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Zwischen Glück und Pech liegen zehntausende Euro

bv; 6. Nov 2018, 14:00 Uhr
Bilder: privat --- Diese Straße in Morsbach-Flockenberg soll erneuert werden, die Anlieger würden mit hohen Beiträgen zur Kasse gebeten.
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Zwischen Glück und Pech liegen zehntausende Euro

bv; 6. Nov 2018, 14:00 Uhr
Morsbach – In Morsbach-Flockenberg gehen wie in vielen anderen Orten von NRW Bürger aufgrund der Anliegergebühren bei Straßensanierungen auf die Barrikaden - In Lindlar sollen alle Straßenbaumaßnahmen ausgesetzt werden.
Von Bernd Vorländer

Wer in Bayern oder Baden-Württemberg, Hamburg oder Berlin lebt, hat grundsätzlich Glück gehabt. In drei weiteren Bundesländern ist zumindest die Chance vorhanden, auf der sicheren Seite zu sein, denn dort entscheiden Kommunen über bestimmte Abgaben. Wer dagegen in Nordrhein-Westfalen zu Hause ist, hat Pech gehabt. Dort wird abkassiert. Die Anliegerbeiträge bei Straßensanierungen geraten jedoch immer stärker ins Kreuzfeuer. Ist das, was derzeit täglich in NRW geschieht, noch zeitgemäß und vertretbar? Fakt ist: Kommunen in NRW haben das Recht, die Anwohner an den Kosten zu beteiligen, so steht es im Kommunalabgabengesetz. Dagegen regt sich jetzt Widerstand. Eine Volksinitiative gegen die Anliegerbeiträge wurde jetzt auch in NRW gestartet. Der Bund der Steuerzahler beginnt Unterschriften zu sammeln.


Was das derzeit geltende Recht, Beiträge bei der Straßensanierung erheben zu können, praktisch bedeutet, ist offenbar gar nicht so klar. Die Spanne reicht von 50 bis 80 Prozent der Gesamtkosten, die auf die Anlieger abgewälzt werden. Laufende Reparaturkosten müssen im Übrigen von der Kommune getragen werden, die erst bei der Komplett-Erneuerung die Bürger zur Kasse bitten darf, was manchen zu der Annahme verleitet, dass nicht selten solange mit Reparaturen gewartet wird, um dann die Sanierung zum Teil über die Anlieger finanzieren zu können.



Die Kosten für die jeweiligen Hausbesitzer an einer Straße gehen schnell in den fünfstelligen Bereich – was sich mancher gar nicht leisten kann. „Die Höhe der Beiträge sind existenzgefährdend“, sagt Rainer Bunse, Sprecher der Bürgerinitiative Herbertshagener Straße in Morsbach-Flockenberg. Hier soll auf 550 Metern die Straße komplett erneuert werden. Die wenigen Einwohner der Ortschaft sollten 327.000 € und damit ein Drittel der Gesamtmaßnahme finanzieren – so sieht es der Haushaltsplanentwurf der Gemeinde vor. Was die Bürger vor allem ärgert, ist die Tatsache, dass in ihrer Ortschaft eine Komplett-Sanierung vorgesehen ist, während im Außenbereich derselben Straße, wo keine Beiträge erhoben werden können, eine Deckensanierung reicht. Dies sei im Zustand der Straße begründet, erklärt Morsbachs Bürgermeister Jörg Bukowski, der von „wilden Spekulationen“ spricht, die derzeit die Runde machten.

Bunse ist jedenfalls wie andere Mitstreiter erzürnt über die seit einem Jahr angestiegenen Kosten, denn man sei noch 2017 von 170.000 € Kosten ausgegangen. Bürgermeister Bukowski ist derzeit auch noch unsicher, wie denn weiter verfahren werden soll. Einerseits gebiete es die kommunale Pflicht, keine maroden und damit dem Sicherheitsgedanken entgegenstehenden Straßen zu akzeptieren, zum anderen hofft auch er auf ein Umdenken der Landesregierung. „Ich kann derzeit noch nicht sagen, wie wir mit diesem Thema weiter umgehen“, will er abwarten, welche Signale aus Düsseldorf kommen.



Während man in Morsbach noch nachdenkt, will man in Lindlar Nägel mit Köpfen machen. Die CDU hat für den kommenden Bauausschuss den Antrag gestellt, aufgrund der unklaren Situation alle Straßenbaumaßnahmen für drei Jahre auszusetzen. Mit einer Resolution an die Landesregierung will man darauf hinwirken, dass die Kommunen selbst künftig eine Entscheidung finden können, auf welchen Personenkreis in einem größeren Gebiet sie künftig die Beiträge für Straensanierungen verteilen können.

Doch NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach gibt sich hartleibig. Für sie verpflichte Eigentum die Kommune als Eigentümerin der Straße wie auch die anliegenden Immobilienbesitzer. Die würden eine Verbesserung des Wertes ihrer Immobilie erfahren, erklärte die CDU-Politikerin vor einigen Tagen. Eine Aussage, die die betroffenen Bürger nur mit dem Kopf schütteln lässt. Zum einen müssen sie für die theoretische Wert-Verbesserung zunächst tief in die Tasche greifen. Zum anderen können alle anderen motorisierten Bürger die sanierte Straße nutzen, ohne einen Cent zu zahlen. Eine solidarische Lastenverteilung sehe anders aus, so Rainer Bunse.  

 



  
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