BLAULICHT

Wahrheitsfindung wird zum kniffligen Puzzlespiel

pn; 04.12.2020, 06:00 Uhr
BLAULICHT

Wahrheitsfindung wird zum kniffligen Puzzlespiel

pn; 04.12.2020, 06:00 Uhr
Gummersbach – 34-Jähriger muss sich wegen Einbruchsdiebstahl am Gummersbacher Amtsgericht verantworten – Prozess wird vertagt, um weitere Zeugen zu laden.

Von Peter Notbohm

 

Ohne Urteil blieb am gestrigen Donnerstag der Prozess gegen Stefan S. (Anm.d.Red.: Alle Namen geändert) am Gummersbacher Amtsgericht. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 34-jährigen Mann aus Gummersbach vor, durch ein Kellerfenster in die Wohnung seines Nachbarn eingebrochen zu sein und dort einen Fernseher, eine Surround-Anlage, eine Konsole sowie eine Motorkettensäge vom Dachboden gestohlen zu haben. So simpel der Anklagevorwurf klingen mag, die Aufklärung gestaltete sich höchst kompliziert. Schon während der Aussage des Angeklagten kamen erhebliche Zweifel an dem Vorwurf auf.

 

Es entwickelte sich ein schwer durchschaubares Puzzle, das an vielen Stellen zunächst überhaupt nicht zusammenpassen wollte und von keinem Drehbuchautor verworrener und komplexer hätte geschrieben werden können. Zwischenzeitlich forderte Richter Ulrich Neef auch eine Zivilprozessakte an, um Licht ins Dunkel zu bringen. Das Schöffengericht kam der Wahrheit hierdurch zwar näher, am Ende musste der Vorsitzende den Prozess aber dennoch vertagen.

 

Der gelernte Bäckermeister bestritt zwar nicht, die Sachen kurzzeitig in Besitz gehabt zu haben, gestohlen habe er diese aber nicht, stattdessen habe er sie bei der Reparatur des Dachs der Doppelgarage gefunden. Beim Versuch den Sachverhalt aufzuklären, musste Rechtsanwalt Udo Klemt weit ausholen: Im März 2017 habe sein Mandant die Wohnung im Erdgeschoss mit seiner Frau Sabine S. bezogen. Zu diesem Zeitpunkt habe die Vermieterin bereits nicht mehr im Obergeschoss gelebt. Sie war mit ihrem Lebensgefährten Michael T., dem Eigentümer der gestohlenen Sachen, nach Südafrika gezogen. Der Nachmieter des Obergeschosses, Armin B., soll die Wohnung und den Dachboden damals vollständig renoviert und ausgeräumt haben. Dabei soll er den gesamten Müll und auch die vier vermeintlich gestohlenen Gegenstände in der Garage untergestellt haben.

 

Im November 2018 habe Armin B. das Haus fluchtartig verlassen – zwischen ihm und der Vermieterin ist noch ein Rechtsstreit über ausstehende Mietzahlungen anhängig – den Müll und die Sachen in der Garage ließ er zurück. Im Oktober 2019 sei dann plötzlich Michael T. aus Südafrika wieder aufgetaucht: Zwar ohne Schlüssel, mittels eines Akkuschraubers habe er sich aber Zugang zu der leerstehenden Wohnung verschafft und sei dort bis Juli 2020 wieder eingezogen. In dieser Zeit habe er sich auch in die kriselnde Ehe von Stefan S. eingemischt und sich an dessen Ehefrau herangemacht.

 

Seine Frau, die Drogen nehme und depressiv sei, habe ihn Ende November 2019 bei der Polizei wegen häuslicher Gewalt angezeigt, berichtete der 34-Jährige. Nachdem er den Beamten allerdings bewiesen habe, dass vielmehr er mit einem Baseballschläger von seiner Frau verprügelt worden sei, habe er nur einen Tag später wieder in das Haus, in dem er heute noch lebt, zurückkehren dürfen. Mittlerweile sei die Scheidung beantragt, Sabine S. lebt mit der gemeinsamen kleinen Tochter inzwischen in Reichshof. Allerspätestens als Richter Neef dem Staatsanwalt mitteilte, dass die Anzeige durch die Noch-Ehefrau, deren Mutter und Michael T. gemeinsam in einer Polizeiwache gestellt wurde, lag der Verdacht im Raum, es könnte sich um ein abgekartetes Spiel handeln.

 

Die Vernehmung von Sabine S. fiel relativ kurz aus: Richter Neef belehrte sie, sich nicht selbst belasten zu müssen, zumal der Sachverhalt derzeit „sehr umstritten“ sei. Sie bekundete dennoch, bei ihrer polizeilichen Aussage zu bleiben. Daraufhin vertagte der Vorsitzende die Verhandlung, um Armin B. und die mittlerweile wieder in Deutschland lebende Vermieterin zu laden. Mit einer Fortsetzung ist erst im Frühjahr 2021 zu rechnen.

 

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