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Oberbergs bekanntester Polizist sagt Adieu

fj; 16. Oct 2018, 14:25 Uhr
Bilder: Fenja Jansen/Archiv (Text) --- Hauptkommissar Hartmut Dirlenbach mit Handpuppe 'Kalle'.
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Oberbergs bekanntester Polizist sagt Adieu

fj; 16. Oct 2018, 14:25 Uhr
Oberberg - Seit über 33 Jahren ist Hartmut „Hacki“ Dirlenbach Puppenspieler bei der Polizei, Generationen von Kindern fieberten seinen Auftritten entgegen – OA sprach mit dem Beamten über den nahenden Ruhestand.
Nachmittags an der Supermarktkasse: Ein kleiner Junge zieht aufgeregt am Ärmel seiner Mutter. „Guck mal“, fordert er sie atemlos auf, „das ist der Hacki, der war heute bei uns im Kindergarten. Mit dem Polizeibus und Wuschel“. Hacki, das ist Hauptkommissar Hartmut Dirlenbach von der Direktion Verkehr der Kreispolizeibehörde Oberbergischer Kreis, und Wuschel seine wohl bekannteste Handpuppe. Auch die Mutter kennt Hacki und Polizeihund Wuschel - noch aus ihrer eigenen Zeit im Kindergarten. Denn Hacki ist seit 1984 als Verkehrserzieher in Schulen und Kitas unterwegs. Mittlerweile ist er der dienstälteste Polizist der ganzen Kreispolizeibehörde. Kein Wunder also, dass ihn auch viele Eltern noch aus ihren Kindertagen kennen.

Nun blickt der 61-Jährige seinem Ruhestand entgegen, am 31. Oktober absolviert er seinen letzten Auftritt als Verkehrserzieher in einer Kita, am 18. Dezember wird er offiziell vom Landrat verabschiedet. Auf über 44 Jahre im Polizeidienst kann er dann zurückschauen und weiß jetzt schon: „An meinem letzten Tag wird die ein oder andere Träne fließen.“


[Polizeihund Wuschel lieh Dirlenbach über Jahrzehnte seine Stimme, hier bei einem Auftritt 2009 beim Puppenbühnen-Festival im Schlosspark Gimborn.]

Der gebürtige Siegener trat 1974 seine Ausbildung zum Polizisten an. Damals war er 17 Jahre alt und spielte in der 2. Bundesliga Volleyball. Um weiter das Training in Siegen besuchen zu können, ließ er sich nach Abschluss der Ausbildung nach Gummersbach versetzen. „Ich musste erst mal gucken, wo das liegt“, erinnert er sich. Siebeneinhalb Jahre war er dann auf Oberbergs Straßen im Streifendienst unterwegs – und fühlte sich dabei nicht immer wohl. „Wenn ich so einem alten Mütterchen 20 Mark abknüpfen musste, weil sie etwas zu schnell gefahren ist und dann auch noch Tränen flossen, ging mir das immer an die Nieren“, erinnert er sich, dass seine erste Wahl in Sachen „Verkehrserziehung“ schon immer das vorbeugende Gespräch war, nicht die Strafe.

Kein Wunder also, dass er sich 1984 im Alter von 27 Jahren auf eine offene Stelle als Verkehrserzieher – heute Verkehrssicherheitsberater genannt – bewarb. „Ich hatte vorher noch nie von diesem Job gehört. Aber als es so weit war, dachte ich sofort: Das ist das Richtige für dich. Mit Kindern arbeiten, bevor etwas passiert“, erinnert er sich. Im Auswahlverfahren kam ihm seine Erfahrung als Mitglied der Coverband „Bambinis“ zugute und er setzte sich gegen 17 Mitbewerber durch. Da die oberbergische Polizei bereits seit 1979 einen Bus als Puppenbühne für die Verkehrserziehung nutzte, absolvierte Dirlenbach an der Landespolizeischule in Münster entsprechende Lehrgänge. Als er hier eines Abends seine Gitarre auspackte, um für seine Kollegen zu spielen, wurde ein Lehrer auf seine Musikalität aufmerksam und forderte ihn dazu auf, sein Instrument und seine Stimme auch dienstlich zu nutzen.


[Auftritt mit Kollege Erich Klick und den Puppen Martin und Lukas im Jahr 2010.]

Das tat Dirlenbach fortan, und zwar mit Begeisterung. Anfangs sang er bei den Auftritten vor Kindern noch „Zebrastreifen“ und „Alle machen Fehler“ von Rolf Zuckowski. Mittlerweile hat er drei CDs mit eigenen Songs zur Verkehrserziehung produziert und diese über 10.000 Mal verkauft. Mit diesen Liedern beginnen die Besuche der Polizei in den Kitas, dann geht es in den Puppenspielbus, wo „Hacki“ seit 1984 den Polizeihund Wuschel spielt und ihm seine Note gibt. Gemeinsam mit Wuschel und der Polizei gilt es dann für die Kinder, knifflige Fälle zu lösen – und Generationen von Oberbergern machten im Laufe der Jahrzehnte begeistert mit. „Kinder reagieren sehr direkt und authentisch auf das, was man ihnen bietet. Sie verstellen sich nicht. Wenn sie lachen weiß man, dass sie wirklich Spaß haben und man seinen Job gut gemacht hat. Das ist die schönste Anerkennung für mich“, sagt „Hacki“.

Doch nicht nur um glückliche Kinderaugen geht es Dirlenbach und seinen Kollegen, sondern auch um die Vermittlung von Wissen und Erziehung. „Als ich 1984 bei der Verkehrserziehung angefangen habe, gab es pro Jahr circa 200 Unfälle, in die Kinder verwickelt waren. 2017 waren es unter 50“, sagt der Polizist. Puppenspiel, Radfahrtraining, Aktionen zum Schuljahresbeginn – all dies zeige eine positive Wirkung. „Und trotzdem ist jedes verletzte Kind eines zu viel“, so Dirlenbach. Und wenn er dann auf schwere Unfälle mit verletzten oder gar getöteten Kindern zu sprechen kommt, spürt man, dass dieser Satz keine Phrase ist: Sich an die Opfer von Verkehrsunfällen zu erinnern, gerade, wenn diese Kinder sind, tut dem Beamten sichtbar weh. „Das hängt einem nach“, sagt er.


[Verkehrssicherheits-Aktion zu Beginn des Schuljahres 2018/2019 mit Drittklässlern der Grundschule Peisel.]

Auch mit Erwachsenen arbeiten die Beamten, besuchen Seniorengruppen oder Behinderten-Wohngemeinschaften. Und auch hier kommen Puppen zum Einsatz. „Das hat nichts kindisches, sondern spricht die Menschen auf eine Art an, die sich festsetzt“, sagt er und erinnert sich an einen Bikergottesdienst in Waldbröl, auf dem er mit den beiden Handpuppen „Martin“ und „Lukas“ auftrat. Die beiden unterhielten sich über ihre Väter, die ebenfalls Motorrad fahren. Dann erhielt Lukas einen Anruf von seiner Mutter: Sein Vater hatte einen schweren Unfall. „Da saßen knallharte Biker in ihren Lederklamotten – und es war mucksmäuschen still, so betroffen waren alle“, beschreibt Dirlenbach die Wirkung des Puppenspiels.

Menschen berühren, sie zum Nachdenken oder auch Lachen bringen, egal ob mit der Musik oder dem Puppenspiel, und damit etwas bewirken – das ist es, was Dirlenbach über all die Jahre angetrieben hat. Und Hunderte von Oberbergern haben ihm dabei zugeschaut und zugehört. Kein Wunder also, dass sich Oberbergs dienstältester Polizist nicht vorstellen kann, die Hände bald einfach in den Schoss zu legen: „Natürlich werde ich privat weiter Musik machen und zum Beispiel den Singkreis im evangelischen Altenheim an der Grotenbachstraße in Gummersbach ehrenamtlich mit meiner Gitarre besuchen“, hat er schon Pläne für die Rente. Auch viele Kindergärten hätten ihn schon eingeladen. Zwar will „Hacki“ sich auch mehr Zeit für seine Frau, die Familie sowie Haus und Garten nehmen, mit dem verkehrserzieherischen Entertainment soll aber nicht völlig Schluss sein.


[Auftritt mit der Gitarre beim 8. „Puppenbühnenfestival“ der Polizei in Gimborn im Jahr 2015.]

Seine Nachfolge werden die Polizistinnen Kerstin Schinkowski und Daniela Kindel antreten. „Sie waren meine Wunsch- kandidatinnen“, sagt er und ist sich sicher: „Sie werden es anders machen, aber ebenso gut“. Dabei schmiedet er schon ein paar Pläne für eine mögliche Zusammenarbeit: „Ich könnte meine Lieder ja weiter mit den Kindern singen. Und wenn dann die Verkehrserzieher in die Kitas und Schulen kommen, sind die Kleinen schon im Thema“, überlegt er und verrät: „Ich habe auch schon darüber nachgedacht, mir eine Handpuppe zu kaufen.“ Der letzte Vorhang für Hacki, so scheint es, ist also noch lange nicht gefallen.
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