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Wenn das 'Gläschen in Ehren' zur Behinderung führt

fj; 15. Nov 2018, 15:20 Uhr
Bild: Fenja Jansen --- Projektauftakt mit (v. li.) Caritasdirektor Peter Rothausen, Elfi Jungbluth (Caritas), Rotary-Präsident Sascha Bonnes, Prof. Dr. Franz Klink, Claudia Wahle-Ruzicka (Caritas), Petra Tutt (Schulsozialarbeiterin), Dr. Gerd Riemenschneider (Rotary Club), Susan Steinmann (esperanza) und (sitzend) Christa Mertens (Schulleitung Jakob-Moreno-Schule).
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Wenn das 'Gläschen in Ehren' zur Behinderung führt

fj; 15. Nov 2018, 15:20 Uhr
Oberberg - Die Fetale Alkoholspektrumsstörung ist die häufigste angeborene Behinderung in Deutschland und dennoch vergleichsweise unbekannt - Caritas startet Aufklärungs- und Präventionsprojekt mit Unterstützung der Rotarier.
Dass Alkohol in der Schwangerschaft dem ungeborenen Kind schadet, ist erst in den 1960er Jahren bekannt geworden. „Und noch immer gibt es in allen Gesellschaftsschichten Frauen, die während der Schwangerschaft gelegentlich oder öfter ein Glas trinken“, weiß Prof. Dr. Franz Klink. Der ehemalige Chefarzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe am Kreiskrankenhaus Gummersbach hat in seiner Karriere über 21 000 Säuglinge auf die Welt geholt und weiß, dass nicht nur Alkoholikerinnen Kinder mit einer Fetalen Alkoholspektrumsstörung (FASD) auf die Welt bringen. „Noch immer hält sich der Irrglaube, dass ein kleines Glas Sekt zu einem besonderen Anlass ja nicht schaden kann.“

Dagegen möchte die Caritas Oberberg nun angehen und klar machen: „Jeder Schluck Alkohol in der Schwangerschaft ist ein Schluck zu viel – egal zu welchem Zeitpunkt.“ Dazu haben die Fachdienste „esperanza“ und Suchthilfe des Caritasverbandes Oberbergischer Kreis gemeinsam das Projekt „Da sein von Anfang an – Kinder mit einer Fetalen Alkoholspektrumsstörung“ gestartet und neben der Caritas-Stiftung sowie dem Ehe- und Familienfond des Diözesan Caritasverbandes Köln einen weiteren starken Partner gefunden: die Rotary Clubs Gummersbach und Gummersbach-Oberberg. „Ohne die Rotarier könnten wir das Projekt nicht so groß aufziehen“, bedankte sich Caritasdirektor Peter Rothausen bei der heutigen Auftaktveranstaltung zum Projekt.

FASD ist laut Fachleuten die häufigste angeborene Behinderung in Deutschland und wird durch Alkoholkonsum in der Schwangerschaft hervorgerufen. Wird ein Embryo, der gerade einen wichtigen Entwicklungsprozess durchmacht, dem Zellgift – „denn nichts anderes ist Alkohol“, so Klink, ausgesetzt, können sich Organe wie das Gehirn, das Herz oder aber auch die Knochen nicht richtig ausbilden. „Neugeborene mit FASD sind oft sehr klein, haben tief sitzende Ohren oder unterentwickelte Kieferknochen. Doch dies alles kann man operieren – der Intelligenzdefekt dagegen bleibt. Dagegen gibt es keine Medizin“, so Klink.



FASD ist eine Behinderung. So würde der durchschnittliche Intelligenzquotient eines Menschen mit einer vollausgebildeten Alkoholspektrumsstörung bei rund 70 liegen, die Lebenserwartung liegt nur bei 35 Jahren. „Und auch wenn das Syndrom nicht voll ausgebildet ist, dann spricht man von FAS statt FASD , zeigen die Betroffenen doch Verhaltensauffälligkeiten.“ Geschätzt, so Klink, kommen in Deutschland pro Jahr 11.000 Kinder mit FAS auf die Welt, die Dunkelziffer liegt aber viel höher. „Häufig wird FAS als wahre Ursache einer Verhaltensauffälligkeit nicht erkannt, Ärzte diagnostizieren beispielsweise ein Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom, oder das Kind wird einfach als schwierig angesehen“, so Klink.

Die breite Öffentlichkeit über das Ausmaß der Gefahr von Alkoholkonsum in der Schwangerschaft aufzuklären, ist eine Säule des Caritas-Projekts. „Wir wollen Alarm schlagen, damit auch wirklich niemand mehr auf die Idee kommt, einer Schwangeren einen Schluck Alkohol anzubieten – und damit Frauen auch schon bei einem Kinderwunsch damit anfangen, ihr Konsumverhalten zu überdenken“, erklärt Elfi Jungbluth von der Schwangerschaftsberatung der Caritas.

Die Förderung von betroffenen Familien sowie die sensible Beratung für suchtkranke Frauen bilden die zweite und dritte Projektsäule. Die Rotarier fördern das Projekt über drei Jahre mit einem hohen fünfstelligen Betrag, durch ihre Unterstützung wird zum Beispiel die Produktion eines Videoclips möglich. „So wird das Projekt eine Strahlkraft über den Oberbergischen Kreis hinaus haben“, ist sich Rothausen sicher. Für die Rotarier ist die Förderung des Projekts eine Herzensangelegenheit: „Rotarier weltweit verfolgen ein gemeinsames Ziel: Denen helfen, die sich nicht selber helfen können. Wie könnten wir das besser, als ein Projekt zu unterstützen, das ungeborene Kinder vor Schaden bewahren will“, so Sascha Bonnes, Präsident des Rotary Clubs Gummersbach Oberberg.
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