BLAULICHT

Ketchup im Gesicht mit Blut verwechselt

lw; 21.03.2023, 23:00 Uhr
Symbolfoto: OA.
BLAULICHT

Ketchup im Gesicht mit Blut verwechselt

lw; 21.03.2023, 23:00 Uhr
Waldbröl – 34-Jähriger musste sich am Amtsgericht wegen gefährlicher Körperverletzung verantworten – Der Geschädigte konnte sich an nichts mehr erinnern.

Von Lars Weber

 

„Weiß ich nicht.“ Wenn Richter Dr. Peter Glaubach und die Staatsanwaltschaft für jedes Mal, dass das vermeintliche Schlägerei-Opfer diesen Satz bei der Verhandlung am Waldbröler Amtsgericht bemühte, einen Euro bekommen hätten – sie hätten in der Mittagspause gut gemeinsam in der Marktstadt essen gehen können. Der 37-Jährige wollte sich ansonsten partout an nichts erinnern, was an jenem Abend im Sommer vergangenen Jahres vor einer Pizzeria in Nümbrecht passiert sein soll. So wunderte es nicht, dass der Prozesstag für den Angeklagten Kilian L. (Anm.d.Red.: Alle Namen geändert) ein zufriedenstellendes Ende nahm. Das Verfahren gegen den 34-Jährigen wegen gefährlicher Körperverletzung wurde bei einer Geldauflage vorläufig eingestellt.

 

Die Staatsanwaltschaft hatte Kilian L. zur Last gelegt, am 9. August 2022 gemeinsam mit einem anderen Mann den Geschädigten Zlatko I. vor einer Pizzeria verprügelt zu haben. Der andere Mann, der gesondert verfolgt werde, habe als erstes mit der Faust zugeschlagen, bevor auch Kilian L. mitgemacht haben soll. Eine Eisenstange, die der beteiligte Mann einsetzen wollte, verfehlte ihr Ziel. Anschließend habe sich Zlatko I. retten können. Unter anderem eine Beule an der Stirn, ein blaues Auge und Kratzer am Rücken habe er davongetragen.

 

Der Angeklagte zog es vor, nichts zu sagen. Und in gewisser Weise tat es ihm Zlatko I. gleich, obwohl er von Richter Dr. Glaubach mehrmals daran erinnert wurde, dass er sagen müsse, was er wisse. Die Erinnerungslücken blieben aber bestehen. Er konnte sich nur noch daran erinnern, dass er bei der Pizzeria in der Nähe seiner Wohnung Pommes holen wollte. „Es ging alles so schnell, zack zack.“ Was da aber so schnell ging, wo sein blaues Auge herkam und wie die Pommes auf dem Boden und der Ketchup in seinem Gesicht landete – „Ich erinnere mich nicht mehr“. Außerdem wolle er sich auch nicht selbst belasten, was nur für weitere Irritationen bei Richter und Staatsanwaltschaft führte, aber natürlich nicht aufgeklärt werden konnte.

 

Auch die Erinnerungsstützen, die der Richter aus den Protokollen bei der Polizei dem 37-Jährigen gab, halfen nicht. Damals wollte Zlatko I. beispielsweise keinen Strafantrag stellen. Die Täter sollten sich einfach entschuldigen und ihm ein neues T-Shirt kaufen. Tatsächlich wurde ihm später ein neues Oberteil auch geschenkt, gab der Nümbrechter Auskunft. Aber von wem das kam? „Sage ich nicht, weiß ich nicht.“ Überhaupt habe er gar nicht die Polizei einschalten wollen. Seine Frau habe die Polizei nur gerufen, weil sie den Ketchup in seinem Gesicht mit Blut verwechselt habe. Und die Aussage seines Bruders, dass er zweimal ohnmächtig geworden sei nach dem Vorfall, sei auch nicht richtig.

 

Man konnte Dr. Glaubach und der Staatsanwaltschaft aber nicht vorwerfen, dass sie nicht versucht hätten, an Antworten zu kommen. Nach vielen, vielen Nachfragen und dem Ausleuchten der „erheblichen Erinnerungslücken“ des vermeintlich Geschädigten entlockten sie diesem immerhin, dass er den Angeklagten schon seit der Schule kenne und er an jenem August-Abend auch vor Ort gewesen sein soll. „Er war aber zu 80, 90 Prozent nicht dabei.“ Die anderen Männer, die „dabei“ gewesen sein sollen, kenne er aber nicht. An dieser Stelle wurde der Zeuge entlassen – und der Prozess war in der Sackgasse.

 

Verteidiger Udo Klemt erwähnte noch, dass sein Mandant ohnehin in der Zeit, wo die Tat passierte, an einer gebrochenen Hand laboriert habe und er den Zeugen verstehen könne, dass er nichts sagt. „Da waren zehn bis zwölf Personen dabei, das sind alles Kumpels.“ Nach einer Beratung zwischen Klemt, Richter und Staatsanwaltschaft entschied man sich dafür, das Verfahren bei einer Geldauflage vorläufig einzustellen. Kilian L. soll 200 Euro an den gemeinnützigen Verein „Windecker Jugend“ überweisen.

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