FUSSBALL

Nahezu 24 Stunden für die Kollegen erreichbar

jlo; 31.03.2020, 09:10 Uhr
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Nahezu 24 Stunden für die Kollegen erreichbar

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jlo; 31.03.2020, 09:10 Uhr
Oberberg - Cem Sayilgan, seit einem Jahr Vorsitzender des Kreisschiedsrichterauschusses, spricht über seine Zunft, die Corona-Krise und die grundsätzliche Situation im Spielbetrieb – Kampagne der Jungschiedsrichter.

Von Jürgen Lorenz

 

OA: Seit dem vergangenen Jahr sind Sie Vorsitzender des Kreis-Schiedsrichterauschusses. Hat sich in dieser Zeit schon etwas grundlegend verändert?

 

Cem Sayilgan: Das können am besten die Schiedsrichter selbst beantworten. Ich kann nur sagen, dass ich sehr nah an den Kameraden dran bin und alles so transparent wie möglich gestalte. Damit die Kollegen und auch die Vereine sehen können, wie wir was entscheiden, wie wir arbeiten. Das ist mir ganz wichtig. Grundsätzlich musste man aber nicht das Rad neu erfinden. Wichtig ist, dass die Kollegen sich auf mich verlassen können. Ich bin nahezu 24 Stunden für sie zu erreichen.

 

OA: Wie sieht die Situation grundsätzlich bei Schiedsrichtern aus. Es herrscht nach wie vor große Personalnot, oder?

 

Sayilgan: Es ist in der Tat so, dass wir nicht alle Spiele besetzen können. Gerade im Jugendbereich und auch in der Kreisliga D. Ich bin daher auch mit der aktuellen Anzahl der Schiedsrichter nicht zufrieden. Wir sind immer auf der Suche. Daher ist mir wichtig, die aktiven Kollegen zu halten. Die Anzahl stagniert ein wenig. Man kann eigentlich nie genug haben. Ich kann aber auch nicht verstehen, wieso sich viele das Amt gar nicht zutrauen. Es stärkt unheimlich das Selbstbewusstsein, man wird entscheidungsfreudiger, man übernimmt Verantwortung. Wir freuen uns daher immer über neue Anwärter. Aber hier sind auch die Vereine in der Pflicht. Das ist ihre Bringschuld. Wenn nichts mehr an Anwärtern nachkommt, können wir auch immer weniger Schiedsrichter ansetzen.

 

[Der Gummersbacher Cem Sayilgan ist seit 2019 Vorsitzender des Kreisschiedsrichterausschusses.]

 

OA: Wie gehen Sie mit der aktuellen Situation um? In Zeiten von Corona gibt es keine Spiele, keine Fortbildungen, keine Treffen?

 

Sayilgan: Ja, leider finden keine Spiele statt, aber auch keine Sitzungen, Fortbildungen, Jungschiedsrichtertreffen und keine Ausschusssitzungen und so weiter. Nächste Woche halten wir aber zum Beispiel unsere Sitzung des Kreisschiedsrichterausschusses (KSA) per Telefonkonferenz ab. Alle werden über E-Mail oder Telefon informiert. Wir im Kreis unterhalten uns schon über das Thema, wie es weitergeht, aber wir müssen jetzt einfach abwarten und geduldig sein. Wir sind ganz klar an die Politik gebunden. Grundsätzlich steht mein Telefon in den vergangenen Tagen kaum noch still.

 

OA: Sogar ein Schiedsrichteranwärterlehrgang musste ausfallen?

 

Sayilgan: Ja, den haben wir zur Sicherheit erst einmal abgesagt. Da geht natürlich die Gesundheit aller Beteiligten vor. Es hätte keinen Sinn gemacht, so etwas über zwei Wochenenden durchzuführen. Sobald Klarheit herrscht, werden wir die derzeit 13 Interessenten kontaktieren und den Lehrgang durchführen. Vielleicht können wir ja sogar jetzt noch den ein oder anderen animieren, dass wir sogar auf 15 oder 20 Anwärter kommen.

 

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OA: Glauben Sie, dass sie während der Zwangspause weitere Frauen und Männer an der Pfeife verlieren könnten?

 

Sayilgan: Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir in der jetzigen Phase, wo wir mit dem Virus zu tun haben, keine Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter verlieren werden. Uns allen ist dieses Hobby sehr wichtig und wir lassen uns auch nicht durch das Virus davon abbringen. Bisher ist auch noch niemand an mich herangetreten, der gesagt hat, künftig nicht mehr pfeifen zu wollen.

 

OA: Müssen sich die Unparteiischen in dieser Zeit auch besonders fit halten?

 

Sayilgan: Es ist jedem Schiedsrichter selbst überlassen, wie fit er in die Spiele geht. Das ist auch ganz verschieden. Der eine pfeift in der Kreisliga und sieht die Sache etwas lockerer. Andere sind da ambitionierter und wollen sich etwas fitter halten. In der Regional- oder Bundesliga müssen sich die Kameraden täglich fit halten. Grundsätzlich muss sich aber jeder selbst die Frage stellen. Grundsätzlich rate ich allerdings jedem Schiedsrichter, sich fit zu halten, auch um die Verletzungsgefahr zu minimieren. Eine gewisse Basis sollte auf jeden Fall geschaffen werden. Aber da mache ich mir auch bei unseren ambitionierten Schiedsrichtern keine Gedanken. Ebenso wie bei den Spielern, gibt es natürlich welche, die etwas mehr tun und andere, die die freie Zeit genießen.

 

OA: Kommunizieren die Unparteiischen in dieser Zeit miteinander, wenn ja, wie?

 

Sayilgan: Gerade unsere Jungschiedsrichter sind in dieser Zeit sehr im Internet aktiv und machen wöchentliche Videokonferenzen und halten dadurch den Kontakt aufrecht. Zudem haben die Jungschiedsrichter jetzt auch eine Kampagne gegen den Virus ins Leben gerufen: 'Zeig‘ dem Virus die Rote Karte – und bleib‘ Zuhause'.

 

OA: Wie sind Sie für die "Zeit danach" aufgestellt. Gibt es schon mögliche Szenarien bezüglich der Nachholspiele?

 

Sayilgan: Der KSA wird so handeln, wie es erforderlich ist. Wenn der Spielausschuss Spiele ansetzt, werden wir Schiedsrichter dahin entsenden. Ich stehe da aber natürlich auch in der Verantwortung, dass die Schiedsrichter nicht zu sehr belastet sind. Sollte es natürlich dazu kommen, das vermehrt Nachholspiele angesetzt werden, müssen wir sehen, wie wir vorgehen. Es sind für manche Kollegen dann natürlich auch drei, vier oder fünf Spiele in der Woche, die es zu leiten gibt. Durch die ganzen verschiedenen Ligen - Kreisliga A, B, C plus die Jugendspiele - wäre die Belastung natürlich enorm. Aber erst einmal sollten wir Ruhe bewahren und abwarten was passiert. Das Wichtigste ist immer noch die Gesundheit – auch nach der Coronazeit.

 

[Die Jungschiedsrichter aus dem Kreis haben eine Kampagne gestartet.]

 

OA: Es gibt Kollegen, die durch das Pfeifen auch einen kleinen Nebenverdienst haben. Welche Ausfälle haben die Kollegen zu beklagen?

 

Sayilgan: Die Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter bekommen pro Herren- und Damenspiel 19 € plus die Fahrtkosten erstattet. Das sind 0,30 € pro Kilometer. Je nachdem, wie viele Spiele im Monat sie pfeifen, haben sie eine kleine Aufwandsentschädigung, die im Moment wegfällt. Manche pfeifen mehr, manche weniger. Letzte Saison hatten wir Kollegen, die haben über 100 Spiele gepfiffen. Die haben natürlich einen höheren 'Nebenverdienst'. Letztlich ist aber doch nur eine kleine Aufstockung des Taschengeldes.

 

OA: Wird hier eine Art Ausfallsentschädigung gezahlt?

 

Sayilgan: Nein, die gibt es nicht. Die Schiedsrichter stehen in keinem Arbeitsverhältnis zum Kreis, Verband oder DFB. Wir machen es als Hobby. Es handelt sich um ein reines Ehrenamt. Wir machen es aus purem Spaß. Es gibt jetzt keine Aufwandsentschädigung, aber eben auch keine Ausfallentschädigung.

 

OA: Ist es überhaupt realistisch, dass die Saison noch beendet wird?

 

Sayilgan: Ich weiß ganz klar, dass das hauptsächlich von der Politik abhängt und nicht der Verband oder der DFB diese Frage beantworten kann. Ich bin gespannt. Anfang der Woche treffen sich die drei Präsident des WDFV, am Mittwoch wird es wahrscheinlich eine Entscheidung vom DFB geben. Wenn man mich fragt, wäre ich dafür, die Saison zu Ende zu spielen. Ich halte das für machbar, allerdings müssen das andere entscheiden. Wir sind für alle Entscheidungen offen.

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