BLAULICHT

Brüder vor Gericht: Bauernopfer oder Plantagenbetreiber?

pn; 07.12.2022, 00:05 Uhr
Foto: Oberbergische Polizei --- Eine der beiden ausgehobenen Cannabis-Plantagen.
BLAULICHT

Brüder vor Gericht: Bauernopfer oder Plantagenbetreiber?

pn; 07.12.2022, 00:05 Uhr
Gummersbach/Köln – Zwei Gummersbacher müssen sich vor dem Landgericht Köln verantworten, weil sie zwei Cannabis-Plantagen betrieben haben sollen - Verteidiger kritisiert Polizeiarbeit als dilettantisch - Älterer Bruder hatte hohe Pokerschulden.

Von Peter Notbohm

 

Handelt es sich bei den beiden Brüder Deen (27) und Ali K. (22) (Anm.d.Red.: Alle Namen geändert) um die beiden Betreiber zweier Cannabis-Plantagen oder doch nur um zwei kleine Rädchen in der oberbergischen Drogenszene? Diese Frage versucht die 15. Große Strafkammer am Kölner Landgericht zu klären, vor der sich die beiden Gummersbacher seit Dienstag verantworten müssen.

 

Weggeworfene Ernte brachte Ermittler auf die Spur

 

Am 15. Mai hatte die Ermittlungsgruppe Kompost in Niedergelpe und Dieringhausen zugeschlagen und die beiden Cannabis-Plantagen in einer Scheune sowie einem mehrstöckigen Wohnhaus ausgehoben, das Deen K. gehört (OA berichtete). Damals wurden fünf Männer festgenommen, Haftbefehle wurde allerdings nur gegen zwei von ihnen erlassen. Die Polizei war den beiden Plantagen durch mehrere Müllsäcke mit einer kaputten Ernte, die in einer Böschung entsorgt worden waren, auf die Spur gekommen. Beide Objekte waren intensiv observiert worden.

 

Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass Deen und Ali K. diese mit weiteren Helfern von Oktober 2021 bis zum 15. Mai betrieben haben. Bei einer ersten Ernte sollen mindestens 53,88 Kilogramm Blütenstände (über 2.000 Pflanzen) mit einem Wirkstoffgehalt von 5,3 Kilogramm THC abgeerntet worden sein. Der Verkauf soll mindestens 3.000 Euro je Kilo erbracht haben. Beim Ausheben der zweiten Saat habe die Polizei insgesamt 52,7 Kilogramm Pflanzen mit einem Wirkstoffgehalt von 5,49 Kilogramm THC abgeerntet.

 

Angeklagte reden ihre Rolle klein

 

So weit zu den nackten Zahlen. Bei der Frage nach dem Motiv und den Rollen, die die beiden Gummersbacher innehatten, gingen die Versionen von Staatsanwaltschaft und den beiden Angeklagten allerdings weit auseinander. Über ihre Verteidiger erklärten die beiden Brüder, dass sie sich zwar um um die Pflege der Pflanzen gekümmert hätten, das wäre aber auch das Einzige, was an den Vorwürfen stimmen würde. Sie hätten diese weder eingepflanzt, noch geerntet oder das nötige Equipment installiert. Für das Abzwacken des Stroms sei extra ein Mann aus den Niederlanden angereist.

 

Der jüngere der beiden Brüder behauptete, ab Februar lediglich Botenfahrten übernommen zu haben. Zudem habe er einen Blick auf die Wasser- und Lichtversorgung gehabt. Wem die Plantage gehört habe, will er aber nicht gewusst haben. Sein Bruder habe ihm lediglich versprochen, dass er nicht leer ausgehen werde. „Er war in dieser Szenerie derjenige, der am bürgerlichsten lebte und zudem die wenigste Ahnung hatte“, so sein Anwalt.

 

Dass der 20-Jährige am 30. März zudem mit über 300 Gramm Marihuana und einem Teleskopschlagstock unter dem Beifahrersitz des Autos eines weiteren Bruders bei einer Routinekontrolle in Niederseßmar erwischt worden war, passte aus Sicht der Staatsanwaltschaft allerdings wenig in diese Geschichte hinein. Auch Richter Dr. Jan F. Orth fragte ungläubig, ob er wirklich glauben solle, dass man ihn langsam angelernt habe und er noch nicht einmal wisse, von wem. „Ich akzeptiere, wenn sie schweigen, aber hören sie auf, so einen Mist zu erzählen“, raunte er Ali K. an.

 

Älterer Bruder berichtet von hohen Pokerschulden

 

Etwas mehr Licht ins Dunkel versuchte sein Bruder Deen K. zu bringen. Er habe regelmäßig an illegalen Pokerspielen in Cafés in Dieringhausen und Niederseßmar teilgenommen. Dabei habe man ihn abgezockt und er hätte Schulden in Höhe von 30.000 Euro angehäuft. Anfang des Jahres sei er dann angesprochen worden, ob er in seinem bis dahin vermieteten Haus in Dieringhausen nicht eine Plantage bewirtschaften wolle, um diese abzutragen. „Mein Mandant hat gehofft, mit zwei bis drei Ernten seine Schulden loszuwerden und seinem Bruder, zusätzlich etwas für seine Hilfe geben zu können“, erklärte sein Anwalt.

 

Dazu sei es aber nie gekommen, weil die Polizei die Plantage frühzeitig ausgehoben habe. Mit der kaputten Ernte aus der Scheune in Niedergelpe habe er aber nichts zu tun gehabt, beteuerte der 27-Jährige. Stattdessen habe er sich dort erst um die neuen Setzlinge kümmern sollen, als die mutmaßlichen Hintermänner sahen, dass die Plantage in Dieringhausen ertragreich war.

 

Angeklagte schweigen zu Mittätern

 

Wer diese Hintermänner waren? Dazu schwieg auch Deen K.: „Meine Familie lebt im Bergischen, ich möchte dort ebenfalls weiterleben. Da werde ich den Teufel tun, hier Namen zu nennen.“ Insgesamt fünf Namen von Männern aus Much, Kierspe und dem Oberbergischen sowie Fotos einer immer noch unbekannte Person tauchen derzeit in der Akte auf. Richter Orth bohrte bei jedem Namen nach, erntete aber nur beharrliches Schweigen der beiden Angeklagten.

 

Anschließend wurde der Leiter der Ermittlungsgruppe Kompost als Zeuge vernommen. Dass er berichtete, dass die Polizei nahezu keine Beweise für Drogenhandel der beiden Angeklagten habe und lediglich ein Buch mit Zahlen bei einem weiteren Verdächtigen gefunden habe, brachte vor allem den Anwalt von Ali K. in Rage.

 

„Seit der Verhaftung meines Mandanten sind acht Monate vergangen. Sie haben die Leute auf Fotos und tun nichts. Klemmen sie sich mal dahinter, wie die Verbindungen sind. Aber sie kennen bis heute ja nicht einmal die Telefonnummern der anderen Mitverdächtigen. Das ist für mich Avanti Dilettanti! Die Polizei hatte hier überhaupt keine Ermittlungsstrategie.“ Ebenfalls ungeklärt ist zudem, warum sich in der gefundenen Schutzkleidung in der Scheune nur weibliche DNA befand, die Polizei aber immer nur Männer an den Plantagen observierte.

 

Für den Prozess sind insgesamt drei Verhandlungstage angesetzt. Das Urteil wird für den 21. Dezember erwartet.

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