BLAULICHT

Hagt: „Einer der größten Einsätze der vergangenen Jahre“

pn; 25.09.2020, 04:00 Uhr
Fotos: Peter Notbohm und Polizei OBK ---- Der Polizei gelang am Montag ein Schlag gegen eine Bande von Autodieben.
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Hagt: „Einer der größten Einsätze der vergangenen Jahre“

pn; 25.09.2020, 04:00 Uhr
Oberberg – Polizei verrät erste Details zum Schlag gegen Auto-Bande – Haupttäter kommt aus Bergneustadt – Fahrzeuge im Wert von mindestens einer halben Million Euro gestohlen und zerlegt.

Von Peter Notbohm

 

Es waren beeindruckende Zahlen, welche die Polizei gestern im Rahmen einer Pressekonferenz präsentierte. Am Montag war der Ermittlungsgruppe „Cargo“ ein Schlag gegen eine organisierte Bande von Autodieben gelungen (OA berichtete). 330 Polizisten untersuchten gleichzeitig mehrere Werkstätten, Hallen und Wohnungen im Oberbergischen Kreis, Windeck, Bielefeld, Essen, Dorsten, Düsseldorf sowie Puderbach und nahmen insgesamt sieben Menschen fest. Allein auf dem Firmengelände in Rheinland-Pfalz fanden die Ermittler 21 Motoren und über 500 Fahrzeugteile. Auch in weiteren Werkstätten wurden Airbags, Motorhauben und Türen gefunden. „Eine unüberschaubare Anzahl “ war die Beschreibung, welche die Polizei in ihrer Präsentation verwendete. „Es war einer der größten Einsätze der vergangenen Jahre, der von der Oberbergischen Polizei koordiniert wurde“, erklärte auch Landrat Jochen Hagt.

 

[In den durchsuchten Werkstätten fanden die Ermittler unzählige Autoteile.]

 

Kopf der Bande, die sich auf teure Fahrzeuge der Marken BMW und Mercedes spezialisiert hatte, ist ein 39-jähriger Deutscher aus Bergneustadt – er ließ sich widerstandslos festnehmen. Der in Osteuropa geborene Mann hatte sich mit drei weiteren osteuropäischen Dieben aus Windeck zusammengetan und mindestens 23 Autos gestohlen, anschließend zerlegt und die Einzelteile weiterverkauft. „Das ist die Zahl der Fahrzeuge, die wir der Bande aktuell beweiserheblich vorwerfen können“, sagte Florian Mohr (Foto), Leiter Direktion Kriminalität, der den Zeitwert allein dieser Wagen auf etwa eine halbe Million Euro schätzte. Die Dunkelziffer dürfte aber weitaus höher sein, die Ermittlungen dauern noch an. Auch zwei Hehler wurden während der Razzia von der Polizei festgenommen, ein weiterer Mann aus Windeck befindet sich nach seiner Vernehmung wieder auf freiem Fuß. Alle weiteren Verdächtigten sind in unterschiedliche Gefängnisse in Nordrhein-Westfalen gebracht worden. Die Polizei rechnet damit, noch weitere Hehler in den weiteren Ermittlungen zu finden.

 

Die Bande war hervorragend organisiert und spezialisiert auf hochwertige Wagen, die mit dem Keyless Go-System ausgerüstet sind. Dabei nutzten die Täter aus, dass viele Menschen ihren Autoschlüssel in der Nähe ihrer Haustür aufbewahren. Mittels eines Funkstreckenverlängerers wurden die Signale abgefangen und an den Wagen übermittelt. Die Alarmanlagen der Fahrzeuge werden hierdurch deaktiviert, die Täter mussten nur noch das Auto per Knopfdruck starten und verschwinden. Ortungssysteme wurden mittels eines sogenannten Jammers gestört, in den Werkstätten später sofort deaktiviert.

 

[Mit Hilfe eines umgebauten Scanners bauten die Täter einen Funkstreckenverlängerer.]

 

„Die Autos wurden innerhalb von 24 Stunden zerlegt und in alle Einzelteile aufgelöst“, beschrieb Mohr das Vorgehen der Bande. Die Rohkarosserie verschwand beim Schrotthändler in der Presse, an den abmontierten Einzelteilen wurden Individualnummern abgefeilt oder gefälscht. „Dadurch gab es kein Fahrzeug mehr, das schnell identifizierbar wäre, sondern tausende Einzelteile“, so Mohr weiter, der Besitzern von Autos mit Keyless Go rät, ihren Schlüssel möglichst weit entfernt von der Haustür oder in abgeschirmten Boxen zu lagern. „Es ist bekannt, dass diese Technik Schwächen hat“, sieht er die Autoindustrie in der Pflicht, daran zu arbeiten.

 

[Als die Polizei zugriff, wurde gerade dieser BMW demontiert.]

 

Die Teile wurden anschließend zu Dumpingpreisen vor allem über Ebay Kleinanzeigen verkauft oder an Hehler weitergegeben. Einer der mutmaßlichen Hehler soll einen Clanbezug haben. Der Bande auf die Spur gekommen, war die Polizei, nachdem einem Sachbearbeiter in der Behörde eine merkwürdige Häufung von Diebstählen im Kreisnorden sowie in Gummersbach und Bergneustadt im Februar des vergangenen Jahres aufgefallen war. Im Oktober wurden in Werkstätten in Düren und Mönchengladbach erstmals Erkenntnisse über eine Person aus Bergneustadt gesammelt. Die Serie der Diebstähle verlagerte sich Anfang 2020 in den Kreissüden sowie nach Rheinland-Pfalz, wo im April dieses Jahres ebenfalls eine Ermittlungsgruppe ins Leben gerufen wurde und einen Monat später drei Männer festgenommen wurden.

 

Als sich im Juli die Serie der Diebstähle erneut häufte, wurde die Ermittlungsgruppe Cargo eingerichtet, die Staatsanwaltschaft Bonn übernahm die Ermittlungen. Insgesamt 3.000 Arbeitsstunden steckten in dem koordinierten Zugriff am Montag, die Akten füllen bereits über 5.000 Seiten. „Und wir sind noch mitten in den Ermittlungen“, so Mohr. Eine der Hauptaufgaben von Sven Hock (Foto), Leiter EG "Cargo", und seinen Kollegen wird in den kommenden Wochen und Monaten sein, in den Werkstätten die gut sortierten Fahrzeugzeile möglichen Diebstählen zuzuordnen – ein kompliziertes Puzzle-Spiel, schließlich können viele Teile bei den Autoverwertern auch legal erworben worden sein. „Wie viel noch gefunden wird, können wir noch nicht sagen“, meinte Hock. Die Ermittler schätzen aber, dass sich die Diebstähle im dreistelligen Bereich bewegen.

 

„Es wurde mit sehr viel Motivation und Herzblut ermittelt, weit über das normale Maß hinaus“, lobte Mohr die Ermittlungsgruppe. Die bisherigen Ergebnisse seien ein echter Erfolg, die Arbeiten würden aber noch Monate andauern, um alle Beweise gerichtsverwertbar zu machen. Auch Landrat Hagt betonte die gute Arbeit der Polizei: „Es wurden nicht nur der Kopf der Bande und seine Komplizen aufgedeckt, sondern auch die Absatzwege. Was Cargo geliefert hat, war absolut professionelle Polizeiarbeit.“

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