BLAULICHT

Herzlichkeit trotz vollkommener Zerstörung

sr; 14.08.2020, 13:20 Uhr
Fotos: @fire --- Bilder der Verwüstung begegneten Florian Reuter mehrfach, doch auch große Dankbarkeit.
BLAULICHT

Herzlichkeit trotz vollkommener Zerstörung

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sr; 14.08.2020, 13:20 Uhr
Wipperfürth - Der 29-jährige Florian Reuter war sechs Tage in Beirut, um zusammen mit anderen Helfern aus der ganzen Welt nach Verschütteten zu suchen.

Von Severin Rothmann

 

Bei der Explosion im Hafen von Beirut kamen am 5. August 165 Menschen ums Leben, rund 6.000 wurden verletzt. Die Nachricht ging in kürzester Zeit um die Welt und zahlreiche Länder sicherten ihre Hilfe zu, so auch Deutschland. Einer der Helfer war der 29-jährige Florian Reuter (Foto) aus Wipperfürth (OA berichtete). Er ist Notfallsanitäter in Gummersbach, Oberbrandmeister und Stadtjugendfeuerwehrwart bei der Feuerwehr in Wipperfürth sowie Mitglied der Hilfsorganisation @fire. „Man kennt Bilder von Kriegsgebieten, aber die Zerstörung durch eine einzige Druckwelle war krass. Häuser waren abgedeckt und komplett zerstört, Fahrzeuge wie zusammengeknüllt, Schiffscontainer wie Milchpackungen zerdrückt“, beschreibt er die Lage vor Ort.  

 

 

Als Mitglied des Urban Search and Rescue-Team (Verschütteten-Rettung) von @fire ging es für ihn, seine zwölf Kollegen und zwei Suchhunde auf Einladung der libanesischen Botschaft bereits am 6. August mit der Lufthansa nach Beirut. Im Laufe seiner acht Jahre bei der ehrenamtlichen Katastrophenschutzorganisation nahm er an mehreren internationalen Übungen und Ausbildungen teil. Dazu gehörten  beispielsweise die Rettung von Verschütteten in den USA oder Tropen- und Expeditionsmedizin auf Malta. „Solche Sachen lernt man im normalen Rettungsdienst nicht“, erklärt der gebürtige Wermelskirchener sein Engagement. Der Kreis stellte ihn für die Hilfeleistung von seinen Diensten frei.

 

Untergebracht wurden die Teams aus Deutschland in einer deutschen Schule, zehn Kilometer außerhalb der Stadt. Reuter war in seinem ersten großen Auslandseinsatz vor allem für die Materiallogistik und die medizinische Versorgung seiner Kollegen sowie die der aufgefunden Opfer zuständig. Mit den beiden Hunden zogen seine Kollegen wie auch Vertreter des Technischen Hilfswerks (THW) und der Hilfsorganisation Isar Germany in ihrem gemeinsamen Suchsektor los und versuchten mögliche Verschüttete aufzuspüren und zu retten. Überlebende fanden sie im Hafen nicht. „Bei dem Druck konnte kein Mensch in einem 200 Meter Radius überleben, ob in Deckung oder nicht. Das schafft die Lunge nicht“, erklärt der Notfallsanitäter. „Aber es ist auch wichtig, niemanden zu finden. Das ist kein Scheitern, sondern eine wichtige Information, die die Organisation verbessert“, betont er.

 

[Ein zerstörter Rettungswagen im Hafen. Für den Notfallsanitäter ein besonders bedrückendes Bild.]

 

Nachdem sie den Hafen kontrolliert hatten, ging es für Reuter und sein Team weiter in die Stadt. „Auch hier war vieles zerstört. Alle Fenster im Umkreis von zwei Kilometern waren kaputt, viele Wohnungen verwüstet." Aufgabe der Spezialisten war es, gemeinsam mit einem Ingenieur der Stadt die Gebäude zu begehen und zu prüfen, wie groß die Schäden sind und ob die Häuser noch bewohnbar sind. Auch das war ein wichtiger Beitrag, um Hilfe für insgesamt über 300.000 Menschen, die jetzt obdachlos sind, zu leisten.

 

Am letzten Tag noch ein bewegender Abschluss für die deutschen Helfer. Die Beiruter Feuerwehr hatte sie zu einer Trauerfeier für einen bei den Hilfsarbeiten ums Leben gekommenen Feuerwehrmann eingeladen. „Es war wirklich außergewöhnlich. Die haben zehn Leute verloren, nur zwei davon konnten identifiziert werden, ein Löschfahrzeug ist verschollen und eine Wache in der Nähe des Hafens beschädigt und trotzdem haben sie uns so herzlich aufgenommen. Es war wirklich etwas Besonderes, dass wir dabei sein durften“, erzählt der Feuerwehrmann. Vor der Rückkehr spendeten sie Aufbrechwerkzeuge und Hebekissen an die örtliche Feuerwehr (Foto).

 

 

Insgesamt zeigt sich Reuter, der am vergangenen Wochenende nach Deutschland zurückkehrte, beeindruckt von den Beirutern. „Wir wurden von allen sehr herzlich empfangen, bekamen von den Leuten Wasser geschenkt und wurden sogar auf Deutsch angesprochen“, erinnert er sich. „Es war auf jeden Fall eine Lebenserfahrung“, fasst er zusammen. „Man lernt, viel mit Stress umzugehen durch den Beruf und wird jahrelang in Ausbildungen darauf vorbereitet, aber der Eindruck vor Ort war heftig. Das Eindrucksvollste aber war der Gegensatz von der Zerstörung im Hafen und der Herzlichkeit der Menschen."

 

"@fire Internationaler Katastrophenschutz Deutschland e.V." Die mehr als 200 Mitglieder arbeiten ehrenamtlich und unentgeltlich. Sie stammen von Berufsfeuerwehren, freiwilligen Feuerwehren und Rettungsdiensten, die sich zusätzlich ehrenamtlich in der internationalen Hilfe engagieren. @fire ist Mitglied im Weltfeuerwehrverband (CTIF) und der "International Search and Rescue Advisory Group" der Vereinten Nationen (INSARAG) und arbeitet nach internationalen vorgegeben Standards. Die Organisation bezieht keine öffentlichen Fördermittel, Kosten für Einsätze werden durch Spendengelder finanziert.

 

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