlichen Mitarbeiter des Kinder- und Jugendhospizdienstes Aggetal begleiten Kinder und Jugendliche mit unheilbar lebensverkürzenden Erkrankungen sowie deren Geschwister, aber auch Kinder, deren Eltern unheilbar krank sind. „Unsere Arbeit beginnt mit der Diagnose: Lebensverkürzende Krankheit“, erklärt Stephanie Reuter, Koordinatorin des Kinder- und Jugendhospizdienstes. „Unsere Aufgabe ist es, die Zeit zwischen Diagnose und Tod mit Leben zu füllen. Wir verstehen unsere Arbeit so, dass wir nicht den Tod in die Familien bringen, sondern das Leben.“ Wie das aussieht, bestimmen die Familien selbst: In einem ersten Gespräch teilen die Eltern Reuter mit, ob sie sich eine Begleitperson für sich, das kranke Kind oder dessen Geschwister wünschen, wenn für diese aufgrund der Pflege des betroffenen Kindes nicht mehr viel Zeit übrig bleibt. Je nach Bedarf, vermittelt Reuter den Kontakt zu einem geeigneten ehrenamtlichen Mitarbeiter.

„Worauf hast du heute Lust“ - Diese Frage an das zu betreuende Familienmitglied steht am Beginn des Besuches der Ehrenamtler. Eltern oder Geschwister haben dann die Gelegenheit, einmal ihre Wünsche zu äußern. Begleiten die Ehrenamtler das kranke Kind selbst, wird auch mit ihm etwas unternommen, soweit dies gewünscht und möglich ist. Besuche können aber auch in Gesprächen über den Tod und Berührungen bestehen. Stirbt das Kind, endet die Arbeit der Ehrenamtlichen. Auch Trauerbegleitung wird vom Malteser Hospizdienst Aggertal angeboten, dies übernehmen dann jedoch eigens geschulte Mitarbeiter.


[Stephanie Reuter: "Wir verstehen unsere Arbeit so, dass wir nicht den Tod in die Familien bringen, sondern das Leben."] 

Ein unheilbar krankes Kind oder seine Familie zu begleiten, ist eine anspruchsvolle Aufgabe, für die die Ehrenamtler eigens ausgebildet werden. In wöchentlichen Treffen haben sie die Gelegenheit, sich auszutauschen und über ihre Gefühle zu sprechen. Acht ehrenamtliche Mitarbeiter sind derzeit im Einsatz, um Kinder und Jugendliche sowie deren Familien zu begleiten. In der Erwachsenenhospizarbeit sind es 32. Da der Malteser Hospizdienst Aggertal mit der Kinder- und Jugendhospizarbeit erst im März 2013 begann, hoffen von Rappard und Reuter, dass sich mit der Zeit noch mehr geeignete Ehrenamtler finden. Es ist der einzige Kinder- und Jugendhospizdienst im Oberbergischen. „Damit haben die Malteser ein schwarzes Loch hier in der Region gefüllt“, ist Susanne Thomas überzeugt. „Ohne solche Hilfsangebote, würde ich das alles nicht schaffen“, sagt die junge Mutter voller Dankbarkeit.

Der Malteser Hospizdienst finanziert sich hauptsächlich durch Spenden, für die betroffenen Familien sind die Angebote kostenlos. Seine Arbeit kann man durch eine Mitgliedschaft im Freundeskreis oder eine einmalige Spende unterstützen: PAX Bank, BLZ: 370 601 93, Kontonr.: 10 13 16 017. Wer an einer ehrenamtlichen Mitarbeit interessiert ist, kann sich bei Stephanie Reuter unter Tel.: 0160/90 14 11 24 oder Kerstin von Rappard unter Tel.: 0175/26 73 32 0 melden. Derzeit ist der Hospizdienst in Engelskirchen-Ründeroth, Alter Markt 17-19, zu finden. Hier finden die Schulungen der Ehrenamtlichen und die Trauerarbeit mit Hinterbliebenen statt. Im April zieht der Hospizdienst nach Engelskirchen, Märkische Straße 30. In den neuen Räumen wird es dann auch möglich sein, Angebote für die betroffenen Familien durchzuführen. Weitere Informationen unter www. hospizdienst-aggertal.de.
  
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