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VfL kommt mit dunkelblauem Auge davon

pn; 27. Dec 2015, 21:20 Uhr
Bilder: Alexander Arnold ---- Trotz einer unterirdischen zweiten Hälfte durfte die VfL-Spieler nach dem Schlusspfiff feiern.
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VfL kommt mit dunkelblauem Auge davon

pn; 27. Dec 2015, 21:20 Uhr
Gummersbach - Das Team von Emir Kurtagic verspielt gegen Stuttgart eine deutliche Pausenführung und muss sich am Ende bei Carsten Lichtlein bedanken - 'RPP - Ambulantes Therapie- und Reha-Zentrum', AggerEnergie und die Sparkasse Gummersbach-Bergneustadt präsentieren die Berichterstattung über den VfL Gummersbach.
Von Peter Notbohm


„Eigentlich hätten wir nach dieser zweiten Hälfte heute verlieren müssen“, war VfL-Trainer Emir Kurtagic im Anschluss an den Zittersieg über Abstiegskandidat Stuttgart-Bittenfeld ein Mann der klaren Worte. Dass seine Spieler sich dennoch mit einem Sieg in die Europameisterschaftspause verabschieden durften, hatten die Oberberger letztlich Torhüter Carsten Lichtlein zu verdanken, der nicht nur drei Siebenmeter in der Schlussphase parierte, sondern auch den letzten Wurf von Dominik Weiß abwehrte. Die Blau-Weißen überwintern damit mit einem ausgeglichenen Punktekonto auf dem zehnten Tabellenplatz.



VfL Gummersbach – TVB 1898 Stuttgart 25:24 (15:7).


[Tobias Schroeter rechtfertige zunächst das Vertrauen und  erzielte zwei schöne Treffer, verpasste es aber auch wenige Sekunden vor dem Ende den Sack zuzumachen.]

Dabei hätte es keineswegs so spannend werden müssen. Denn die schwäbischen Gäste präsentierten sich vor allem im ersten Durchgang wie ein kommender Zweitligist. Ideen- und mutlos rannte sich die Mannschaft von Thomas König immer wieder in der sicheren VfL-Defensive fest. Die Hausherren glänzten zwar in der Offensive auch nicht gerade mit Kabinettstückchen, waren aber zunächst das deutlich aktivere Team. Über 3:0 (7.) hatte Gummersbach das Geschehen bis zum 7:5 nach einer Viertelstunde sicher im Griff.


Dabei konnten sich die Kreisstädter stets auf ihre gute Deckung verlassen. Carsten Lichtlein musste viele Bälle gar nicht erst parieren, da sie das Gehäuse ohnehin verfehlten. So hatte der Nationalkeeper zur Pause auch gerade einmal vier Paraden zu Buche stehen und das obwohl die Gäste nun Fehler um Fehler produzierten. Nach dem 7:5 durch Stuttgarts aktivsten Akteur Dominik Weiß, nahmen sich die Gäste einen zehnminütigen Blackout, den der VfL eiskalt zu einer deutlichen 13:5-Führung (25.) zu nutzen wusste. Nachdem auch noch der Ex-Gummersbacher Michael Spatz bereits seinen zweiten Siebenmeter liegen ließ, fragten sich viele VfL-Anhänger wie man im Hinspiel gegen diesen erschreckend schwachen Gegner einen Punkt liegen lassen konnte – die Antwort sollte man nach dem Seitenwechsel allerdings noch serviert bekommen.

Dabei ging der zweite Durchgang eigentlich so los, wie der erste geendet hatte. Trainer Emir Kurtagic hatte seine Spieler in der Pause noch eindringlich gewarnt, das Spiel jetzt schon abzuhaken und brachte mit Ausnahme von Tobias Schroeter dieselbe Mannschaft zum Wiederanpfiff. Stuttgart agierte zunächst weiter konfus und die Gastgeber hatten die Partie bis zum 17:10 (35.) gut im Griff. Nun schlich sich allerdings allmählich der Schlendrian ein oder wie es Kurtagic nach der Partie beschrieb: „Einige waren mit dem Kopf scheinbar schon im Urlaub.“


Der Coach reagierte und ersetzte Linksaußen Raul Santos, der sich mehrere schwache Aktionen leistete durch Christian Zurfelde. Auch Lichtlein sah weiter kaum einen Ball, so dass nur wenig später Matthias Puhle zwischen die Pfosten beordert wurde. Doch die Wechsel verpufften wirkungslos. Puhle wurde von seinen Vorderleuten im Stich gelassen, während der VfL sich im Angriff immer schwerer tat. Die totgeglaubten Stuttgarter fanden dagegen ihr Kämpferherz wieder und waren über 19:15 (43.) beim 21:19 (50.) plötzlich wieder im Spiel, auch weil Gummersbach seinerseits mehrere Strafwürfe ungenutzt ließ. Kurtagic wechselt erneut und brachte Lichtlein für den glücklosen Puhle. Ein Glücksgriff. Der Nationalkeeper sorgte mit zwei gehaltenen Siebenmetern für Durchschnaufen beim 23:19 (52.).


[Julius Kühn hatte mehrere starke Aktionen, hing wie seine Mitspieler im zweiten Durchgang aber oftmals in Luft.]

Aber seine Vorderleute ließen sich von seinen starken Paraden nicht mitreißen und agierten weiter pomadig. Selbst eine 24:20-Führung (55.) sorgte nicht für Ruhe. „Uns fehlt ein Spieler, der in diesen Momenten auf die Bremse tritt“, konnte Kurtagic der aufkommenden Hektik seines Teams nicht entgegensteuern. Zwar parierte Lichtlein einen weiteren Strafwurf, Stuttgart kam trotzdem zum 25:24-Anschlusstreffer 30 Sekunden vor dem Ende. Doch statt die Uhr runterzuspielen, suchte Gummersbach weiter die Entscheidung, die Tobias Schroeter auch auf der Hand hatte, am starken Dragan Jerkovic allerdings scheiterte.


Die verbleibenden Sekunden waren Dramatik und Hektik pur. Zunächst erhielt Stuttgart einen umstrittenen Einwurf und brachte nach dem Time-Out der Schiedsrichter zudem den siebten Feldspieler. Das Kampfgericht startete allerdings zu früh die Uhr, was die Gäste lautstark monierten und hierfür eine Zeitstrafe gegen Co-Trainer Karsten Schäfer kassierten. Zwar wurde die Uhr zurückgestellt, dennoch kündigte der TVB nach Spielschluss Einspruch aufgrund dieser Situation an. Dieser dürfte allerdings wenig Aussicht auf Erfolg haben, zumal auch die Gäste nun ihrerseits einen Regelverstoß begingen und für die Unterzahlsituation ihren Torhüter, anstatt eines Feldspielers vom Platz nahmen. Zwar konnten sich die sechs Stuttgarter noch einen letzten Wurf erarbeiteten, scheiterten aber bekanntlich am Held des Tages, Carsten Lichtlein.


[Kaum war das Spiel angepfiffen, konnte Magnus Persson nur sehr rüde gestoppt werden.]

Während VfL-Manager Frank Flatten dem Einspruch gelassen entgegensieht, formulierte Kurtagic für das neue Jahr offensive Ziele. Nachdem das Zwischenziel des ausgeglichenen Punktekontos erfüllt wurde, soll zum Saisonende ein einstelliger Tabellenplatz erreicht werden. Dafür darf man sich allerdings nicht zu häufig solch desolate Leistungen wie heute im zweiten Durchgang erlauben und das weiß auch Kurtagic: „Gegen fast jeden anderen Bundesligisten hätten wir dieses Spiel heute wohl verloren. Die Jungs können so ein Spiel leider nicht runterspielen. Wir müssen immer 100 Prozent geben. In dieser Richtung wollen wir nach der Pause aber auch den nächsten Schritt machen.“


Stimmen


Thomas König (Trainer TVB):>Ich habe solch knappe Spiele diese Saison schon öfter erlebt. Nach der desolaten ersten Halbzeit können wir zumindest einen kleinen positiven Eindruck aus Halbzeit zwei mit in die Pause nehmen. In der ersten Halbzeit haben wir Alibi-Handball gespielt und dazu noch viele Fehler gemacht. Nach dem Wechsel haben wir dann gezeigt, dass wir in der Liga mithalten können. Am Ende war es dann noch ein Herzschlagfinale und wir hatten sogar die Chance zum Ausgleich. Dennoch geht der Sieg des VfL in Ordnung.“


Emir Kurtagic (Trainer VfL): Eigentlich müsste man jetzt auf alles draufhauen, aber Weihnachten liegt hinter und der Jahreswechsel vor uns. Wir haben in der ersten Halbzeit sehr, sehr gut verteidigt. Leider hat man nach dem Wechsel auch gesehen, was uns noch fehlt. Wir müssen reifer werden und intelligenter spielen. Dann passiert so etwas gar nicht erst. Dennoch haben wir das Jahr mit 20:20 Punkten abgeschlossen, und das trotz der Verletzungsprobleme. Wir bedanken uns bei den tollen Fans für die großartige Unterstützung im Jahr 2015 und freuen uns auf das neue Jahr.“


Frank Flatten (Geschäftsführer VfL): In den ersten 30 Minuten haben wir eine überragende Abwehrleistung unserer Mannschaft gesehen. Nach dem Wechsel hatte ich den Eindruck, dass einige Spieler schon mit den Gedanken im Urlaub waren. Dennoch haben wir das Spiel gewonnen und unser Ziel, das Jahr mit 20 Pluspunkten abzuschließen, erreicht. Neben der sportlichen Leistung in dieser Saison hat mich die Stimmung in der SCHWALBE Arena einmal mehr begeistern. Vielen, vielen Dank bei den Fans für diese tolle Unterstützung.“

Jürgen Schweikardt (Geschäftsführer TVB): 50 Minuten war es eigentlich keine spannende Partie, aber in der Schlussphase habe ich gemerkt, dass die Spieler an ihre Chance geglaubt haben. Das war beim Stand von 0:0 leider nicht der Fall. Nach der katastrophalen ersten Halbzeit hat die Mannschaft aber immerhin bewiesen, dass sie zu keiner Zeit aufgesteckt und Moral hat. Dennoch war der VfL-Sieg verdient.“
Statistik


VfL Gummersbach: Julius Kühn (6), Raul Santos (6/3), Simon Ernst (3), Gunnar Stein Jonsson (3/2), Magnus Persson, Tobias Schroeter, Andreas Schröder (je 2), Florian von Gruchalla (1).


TVB 1898 Stuttgart: Dominik Weiß (6), Djibril M'Bengue, Kasper Kisum (je 5), Tobias Schimmelbauer (3), Michael Spatz (3/3), Simon Baumgarten, Finn Kretschmer (je 1).


Schiedsrichter: Martin Thöne, Marijo Zupanovic


Zuschauer: 4132 (ausverkauft).


Strafen: 4:12 Minuten (Kühn, Persson – 2x Weiß, Schimmelbauer, M'Bengue, Fotache, Offizieller Schäfer)


Siebenmeter: 5/8 - 3/8 (Santos scheitert 2x an Özmusul, Persson ebenfalls einmal – Michael Spatz scheitert 2x an Lichtlein und trifft einmal nur den Pfosten, Seiz und Kisum scheitern an Lichtlein).


Ergebnisse und Tabelle
  
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