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Grüne: "Wer darf was sagen? - Zensur im Rathaus"

om; 11. May 2001, 05:10 Uhr
Oberberg Aktuell
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Grüne: "Wer darf was sagen? - Zensur im Rathaus"

om; 11. May 2001, 05:10 Uhr
(om/11.5.2001-5:05) Nümbrecht - Sauer sind die Grünen auf Bürgermeister Hombach, weil er ihre Rede zum Haushalt im Gemeindeblatt nur gekürzt wiedergegeben hat.
"Als bewährter Eröffnungs-Schultheiß des mittelalterlichen Spektaculums fühlt er sich in traditionsbewusster Verantwortung für die geistige Unbeschwertheit der ihm anvertrauten Schäfchen und weiß deshalb genau, wann er den Rotstift in die Hand zu nehmen hat - wer wollte da von Zensur reden?" kritisieren Kalle Schillings und Dieter Eidam von den Grünen zynisch. Bisher sei es Brauch gewesen, die Stellungnahmen der Ratsfraktionen zum Gemeindehaushalt vollständig abzudrucken, "aber es gibt ja kein verbrieftes Recht auf Großmut", schimpfen die Grünen.



"Schon gar nicht, wenn es sich, wie beim Eröffnungsabsatz der Nümbrechter Grünen-Fraktion um Kritik an der Keuschheit pädagogischer Aktionen handelt." Die hätten sich herausgenommen, am Diavortrag aus Anlass des örtlichen Auschwitz-Gedenktages "herumzudeuteln", daher habe Bürgermeister Bernd Hombach wohl entschieden, die Passage zu streichen. "Schließlich hatte der Bürgermeister gleich in der Ratssitzung deutlich gemacht, dass an diesem Ort derlei Beanstandungen nicht erwünscht seien."



Schillings und Eidam mutmaßen nun, dass Hombach "seine indifferente Haltung bei der Vorabnahme des Vortrags unangenehm war?" So sei die Erklärung zugunsten der Realschule am Kern der Sache vorbei gegangen. "Die Argumentation, dass Bilder von gewalttätigen Apo-Demonstrationen in den 70-ern als gelungener Aktualitätsbezug für die politischen Verbrechen der Nazis dienen könnten, ist bis heute nicht nachvollziehbar", argumentieren sie, zumal die unzähligen Fotos der aktuellen und fast alltäglichen Nazi-Aufmärsche auf deutschen Straßen an Deutlichkeit nicht zu übertreffen seien. "Die jetzt ausgeübte Zensur setzt nach Meinung der Nümbrechter Grünen dem Ganzen die Krone auf."



Gestrichen worden war die folgende Passage der Bündnis 90/Die Grünen-Rede:

"Vorweg eine Anmerkung zum letzten Holocaust-Gedenktag. Nümbrecht hat keine so ruhmreiche antifaschistische Vergangenheit als dass man über diese Entgleisung nachsichtig lächelnd hinweggehen sollte: Die Eröffnung des Dia-Vortrags der Realschule zum Thema 'faschistische Gewalttaten' mit Bildern einer Auseinandersetzung zwischen Demonstranten und Polizei 1971 zeugt von einem abstrusen Geschichtsverständnis; und das hat nichts damit zu tun, dass der Mann unterm Helm jetzt grüner Außenminister ist. Die hier suggerierte Gleichartigkeit völlig unterschiedlich motivierter Aktionen halten wir für eine unvertretbare Entgleisung, mit der die organisierten faschistischen Gräueltaten herabgespielt und ihre Opfer beleidigt werden."

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