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IGM: "Mit nie gekannnter Welle von Insolvenzen und Pleiten konfrontiert"

om; 24. Mar 2004, 06:22 Uhr
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IGM: "Mit nie gekannnter Welle von Insolvenzen und Pleiten konfrontiert"

om; 24. Mar 2004, 06:22 Uhr
(om/12.3.2004-9:50) Von Oliver Mengedoht
Oberberg - "Tarifkampf hui, Mitglieder pfui": Mit einem Mitgliederschwund hat die IG Metall zu kämpfen, aber die Tarifrunde wurde mit einem guten Ergebnis abgeschlossen - Norbert Kemper und Uwe Baasch wurden gestern Nachmittag für vier weitere Jahre zu den Bevollmächtigten der IGM gewählt.
[Bilder: Oliver Mengedoht --- Uwe Baasch lieferte den Geschäftsbericht über die letzten vier Jahre ab.]

Mit über 89 und 82 Prozent Zustimmung wurden gestern der erste und zweite Bevollmächtigte der IG Metall Gummersbach, Norbert Kemper und Uwe Baasch, von den 88 Mitgliedern der Delegiertenversammlung in ihre Ämter wiedergewählt. "Ihr seid ja nie da, wenn wir anrufen", hätten Kemper, Baasch und Werner Kusel als Kritik gehört, als sie nach dem Ruhestand von Rolf Dresbach zu dritt weitergemacht hätten, erinnerte Baasch auf der Versammlung. "Ja, wo waren wir denn bloß Wir wurden mit einer in Oberberg nie gekannnten Wellen von Insolvenzen, Betriebsstilllegungen sowie einem Dauereinsatz-Verhandlungsmarathon, um betriebliche Bündnisse für Arbeit abzuschließen, konfrontiert."

Neun Insolvenzen, vier Betriebsstilllegungen, eine Verlagerung sowie zahlreiche Aktionen für die Bündnisse für Arbeit, Interessensausgleiche und Sozialpläne seien das gewesen, berichtete der zweite Bevollmächtigte Baasch der Delegiertenversammlung. Die aufgewändete Zeit sei dabei nur ein Kriterium, zudem gehe das an die Substanz: "Wenn Du da sitzt und verhandelst und dabei trotzdem weißt, wie viele, manchmal auch wen es treffen wird, der seinen Job verliert, aber Du es dennoch mitmachst, weil Du glaubst, dass die Verbleibenden ihren Arbeitsplatz behalten."

Nichtsdestotrotz hätten die Kritiker auch recht und man habe die Erreichbarkeit durch die Einstellung von Norbert Lux von der IGM-Verwaltungsstelle Remscheid/Solingen halbtags verbessert, betonte Baasch. Ein Jahr sei er noch in Gummersbach, "dann werden wir uns wieder etwas einfallen lassen", versprach er den Mitgliedern.

Tarifkampf hui - Mitglieder pfui



[Große Zustimmung gab es für die beiden Bevollmächtigten der IGM von den 88 Delegierten.]

Mitglieder, ein unerfreuliches Thema für die IG Metall in Oberberg. 15.456 wies die Statistik Anfang 2000 noch auf, Ende 2003 waren es nur noch 13.647. Den 2003 neu gewonnenen Kollegen standen in diesen vier Jahren 3.812 Abmeldungen aus unterschiedlichen Gründen entgegen - "die negative Bilanz von 1.809 Mitgliedern tut ganz schön weh", bekannte Baasch. In dieser Zeit sank allerdings auch die Zahl der insgesamt in der Branche in den Betrieben Beschäftigten um fast 2.000 auf 18.831 Personen. Aber auch in den ersten zwei Monaten des neuen Jahres habe die IGM schon wieder 363 Kollegen verloren - "so viel wie noch nie in zwei Monaten!"

Die Struktur der Mitglieder teilt sich auf in 11.195 Männer und 2.452 Frauen, dabei sind 7.453 Arbeiter, 1.475 Angestellte, 155 Handwerker, 1.106 jugendliche Mitglieder unter 25 und 963 arbeitslose Kollegen, zudem 3.589 Rentner und Vorruheständler.

"Die Tarifrunde haben wir mit einem guten Ergebnis abgeschlossen", kam Baasch zu einem erfreulicheren Thema. Die Ausweitung der Arbeitszeit auf 40 Stunden ohne Bezahlung sei bundesweit von mehr als 500.000 Kollegen "weg-gewarnstreikt" worden, in Oberberg hatten sich 2.172 Arbeiter aus einem Dutzend Betrieben beteiligt. Zudem sei mit 2,2 und 2,7 Prozent sowie fünf Einmalzahlungen eine angemessene Erhöhung der Tarifentgelte erreicht worden - "das kann sich sehen lassen".

"Hat alles nicht genutzt, die Bude ist zu"

Sauer war Baasch über die erste Betriebsschließung des Jahres, Huwil Shoptec in Waldbröl. Die 43 Beschäftigten hätten schon vor vier Jahren die Insolvenz der Kunal Huwil mitgemacht und dne Versprechungen der neuen Geschäftsleitungen vertraut sowie auf zahlreiche Leistungen verzichtet, die ihnen zugestanden hatten. "Es hat alles nichts genutzt, die Bude ist zu." Zwar habe Werner Kusel einen Sozialplan vereinbart, aber 43 Arbeitsplätze seien für immer verschwunden.

Auch an die Insolvenz der Werkzeugfirma Wenzel erinnerte der zweite Bevollmächtigte der IGM. "Tröstlich daran ist, dass ein Großteil dank der Mithilfe von Betriebsräten einen neuen Arbeitsplatz gefunden hat, die meisten bei ISE." Bei Eschmann Stahl habe er nach dem gekündigten Anerkennungstarifvertrag einen Haustarifvertrag aushandeln können, berichtete Baasch weiter. Dabei konnte nicht alles für die Beschäftigten erhalten bleiben, "aber der große Absturz vom Tarifvertrag Stahl zum Tarifvertrag Groß- und Außenhandel wurde abgewendet". Ein Bündnis für Arbeit wurde bei Radium abgeschlossen, wo jetzt 200 Beschäftigte für zumindest vier Jahre die Garantie haben, dass ihre Jobs nicht nach China verlagert werden.

"Ich hoffe nur, dass die Millionen den Ex-Eigentümern kein Glück bringen"



[Versammlungsleiter Werner Kusel feierte gestern mit den Kollegen seinen 40. Geburtstag.]

"Der nächste bittere Akt steht an", kündigte Baasch an. Ab übernächstem Wochenende beginne die Verhandlung über den Interessensausgleich bei Novar, ehemals Ackermann. Vor drei Jahren verkauft, "jetzt verhandeln wir den dritten Sozialplan". Wieder gehe es um bis zu 180 Arbeitsplätze in Gummersbach und Derschlag. Für 240 Millionen € sei Ackermann verkauft worden, aber nur 180 Millionen seien bisher gezahlt worden. "Über 60 Millionen streitet man noch vor Gericht - ich hoffe nur, dass die Millionen den Ex-Eigentümern kein Glück bringen."

Auch bei der Brocke Montagegsellschaft sei seit August an einem Tarifvertrag gearbeitet worden, der nun unterschrieben wurde, berichtete Baasch. Rund 100 Beschäftigte sollen dort eingestellt werden, was bis 2006 einen Mitarbeiterstand von 250 bedeute. Die Fertigungsstätte liege in der ehemaligen Huwil-Halle. Auch bei Ferchau, der Leiharbeitsfirma mit bundesweit 1.900 Angestellten, sei ein Tarifvertrag abgeschlossen worden, "der sich sehen lassen kann".

Bevor es an die Neuwahlen ging, erinnerte Baasch an 593 im Berichtszeitraum gestorbene Mitglieder, stellvertretend erwähnte er Inge Hebig (frühes Betriebsratsmitglied bei IPC in Bomig, Mitglied im DGB-Frauenausschuss und Senioren-Arbeitskreis), Edgar Baldauf (frühes Betriebsratsmitglied bei Otto Kind in Kotthausen, Vorsitzender des Angestellten-Ausschusses, Mitglied im Bezirks-Angestellten- und DGB-Angestellten-Ausschuss), Friedhelm Penz (Betriesbrat von Square D, heute Schneider Electric in Marienheide, Mitglied im Arbeitskreis Arbeitssicherheit), Horst Groß (Betriebsratsmitglied bei IBS Brocke in Waldbröl) sowie Bernhard Reuber, den ehemaligen Bürgermeister von Engelskirchen, aber auch stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden von Schmidt + Clemens in Lindlar-Kaiserau

Hohe Zustimmung für Kemper und Baasch

Norbert Kemper, der erste Bevollmächtigte der IGM in Gummersbach, wurde in Abwesenheit mit 68 Stimmen (89,47 %) wiedergewählt. Krankheitsbedingt ließ er von Werner Kusel seine Rede verlesen. "Die organisierten Angriffe auf die Arbeitnehmer in den letzten Jahren konnten wir mit Geschlossenheit abwehren. Das wird weitergehen, wenn die Konservativ-Liberalen an die Macht kommen." Auch Baasch erinnerte an die gute Arbeit, die geleistet worden sei: "Ich hatte meinen Anteil daran und darum möchte ich von Euch wiedergewählt werden." Auch er wurde mit 62 Stimmen (81,58 %) in seinem Amt als 2. Bevollmächtigter wiedergewählt.

In den Ortsvorstand wurde gewählt:
Wolfgang Berz, Bergische Achsen
Torsten Breitenfeld, Kind & Co.
Eckhard Damerau, IBS Brocke
Heinz Dörr, Dörrenberg
Hans Jürgen Herweg, Schmidt + Clemens
Wolfgang Kakuschki, ISE
Jutta Kups, Radium
Jürgen Linke, ISE
Bodo Lubinski, Elektrisola
Joachim Rätzer, Kind
Altun Sayilgan, Novar
Birgit Schmitz–Klaas, Bergische Achsen
Albert Stuhlmann, Delphi


Als Mitglieder zur Tarifkommission der Metall- und Elektroindustrie NRW wurden einstimmig gewählt:
Wolfgang Berz
Wolfgang Kakuschki
Hans Jürgen Herweg
Norbert Kemper
Heidrun Köster
Carmen Ohler


Als Mitglieder der Bezirkskonferenz NRW wurden einstimmig gewählt:
Norbert Kemper
Michael Dick
Uwe Hainke
Silke Köser
Albert Stuhlmann


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