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Klassenerhalt trotz peinlichem Auftritt

pn; 8. Jun 2013, 21:44 Uhr
Bilder: Michael Kleinjung ---- Adrian Pfahl ging der Abschied nach Spielschluss sichtlich nahe.
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Klassenerhalt trotz peinlichem Auftritt

pn; 8. Jun 2013, 21:44 Uhr
Gummersbach - Der VfL Gummersbach blamiert sich am letzten Spieltag gegen Absteiger Neuhausen und muss sich bei Kiel für Schützenhilfe bedanken - Die Berichterstattung über den VfL Gummersbach wird präsentiert von 'RPP - Ambulantes Therapie- und Reha-Zentrum'.
Von Peter Notbohm

Die wichtigste Nachricht vorweg: Der VfL Gummersbach spielt auch in der kommenden Saison in Deutschlands Beletage. Nach dem ‚Wie‘ sollte man allerdings besser nicht fragen. „Am Ende zählt nur die Tabelle“, brachte Manager Frank Flatten einen peinlichen letzten Heimauftritt in der altehrwürdigen Eugen-Haas-Halle auf den Punkt. Denn nur dank der Schützenhilfe des THW Kiel, der sich in Großwallstadt zwar schwer tat, aber letztlich schadlos hielt, durfte nach dem Schlusspfiff tief durchgeatmet werden. In Sachen Sponsorensuche oder Dauerkartenverkauf für die kommende Saison dürfte dieser letzte Eindruck jedoch pures Gift gewesen sein.



VfL Gummersbach – TV 1893 Neuhausen 26:28 (9:15).

[Kentin Mahé verabschiedete sich mit einer mehr als durchwachsenen Leistung vom VfL Gummersbach.]

Es war der negative Höhepunkt einer insgesamt verkorksten Saison, doch schlussendlich ist der traditionsreiche VfL Gummersbach mit einem blauen Auge davon gekommen. Was hatten die Verantwortlichen des Vereins vorher nicht alles versucht, um das Team auf das wichtige Endspiel gegen Neuhausen vorzubereiten. Doch spätestens mit der unwürdig verlaufenen Degradierung von Kapitän Vedran Zrnic unter der Woche dürfte es mit der Konzentration bei der Mannschaft von Emir Kurtagic vorbei gewesen sein. Denn während die bereits abgestiegenen Gäste sich Handball-Deutschland noch einmal von ihrer Schokoladenseite zeigten, war den weitestgehend desolaten Hausherren die nervliche Anspannung im Abstiegskampf von der ersten Sekunde an deutlich anzumerken.

Christoph Schindler und Raul Santos scheiterten mit ihren ersten Versuchen, so dass der TVN zügig zum 0:2 (3.) vorlegte. Gummersbach agierte zunehmend verunsicherter und bekam weder im Angriff, noch in der Defensive Zugriff auf einen spielfreudigen Gegner. Beim 3:7 (11.) zog VfL-Coach Emir Kurtagic erstmals die Reißleine und versuchte sein Team aus der bestehenden Lethargie zu wecken. Es dauerte allerdings bis zum 3:10 (17.), ehe zwei gehaltene Siebenmeter des mittlerweile eingewechselten Borko Ristovski die Blau-Weißen endlich wachrüttelten. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte man sich zwar bereits zahlreiche gute Chancen erarbeitet, war aber reihenweise am grandios agierenden Nationalkeeper Thomas Bauer gescheitert.

[Von den Fans wurde Vedran Zrnic ob seiner Verdienste gefeiert. Er will seinen Vertrag beim VfL wohl erfüllen.]

„Ich muss von Handball-Profis erwarten können, dass man nicht ein Dutzend glasklarer Chancen so liegen lässt“, ereiferte sich Kurtagic dementsprechend auch zu Recht nach dem Schlusspfiff über die fahrlässige Chancenverwertung seiner Spieler. In dieser Phase war es immerhin Adrian Pfahl, der Verantwortung übernahm und sein Team bis zum 8:12 (25.) zumindest im Spiel hielt. Beim 9:15 zur Pause gingen ob der bis dahin teilweise gezeigten Arbeitsverweigerung allerdings bereits die ersten bangen Blicke gen Großwallstadt, wo die Kieler vermeintlich beruhigend ebenfalls mit sechs Toren führten.

Wer auf Besserung nach dem Seitenwechsel hoffte, wurde schnell auf den Boden der Tatsachen geholt. Der bis dahin völlig blasse Kentin Mahé leistete sich sofort nach Wiederanpfiff einen technischen Fehler, den Neuhausen zum 9:16 durch den künftigen Gummersbacher Andreas Schröder ausnutzte. Überhaupt dürfte Schröder einer der wenigen Lichtblicke aus Sicht der leidgeplagten VfL-Fans gewesen sein. Der Halblinke war einer der besten Akteure und warf sich trotz des bestehenden Interessenkonflikts ohne Rücksicht auf Verluste in jeden Zweikampf. An ihm dürfte der VfL kommende Saison viel Spaß haben.

Und auch wenn Mahé nun endlich zu seinem Spiel fand und mehrere Tore am Stück erzielte, der Rückstand blieb bis zum 14:20 (41.) konstant. Nun verloren aber auch die Gäste allmählich ihre Linie. Beim 19:21 (48.) durch Vedran Zrnic, der noch einmal alles gab, schien die wichtige Wende möglich, zumal Großwallstadt mittlerweile den Ausgleich erzielt hatte. Allerdings überdrehte nun erneut Mahé und lud Neuhausen zu zwei Gegenstößen ein. Über 19:23 (49.) und 21:27 (54.) war die hochverdiente Heimniederlage schließlich nur noch eine Frage der Höhe, auch wenn Gummersbach am Ende mit einer offensiven Deckung noch einmal alles versuchte.


[Der Blick auf den Liveticker aus Großwallstadt wurde für Frank Flatten zur Zitterpartie.]

Wie viel Porzellan die Mannschaft mit diesem peinlichen letzten Auftritt zerschlagen hat, zeigte sich nach der Verkündung der Großwallstädter Niederlage und des damit verbundenen Klassenerhalts. Ein gellendes Pfeifkonzert mit anschließenden THW-Anfeuerungsrufen gellte durch die Halle, so dass Frank Flatten in den kommenden Wochen Probleme bekommen dürfte, dringend benötigte Unterstützung zu akquirieren. Sowohl dem Manager, als auch Kurtagic war nach dem Spiel ihre Verärgerung auch deutlich anzumerken. „Das war nicht die Art und Weise, wie ich die Klasse halten wollte. Dieses Spiel hätten wir einfach gewinnen müssen. Wir können uns nur bei Gott und dem THW bedanken, noch in der ersten Liga zu sein. Es war der negative Höhepunkt dieser Saison“, machte der Trainer seinem Ärger Luft.

In dasselbe Horn stieß auch Flatten: „Ich bin richtig sauer. Neuhausen mag individuell schlechter als wir besetzt sein. Sie haben uns aber gezeigt, dass man über mannschaftliche Geschlossenheit vieles wettmachen kann. Das muss unser Ziel für kommendes Jahr sein.“ Eine Trainerfrage stellt sich für ihn nach der enttäuschenden Saison auf keinen Fall: „Für die Zusammenstellung der Mannschaft kann er nichts. Das wurde noch von Dritten gemacht. In der kommenden Saison darf und kann man ihn und mich daran messen!“

[Fassungslosigkeit bei den VfL-Fans, die sich über die gesamte Partie erstligatauglich zeigten.]

Stimmen
Jörg Lützelberger: „Das war nicht der Abschied, den diese Halle verdient hat. Wir können uns über den Klassenerhalt nach diesem Spiel noch gar nicht richtig freuen. Während des Spiels haben wir eigentlich nie auf das Kiel-Spiel geguckt, sondern wollten unser Spiel gewinnen. So sind wir mit mehr als einem blauen Auge davongekommen.“

Andreas Schröder: „Ich habe von Anfang an gesagt, dass ich alles für meinen Verein gebe. Zum Glück hat es am Ende auch für Gummersbach gereicht.  Man hat gesehen, wie schnelllebig Handball sein kann. Es wäre schon bitter gewesen, Gummersbach mitzureißen, aber ich gebe immer alles. So bin ich einfach.“

Emir Kurtagic: Zunächst Glückwunsch an Neuhausen. Aber dieses Spiel hätten wir niemals verlieren dürfen. Wir haben heute etliche freie Chancen liegen lassen und hatten ein großes Problem mit der Effektivität, während Neuhausen sogar die unmöglichen verwandelt hat. Dieser Auftritt ist durch nichts zu entschuldigen und war ein unwürdiger Abgang aus der Saison. Zu der Sache mit Verdran Zrnic kann ich nichts sagen, aber natürlich war es hinderlich in der Vorbereitung. Das Team wurde vor der Saison nicht so zusammengestellt, wie ich das gerne wollte. So war es nun der negative Höhepunkt. Nach dem 'Wie' fragt bald niemand mehr, aber das darf auch nicht unsere Zukunft sein. Wir brauchen ein Konzept für die kommende Saison, sind dabei aber auch auf einem sehr guten Weg. Die Reaktion der Fans nach Schlusspfiff war völlig verdient und wir müssen uns das Vertrauen erst zurückarbeiten.“

Frank Flatten: Am Ende zählt die Tabelle. Neuhausen hat uns aber vorgemacht, was mit eigener Arbeit und viel Charakter machbar ist. Es wäre toll gewesen, sie weiter in der ersten Liga zu haben. Auf dem Papier waren wir vielleicht stärker, aber das zeigt nur, wie wichtig ein intaktes Team ist. Natürlich sind wir heilfroh, dass sich Kiel keine Blöße gegeben hat und wir kommende Saison in der Schwalbe Arena erste Liga spielen dürfen.“

 
VfL Gummersbach

Borko Ristovski (16.-60. Minute, 10 Paraden, darunter zwei Siebenmeter)
Aljosa Rezar (1.-16. Minute, 1 Parade)
Nemanja Mladenovic
Christoph Schindler (2)
Michal Kopco (1)
Dennis Krause
Jörg Lützelberger (1)
Kentin Mahé (6)
Fredrik Larsson
Adrian Pfahl (8)
Jan-Lars Gaubatz (n.e.)
Vedran Zrnic (4)
Raul Santos (4)
Robin Teppich (n.e.)
Andreas Heyme (n.e.)

TV 1893 Neuhausen
Thomas Bauer (1.-60. Minute, 20 Paraden, darunter ein Siebenmeter)
Magnus Becker
Kai Augustin
Nicolai Theilinger (3)
Alexander Becker (2)
Klaus Schuldt
Alexander Trost (3)
Daniel Reusch
Marcel Schiller (6/2)
Alexander Heib
Felix Klingler
Ferndinand Michalik (4)
Nico Büdel (3/1)
Andreas Schröder (7)

Zuschauer
2108 (ausverkauft)

Schiedsrichter
Robert Schulze, Tobias Tönnies (Magdeburg)

Siebenmeter
2/1 (Pfahl scheitert an Bauer) – 5/3 (Schiller scheitert 2x an Ristovski)

Strafen
8:6 Minuten (2x Krause, Kopco, Zrnic – 2x Theillinger, Büdel)
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