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„NRW ist ein Eldorado für Kriminelle“

bv; 3. Apr 2017, 11:31 Uhr
Bild: Bernd Vorländer --- Peter Biesenbach ist oberbergischer CDU-Landtagsabgeordneter und stellvertretender Fraktionsvorsitzender seiner Partei.
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„NRW ist ein Eldorado für Kriminelle“

bv; 3. Apr 2017, 11:31 Uhr
Oberberg – Peter Biesenbach (CDU), Vorsitzender des Landtags-Untersuchungsausschuss, im Interview zu den Kölner Silvester-Vorkommnissen und über innere Sicherheit, Bildung, Wirtschaft und die Wahlchancen seiner Partei.
Von Bernd Vorländer

OA: Nachdem der Untersuchungsausschuss zur Aufklärung der Silvestervorkommnisse 2015 in Köln abgeschlossen ist – atmen Sie auf?
Biesenbach: Das kann man wohl sagen. Ich habe schon an fünf ähnlichen Ausschüssen teilgenommen, aber keiner war mit diesem vergleichbar. Von März bis September 2016 hat der Ausschuss 60 mal getagt, es wurden 178 Zeugen vernommen, teilweise über mehrere Stunden. Über 1.000 Ordner wurden gesichtet. Das war enorm viel Arbeit, denn das Alltagsgeschäft lief ja weiter.

OA: Und über ihre Bewertung der Vorkommnisse gab es am Ende Streit?
Biesenbach: Ja, mein Bericht gelangte sehr früh an die Öffentlichkeit, zu früh. Gewundert hat mich das nicht, denn wir hatten währen der gesamten Untersuchungszeit im Ausschuss ein Leck. Mein Abschlussbericht ging an 39 Personen, da war schon vorher klar, dass der nicht geheim bleiben würde. Für mich gab es bei den Silvester-Vorkommnissen schwere Versäumnisse bei der Stadt Köln, bei der Kölner- und der Bundespolizei, aber auch bei Landesämtern und im Innenministerium.


OA: Ist Nordrhein-Westfalen sicher?
Biesenbach: Für mich ist NRW ein Eldorado für Kriminelle. Wir haben in NRW deutlich zu wenig Polizeibeamte. Wir hatten 1995 etwa 40.000 Polizisten, heute sind es 2.200 Stellen weniger – aber einige hunderttausend Straftaten mehr. Die Zeit der Kriminalbeamten für die Bearbeitung von Straftaten ist rapide zurückgegangen. Daneben haben wir ganz neue Formen der Kriminalität, sogenannte No-Go-Bereiche mit libanesischen Großfamilien, Banden- und Rockerkriminalität in immer größerem Ausmaß, Wohnungseinbrüche, die vielfach ungelöst sind. Es müsste viel mehr ermittelt werden, eigentlich wäre es nötig, ähnlich wie die italienische Polizei gegen die Mafia vorzugehen. In NRW geschieht aber viel zu wenig. Wollten wir ein Verhältnis Bürger-Polizei wie in Bayern haben, müssten auf einen Schlag über 17.000 Polizisten eingestellt werden. Ich will, dass sich Menschen in Oberberg und darüber hinaus sicher fühlen können.

OA: In NRW wird bald gewählt. Wenn man die Umfragen sieht: Geht es für die CDU nur noch darum, das Schlimmste zu verhindern?
Biesenbach: Nein, wir wissen, dass sich die Wähler immer später entscheiden. Jetzt beginnt die heiße Phase doch erst. Wir werden versuchen, unsere Themen – etwa die innere Sicherheit – den Menschen nahe zu bringen. Und wenn es uns nachgeht, müssen verschiedene Dinge auf den Prüfstand. Kann es künftig so sein, dass die Arbeit der Bereitschaftspolizei zu einem Drittel für Sportveranstaltungen draufgeht? Das müssen wir ändern. Gewaltauffällige Fußballfans etwa müssen konsequent mit Stadionverboten bestraft werden. Wie wichtig die Präsenz der Polizei in anderen Bereichen ist, zeigt ein kleines Beispiel. In Köln hatte der Polizeipräsident als Folge der Silvesterübergriffe im gesamten Jahr 2016 eine Hundertschaft Polizeibeamte mehr in der Stadt. Und damit ging die Straßenkriminalität rund um den Kölner Dom um 40 Prozent zurück.

OA: Innere Sicherheit ist wichtig, aber damit wird man eine Wahl nicht gewinnen können?
Biesenbach: Wir als CDU setzen einen weiteren Schwerpunkt bei der Bildungspolitik, wollen den Unterrichtsausfall stoppen, bei der Inklusion auf die Bremse treten und den Schulen die Freiheit lassen, ob sie junge Menschen nach acht oder neun Jahren zum Abitur führen. Und die wirtschaftliche Situation des Landes muss endlich besser werden. Dafür brauchen wir eine konsequente Entbürokratisierung.

OA: Zum Schluss noch ein Aufreger. Millionen Menschen stehen jeden Tag im Stau – wie soll das weitergehen?
Biesenbach: Es fängt schon bei Grundsätzlichem an: Die Landesregierung konnte die bereitstehenden Mittel des Bundes nicht abrufen, weil notwendige Pläne für den Straßenbau nicht fertiggestellt wurden. Das kann so nicht weitergehen. Außerdem müssen mit Hochdruck Verkehrslenkungs-Konzepte entwickelt werden und das Thema Schwerlastverkehr drängt auf Lösungen. Wenn die Zahlen stimmen, die ich kenne, dann haben wir in den kommenden zehn Jahren mit 80 Prozent mehr Lkw-Verkehr auf dem Kölner Autobahnring zu rechnen. Das kennzeichnet die Dimension.
  
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