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„Individuelle Interessen werden sozialisiert“

bv; 9. Jan 2018, 17:14 Uhr
Bild: Bernd Vorländer --- Stefan Meisenberg will für ein größeres Miteinander in Marienheide werben.
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„Individuelle Interessen werden sozialisiert“

bv; 9. Jan 2018, 17:14 Uhr
Marienheide – Marienheides Bürgermeister Stefan Meisenberg im Interview zum Umbau des Hauptortes und der Kritik, die sich am Wegfall von Parkplätzen entzündet.
Von Bernd Vorländer

Oberberg-Aktuell: So ein bisschen hat man derzeit in Marienheide den Eindruck: Wenn es dem Esel zu wohl wird, geht er aufs Eis?

Stefan Meisenberg: Ein gewagter Vergleich, was meinen Sie denn damit überhaupt?

OA: Es ist noch gar nicht so lange her, da steckte die Gemeinde tief in den roten Zahlen. Jetzt ist weit mehr als ein Silberstreif am Horizont zu sehen – und man streitet sich um einige Parkplätze. Das ist einem Außenstehenden wohl kaum zu vermitteln, oder?

Meisenberg: Das stimmt. Diese Frage stellen sich im Übrigen auch viele Marienheider Bürger. Wir haben in unserer Gemeinde ein Kernproblem, nämlich, dass individuelle Interessen sozialisiert werden und so getan wird, als ob alle von bestimmten Dingen betroffen seien. Hinzu kommt, dass in der Kommunikation aller Verantwortlichen Fehler geschehen sind. Statt um die Sache zu diskutieren und auch zu streiten, ging es um persönliche Dinge. Die Debattenkultur in Marienheide ist auf diese Weise sehr stark belastet worden. Wir wollen allerdings Folgendes festhalten: Die große schweigende Mehrheit in Marienheide ist froh, dass sich im Ort endlich etwas tut.


OA: Ist das ein gesellschaftlicher Trend, in vielem eher die Risiken denn die Chancen zu sehen?

Meisenberg: Das könnte sein. Es ist eben „hipper“ Bedenken zu haben, statt eine Vision. In Marienheide ist ein Stück weit das Gefühl verloren gegangen, dass sich etwas bewegen kann, weil man in der Vergangenheit immer das Gefühl vermittelt bekam, aufgrund der finanziellen Lage nichts ändern zu können. Nur haben sich die Zeiten inzwischen geändert.

OA: Was muss denn geschehen, damit es in Marienheide zu einem stärkeren Miteinander kommt?

Meisenberg: Im Rat ist die Zusammenarbeit wieder sehr gut, viele Entscheidungen fallen mit mehr als 90 Prozent der Stimmen - auch weil sich die Fraktionen aufeinander zubewegt haben. Das müssen wir auch in der gesamten Gemeinde hinbekommen.

OA: Mit dem Integrierten Handlungskonzept will sich Marienheide für die Zukunft fit machen, den Ortskern attraktivieren. Jetzt ist aber ein Bürgerbegehren, vielleicht sogar ein Bürgerentscheid  geplant, um vor allem die Parkplätze auf dem Heier Platz zu erhalten und es gibt Vorwürfe, die Verwaltung behindere die Initiatoren. Stimmt das?

Meisenberg: Diese Vorwürfe sind hanebüchen, das Gegenteil ist richtig. Wir wollen, dass dieses Begehren nicht aus formalen Gründen scheitert, deshalb muss etwa die Fragestellung von Fachleuten geprüft werden. Die von den Initiatoren zunächst formulierte Frage würde sicherlich von übergeordneten Behörden beanstandet. Aber nochmal: Genau das wollen wir nicht, sondern wir werden dafür sorgen, dass alles gesetzeskonform abläuft. Eines muss man allerdings wissen: Wer Einzelaspekte des Integrierten Handlungskonzeptes infrage stellt, kippt die Bezuschussung des Projekts. Eine Frage der Planerin ist mir vor allem im Gedächtnis geblieben: Haben denn die Parkplätze auf dem Heier Platz bislang für einen attraktiveren Ortskern gesorgt? Und genau das kann niemand behaupten.

OA: Wie läuft es dann praktisch mit dem Bürgerbegehren?

Meisenberg: Die Initiatoren haben drei Monate Zeit, etwa 1.000 Unterschriften beizubringen. Ich bin ziemlich sicher, dass dies gelingen wird. Wenn der Rat dann nicht von seinem Ratsbeschluss zum Ortskern abweicht, kommt es zum Bürgerentscheid, der im positiven Fall dann den Ratsbeschluss ersetzen würde. Dafür ist aber die Zustimmung von 20 Prozent aller wahlberechtigten Bürger in unserer Gemeinde nötig.

OA: Müssten die Fraktionen, Parteien, aber auch die Verwaltung nicht noch stärker über das informieren, was im Ort geplant ist?

Meisenberg: Die Verwaltung informiert nach ihren Möglichkeiten. Ich würde es aber für wichtig halten, wenn die Parteien, die den Ratsbeschluss zum Integrierten Handlungskonzept unterstützt haben, gemeinsam zur Aufklärung der Bürger beitragen würden. Ich bin sicher, dass wir die Menschen vom Sinn der Maßnahmen überzeugen werden. Wir haben doch alle Chancen: Einen Bahnhof quasi mitten im Ort, einen Busbahnhof nebenan, einen neuen Vollsortimenter, ein gutes Einkaufsangebot im Einzelhandel. Wir müssen und werden etwas daraus machen.
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