Archiv

Den Glauben praktisch leben

bv; 2. Feb 2018, 15:01 Uhr
Bild: Kirchenkreis --- (v. li.) Superintendent Jürgen Knabe, Andreas Spierling, Thomas Ruffler und Georg Huber wollen mit der Kirche nah bei den Menschen sein.
ARCHIV

Den Glauben praktisch leben

bv; 2. Feb 2018, 15:01 Uhr
Oberberg - Der Evangelische Kirchenkreis an der Agger weiß um den Spagat zwischen Verkündigung einerseits und gesellschaftlicher Positionierung aufgrund von Glaubensgrundsätzen andererseits.
Von Bernd Vorländer


Das Luther-Jahr ist schon wieder Geschichte - und dennoch berauschen sich die evangelischen Christen im Oberbergischen noch an der Rückschau auf 500 Jahre Reformation und 200 Jahre Kirchenkreis. Letzterer wünscht sich weiteren Schwung durch die Begeisterung, die bei den einzelnen Veranstaltungen im Jahr 2017 spürbar war und die bei den Herausforderungen der nächsten Zeit nachwirken soll. Man muss kein Prophet sein, um zu wissen: Es wird für die Volkskirchen insgesamt nicht leichter, denn die Aufgaben werden vielfältiger - und schwieriger, auch weil die Mitgliederzahl kontinuierlich sinkt. Natürlich will man die Verkündigung in den Mittelpunkt stellen, will Trost spendende Kirche sein und ist doch weit darüber hinaus gefordert. Man müsse in der Gesellschaft für Frieden und Gerechtigkeit  eintreten und "zu bestimmten gesellschaftlichen Entwicklungen aus dem Evangelium heraus Stellung nehmen", so Superintendent Jürgen Knabe. Mit Leidenschaft in der Mitte der Gesellschaft, so lautet das protestantische Schlagwort.

Doch das ist gar nicht so einfach, weil man dann auch leicht in eine Frontstellung gerät, in einer Gesellschaft in der Egonzentrik und Individualisierung ebenso zunehmen wie Vereinsamung und kulturelle wie soziale Verarmung, wie auch Diakoniepfarrer Thomas Ruffler festgestellt hat. Eine Gesellschaft, in der viel über Solidarität und Zusammenhalt geredet wird, - Wortfetzen, über die kirchliche Mitarbeiter oft nur mitleidig lächeln können. So etwa Georg Huber, Leiter des evangelischen Altenheims in Bergenustadt, und seit mehr als 25 Jahren in der Diakonie tätig. Laut schreien müsse man eigentlich, wenn es um die Arbeitsbedingungen in der Pflege, die Belastung der Mitarbeiter und die fehlende Zeit für ältere Menschen gehe, so Huber. Es sei ein "Schauspiel", das derzeit von der Politik bei den Koalitionsgesprächen geboten werde.


Die Aufstockung der Beschäftigtenzahl um 8.000 Stellen habe bereits im vergangenen Jahr festgestanden und sei insofern nicht neu. Im Übrigen sei dies alles nur ein Tropfen auf den heißen Stein, denn bei 13.000 Pflegeeinrichtungen in Deutschland erhalte jede Einrichtung noch nicht einmal eine volle Stelle. Für Huber ist klar, dass die Kirche an der Seite derer stehen müsse, die den Beistand dringend benötigten. "Wir müssen immer wieder zeigen, dass wir nah bei den Menschen sind", so Huber. Das ist auch Pfarrer Andreas Spierling wichtig. Mitten unter den Menschen zu sein, das hat er wörtlich genommen, als er mit seiner Gemeinde den Heiligabend-Gottesdienst aus dem geschützten Raum der Kirche in den Krawinkelsaal verlegte.

Was alle Kirchenvertreter betonten, ist der intensive Dialog mit anderen Religionen. Gegenüber dem islamischen Glauben habe es "Rückschläge" gegeben, so Superintendent Jürgen Knabe. Doch Sprachlosigkeit helfe niemandem weiter. "Nur durch Begegnungen und Gespräche kann sich das bisherige Nebeneinander zu einem Miteinander entwickeln und einer weiteren Entwicklung von Parallelgesellschaften vorbeugen."
  
WERBUNG