Archiv

'Angebissen:' 100 Jahre Frauenrechtsbewegung

us; 8. Mar 2019, 12:15 Uhr
Fotos: Ute Sommer --- Femme Fatale, Vamp oder Petticoat-Frau: Jutta Seifert schlüpfte mühelos in die Rolle vieler verschiedener Frauen-Charaktere.
ARCHIV

'Angebissen:' 100 Jahre Frauenrechtsbewegung

us; 8. Mar 2019, 12:15 Uhr
Gummersbach - Im Rahmen des Internationalen Weltfrauentages präsentierte die Schauspielerin Jutta Seifert mit ihrem Show-Programm 'Angebissen!' Szenen, Texte und Lieder aus der Geschichte der Frauenrechtsbewegung.
Von Ute Sommer

"Angebissen" - schon der Titel der Revue suggeriert dem inneren Auge, dass jemand genascht und den größten Teil der Portion verschmäht hat, jemand eine Kostprobe genommen, aber den "Teller nicht aufgegessen" hat. Zugegebenermaßen ist die künstlerische Darstellung von 100 Jahren Frauenbewegung kein Kinderteller, so dass "Angebissen" sich auf Appetithäppchen wie "die Liebe, das Leben und die Gewürze dazwischen" konzentrierte. Im voll besetzen Gummersbacher Ratssaal wurde das Publikum von Vogelgezwitscher empfangen und eine Stimme aus dem Off informierte über die Schöpfungsgeschichte von Mann und Frau, mit der "das Elend und die Schönheit" begannen.


Mit schauspielerischen Minitaturen, poetischer Wortkunst und charmanter Bühnenpräsenz nahm Jutta Seifert die Besucher mit auf eine bruchstückhafte Zeitreise in die Geschichte der Bewegung, die sich seit mehr als einem Jahrhundert für die Gleichberechtigung von Frauen in Staat und Gesellschaft einsetzt. Im Ambiente eines Pariser Revuetheaters im Stil der 1920er Jahre präsentierte sich die Schauspielerin als zeitgenössische Frau, die sich nicht mehr in Korsetts zwängen ließ, rauchte, Geld verdiente und ins Nachtleben ausschwärmte. Mit putzigem französischen Akzent jedoch spiegelte sie ihr Dasein in der männlichen Sicht wider, was im Songtext "Wär isch ein Flasch zum Trinken, was für ein Flasch wär isch?“ zum Ausdruck kam.

Die Amour Fou zwischen dem "Landrat und Frau Kaludrichkeit" machte nur allzu deutlich, dass die Dame ein Buch war, das er offensichtlich nicht lesen konnte. Mit dem Einspielen eines Goebbels-Stimmfragments folgte der abrupte Wechsel zur Rolle der Frau im Nationalsozialismus. Geradezu satirisch mutete der "Ratgeber für junge Frauen und Mütter" der Frauenzeitschrift Brigitte aus dem Jahr 1954 an, der dazu anhielt bei Anwesenheit des Mannes ein Kaminfeuer zur Entspannung zu entzünden, die gemeinsamen Kinder zur Ruhe zu ermahnen und der weiblichen Pflicht zur Aufmunterung des müden Ehegattens nachzukommen. "Denken sie daran: Seine Themen sind wichtiger als die Ihren und eine gute Ehefrau weiß stets, wo ihr Platz ist."


["Angebissen" wurde auf Initiative der Gleichstellungsbeauftragten Anke Vogt-Katzwinkel (Gummersbach, v.li.) Martina Kalkum (Wiehl), Sabine Steller (OBK) und Petra Klee (Engelskirchen) präsentiert.]
  
Die kurze Romanze zwischen Tante Fritzchen und dem Kranführer fand ihren unwiderlegbaren Beweis mit seinen schmutzigen Fingerabdrücken auf Brusthöhe ihres weißen Angorapullovers. Weiter ging es mit der 1980er-Jahre-Generation „Praktikum“, der verzwackten Tradition des Brautstraußwurfs und den zahlreichen Nahrungsmittelskandalen, zu denen Seifert, diesmal als Servierkraft mit Spitzenhäubchen, "Angebissen-Servietten" im Publikum verteilte. Klar, dass zu guter Letzt auch die Wechseljahre und der gute Ton des Dahinscheidens von Blonden, Brünetten und Rothaarigen durchdiskutiert wurden.

Nach dem ermutigenden "Bleib nicht liegen" des Altmeisters Konstantin Wecker bedankten sich die Zuhörenden mit kräftigem Applaus für einen facettenreichen Abend. "Ich find‘s toll, dass überhaupt was gemacht wird, aber das Thema ist doch durch", bilanzierte Andrea aus Wiehl. "Es war okay und richtig lustig, aber persönlich hätte ich mehr erwartet", unterstrich Monika aus Bergneustadt.  
WERBUNG