BLAULICHT

Psychose: Innere Stimme befahl 32-Jährigem, sich umzubringen

pn; 28.10.2020, 06:00 Uhr
BLAULICHT

Psychose: Innere Stimme befahl 32-Jährigem, sich umzubringen

pn; 28.10.2020, 06:00 Uhr
Engelskirchen/Köln – Geständnis zum Prozessbeginn am Kölner Landgericht – Mann zündete Windfang eines Mehrfamilienhaus an – Angeklagter hatte Medikamente abgesetzt.

Von Peter Notbohm

 

„Freundlich, nett und höflich.“ So beschrieb eine 81-jährige Frau Georg U. (Anm.d.Red.: Name geändert), der sich seit gestern wegen Brandstiftung vor dem Kölner Landgericht verantworten muss. Er soll am 28. November 2018 den Windfang eines Mehrfamilienhauses in Engelskirchen-Ründeroth angezündet haben. Zudem soll er zwei Polizeibeamte mit einem Messer bedroht und durch Tritte verletzt haben, nachdem diese ihn in einem benachbarten Hühnerstall aufgefunden hatten. Und in der Tat wirkte der gebürtige Engelskirchener, der gut gekleidet neben Strafverteidigerin Susanne Cziongassa Platz nahm, überhaupt nicht wie ein gefährlicher Mensch, vielmehr in sich gekehrt und zurückhaltend.

 

Angeklagter leidet unter Psychose

 

Zu Prozessbeginn legte der heute 32-Jährige ein Geständnis ab: Er räumte die Taten vollumfänglich ein. „Ich bin froh, dass nichts Schlimmeres passiert ist und niemand verletzt wurde“, sagte er. Er sei seit mehreren Jahren psychisch erkrankt und wurde damals medikamentös behandelt, sodass er ein normales Leben habe führen können. Zum Wendepunkt wurde allerdings der Beginn einer Lehre als Bäcker im Oktober 2018. Die Ausbildung – insbesondere die Arbeitszeiten - hätte ihn überfordert: Um nicht zu verschlafen, habe er sich selbst herunter dosiert oder die Tabletten gar nicht erst genommen. Er habe leistungsfähig sein wollen, die Medikamente bremsten ihn jedoch aus.

 

Damit meldete sich allerdings auch seine Psychose zurück. „Ich habe Stimmen gehört, die mich verhöhnten und mir zugerufen haben, dass ich mich nicht traue, mich umzubringen“, berichtete Georg U. Irgendwann habe sich sein „Kopfkino“ durchgesetzt und er habe sich durch das gelegte Feuer mittels einer Rauchgasvergiftung selbst umbringen wollen. „Dabei habe ich überhaupt nicht mehr an die anderen Bewohner gedacht.“

 

Nachbarn hegen keinen Groll

 

Auch seine Nachbarn berichteten von mehreren seltsamen Vorfällen in den Wochen vor dem gelegten Feuer. Der Strom sei mehrmals im Haus ausgeschaltet worden, ebenfalls die Satelliten-Anlage auf dem Dach. Zudem habe der Angeklagte nachts an Fenstern geklopft und Klingelstreiche begangen. Außerdem habe er im Keller Patronenhülsen verteilt und Türme aus Plastikteilen aufgebaut, die beim Öffnen der Tür umkippten – vermutlich alles Auswirkungen seiner Psychose. Auch habe der 32-Jährige kurz vor dem Legen des Feuers alle seine Elektrogeräte nach draußen gebracht, weil er glaubte, abgehört zu werden.

 

Georg U. - inzwischen medikamentös wieder eingestellt - entschuldigte sich bei jedem einzelnen Nachbarn aufrichtig für den Brand. Jeder nahm die Entschuldigung an. „Wir haben uns schon so etwas gedacht“, sagte ein 79-Jähriger. Derzeit ist der Angeklagte in einer Klinik in Essen untergebracht, dort wird geprüft, ob er nach dem Prozess zunächst in eine Wohneinrichtung oder eine Langzeitsuchtklinik übergeben werden kann. Die 24. Große Strafkammer unter dem Vorsitz von Richterin Bettina Schattow wird zunächst aber klären müssen, ob und wie man den 32-Jährigen für seine Taten überhaupt bestrafen kann. Für das Verfahren sind fünf Verhandlungstage bis zum 12. November angesetzt.

 

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