Archiv

Anliegerbeiträge – die große Wut

bv; 9. Oct 2018, 12:55 Uhr
ARCHIV

Anliegerbeiträge – die große Wut

bv; 9. Oct 2018, 12:55 Uhr
Oberberg – Während Bayern und Baden-Württemberg die Belastung der Bürger abgeschafft hat, müssen die Grundstückseigentümer in Oberberg nach wie vor tief in die Tasche greifen (AKTUALISIERT).
Von Bernd Vorländer

Es ist ein ewiges Ärgernis – die Rede ist vom Zustand vieler Straßen, die auch in Oberberg stark sanierungsbedürftig sind. Ruckelpisten mit tiefen Löchern und bröckelndem Teer findet man nahezu in jeder der 13 oberbergischen Kommunen. Wenn dann tatsächlich Straßen in einen annehmbaren Zustand versetzt werden, das Straßennetz erneuert, erweitert oder verbessert wird, atmen die einen erleichtert auf, für die anderen beginnt dann erst das „teure Vergnügen“. Denn gerade bei innerörtlichen Straßen zahlen die Anlieger den größten Teil der Kosten für die Baumaßnahmen. Ergebnis ist, dass etliche Besitzer von Grundstücken und Immobilien in arge finanzielle Nöte geraten, denn die Beträge, die am Ende überwiesen werden müssen, erreichen schnell eine fünfstellige Höhe. Berechnet wird nach Länge, Tiefe und Geschossfähigkeit einer Immobilie. Grundlage dafür sind das Kommunalabgabengesetz NRW und die Satzungen der Kommunen. Und zudem stellt sich auch die Frage der Solidarität. Während die einen für Straßen und Gehwege zahlen, werden letztere von der Allgemeinheit genutzt – doch die übrigen Bürger zahlen nichts.


Von den Befürwortern der Abgabe wird argumentiert, dass mit der Baumaßnahme auch der Wert der Immobilie steige. De facto kann aber auch der gegensätzliche Fall eintreten, denn gut ausgebaute Straßen ziehen auch Verkehr an. Außerdem sind die zu zahlenden Gebühren für die Bürger kaum noch durchschaubar, liegen zwischen 50 und 80 Prozent. Und es gibt eine Reihe falscher Bescheide, die dann im Streitfall vor dem Verwaltungsgericht landen. Jedenfalls sehen die Kritiker der bisherigen Regelung die Anliegerbeiträge als ein Relikt der Vergangenheit an. Der Bund der Steuerzahler läuft etwa Sturm gegen die bisherige Regelung und fordert, Grundstückseigentümer in Nordrhein-Westfalen von Abgaben für den Straßenausbau zu befreien. Es gibt Ratsbeschlüsse außerhalb des Kreises, die die Landesregierung endlich zum Handeln auffordern. Schließlich haben die Bundesländer Baden-Württemberg und Bayern vorgemacht, wie es gehen kann. Dort gehören Anliegerbeiträge der Vergangenheit an.

Auch im Oberbergischen rumort es. Gummersbachs Bürgermeister Frank Helmenstein weist darauf hin, dass man Landesrecht umsetzen und deswegen Beiträge erheben müsse. Der Rathauschef sieht aber auch die „unverhältnismäßig hohen Kosten“, die auf die Bürger zukämen. „Ich erkenne definitiv Handlungsbedarf“, glaubt er, dass das Land handeln müsse, um einen Systemwechsel herbeizuführen. Allerdings sei das nur mit einer finanziellen Kompensation der entgangenen Einnahmen für die Kommunen möglich. Zu demselben Schluss kommt auch Bergneustadts Kämmerer Bernd Knabe. Ohne entsprechende Ausgleichszahlung durch das Land sei der kommunale Straßenbau nicht zu schultern, würden die Gebühren der Bürger wegfallen. Eine Gegenfinanzierung durch das Land ist auch Wiehls Beigeordneter Maik Adomeit unumgänglich. Er hält aber eine grundsätzliche Neuregelung dringend für geboten. "Die Vielzahl von Steuern und Gebühren ist dem Bürger nicht mehr verständlich zu machen", glaubt Adomeit.

Für Wipperfürths Stadtkämmerer Herbert Willms ist die Sohnehin klar: Er befürworte eine Veränderung im Sinne der Bürger "nachdrücklich". Willms kennt Fälle, in denen Menschen in existenzielle Nöte gebracht würden. "Viele haben Beträge von 15.000 € nicht mal eben auf dem Konto. "Aber wir können den Menschen nicht helfen, weil wir an die Gesetze gebunden sind", sagt Willms. Was die Verpflichtung der Bürger im Einzelnen bedeutet, kann der Kämmerer mit Zahlen belegen. In der nächsten Zeit müssen in der Hansestadt 14 Straßen für etwa 6,4 Millionen Euro saniert werden. 4,7 Millionen Euro dieser Gesamtsumme müssen die Bürger tragen. Natürlich bereite man die Zahler mit mehrjährigem Vorlauf auf die zu erwartenden Kosten vor, doch helfe das den meisten nicht. Ein weiterer Umstand kommt hinzu: Im Rathaus wird dauerhaft Personal gebunden, weil die Matreie extrem kompliziert ist und ständig Weiterbildungen notwendig sind.

Die Zeit ist jedenfalls reif für eine Veränderung, das Land könnte sich einen Systemwechsel leisten, denn die Steuerquellen sprudeln wie noch nie in der Vergangenheit.
WERBUNG