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VfL zähmt beinahe lustlose Löwen

pn; 16. Sep 2017, 02:00 Uhr
Bilder: Dirk Adolphs ---- Josef Pujol hatte einen schweren Stand gegen die starke Defensive der Rhein Neckar Löwen.
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VfL zähmt beinahe lustlose Löwen

pn; 16. Sep 2017, 02:00 Uhr
Gummersbach – Gegen den uninspirierten Deutschen Meister beginnt der Gummersbacher Kampf zu spät - Gesundes Oberberg e.V.' und die AggerEnergie präsentieren die Berichterstattung über den VfL Gummersbach.
Von Peter Notbohm


Nicht ganz unerwartet hat der VfL Gummersbach sein drittes Heimspiel der Saison gegen die Rhein Neckar Löwen verloren. Während die Mannheimer mit 6:2 Punkten weiter ärgster Verfolger des ungeschlagenen Spitzenreiters Hannover-Burgdorf sind, setzt sich das Team von Dirk Beuchler nach der vierten Niederlage im fünften Spiel im Tabellenkeller fest. Mit 2:8 Zählern rangieren die Oberberger derzeit auf dem 16. Tabellenplatz.


VfL Gummersbach – Rhein Neckar Löwen 26:29 (8:13).


[Tobias Schröters Qualitäten waren heute vor allem als Indianer gegen Andy Schmid gefragt.]

Die Frage, ob die Löwen im Kopf bereits beim schweren Champions League Kracher am Sonntag gegen den FC Barcelona gewesen seien, verneinte Oliver Roggisch, der sportliche Leiter des deutschen Meisters zwar: „Das wäre heute eine schlechte Ausrede.“ Auf dem Feld sah es allerdings nicht so aus, als ob die Rhein Neckar Löwen ihren sportlichen Fokus wirklich auf eine aufopferungsvoll kämpfende Gummersbacher Mannschaft gelegt hätten, sondern eher mit gedrosseltem Motor agierten. Gemäß dem Motto 'Wir haben keine Chance, also nutzen wir sie' spielte die Beuchler-Equipe dagegen in der Anfangsphase noch frech auf. Florian Baumgärtner und Marvin Sommer brachten die Oberberger zunächst in Führung, doch nach einer frühen Zeitstrafe gegen Stanislav Zhukov (5.) übernahmen die Gäste schnell das Kommando.


Gummersbach versuchte zwar mit viel Tempo zu agieren, wirkte im geordneten Aufbauspiel aber häufig ideenlos. Regisseur Josef Pujol gelang es mit seinem Aktionen nur selten seine Mitspieler in Szene zu setzen, so dass der Arm der völlig unaufgeregt pfeifenden Unparteiischen Immel/Klein mehrfach zum passiven Vorwarnzeichen in die Höhe schnellte. Die Gäste eroberten sich so zwar einige Bälle scheiterten anfangs aber auch noch an Carsten Lichtlein, dem es zu verdanken war, dass es nach 13 gespielten Minuten nur 4:7 stand. Auch Beuchlers nun genommene Auszeit half nur bedingt. Die Löwen wirkten zwar weiter nicht unbedingt motiviert, konnten sich aber stets auf ihr starkes Kleingruppenspiel zwischen Andy Schmid und Kreisläufer Hendrik Pekeler verlassen. Hinzu kam mit Andreas Palicka ein in der ersten Hälfte bestens aufgelegter Torhüter. Der VfL agierte dagegen höchst fehlerbehaftet und produzierte einmal mehr Fehler am laufenden Band.





[Die Anfangsphase gehörte noch Carsten Lichtlein, anschließend wurde er von seinem Gegenüber Andreas Palicka in den Schatten gestellt.]

Über 5:9 (18.) deutete sich beim 6:12 (22.) durch den variantenreichen Linksaußen Jerry Tollbring bereits das befürchtete Debakel an, ehe Beuchler den wohl wichtigsten Schachzug des Abends vollzog. Tobias Schröter wurde als Indianer in der 5:1-Defensive auf Andy Schmid angesetzt und störte damit das Aufbauspiel der Gäste erheblich. Der deutsche Meister gönnte sich eine schöpferische Schaffenspause, geizte nun ebenfalls nicht mit eher ungewohnten Fehlern und erzielte bis zur Pause lediglich noch ein Tor. Den bis zu diesem Zeitpunkt eher schmeichelhaften Halbzeitstand zum 8:13 besorgte Florian von Gruchalla mit der Sirene vom Siebenmeterstrich.


Wie laut Löwen-Coach Nikolaj Jacobsen in der Kabine wurde, ist nicht überliefert, am weiter lustlos wirkenden Auftritt der Gäste änderte sich allerdings wenig. Gummersbach zog dagegen die nächste Taktikvariante aus dem Köcher und agierte fortan mit einem wurfgewaltigen Rückraum um das Trio Baumgärtner, Matic und Zhukov, nachdem im ersten Durchgang weder Pujol noch Feuchtmann überzeugen konnten. Mit Erfolg. Während die Gastgeber weiter im Rahmen ihrer Möglichkeiten dagegen hielten, brachten die Löwen-Spieler ihren Trainer mit ihren vielen kleinen Fehlern schnell zum Toben an der Seitenlinie. Nach dem 12:16 (36.) stellte der Däne das Angriffsspiel seiner Mannschaft völlig um, agierte fortan mit Pekeler und Banea nicht nur mit zwei Kreisläufern, sondern brachte konsequent bis zum Abpfiff der Partie auch immer wieder den siebten Feldspieler.



[Josef Pujol und sein Ersatzmann Erwin Feuchtmann suchten zu häufig den Alleingang.]

Der VfL ließ sich davon aber zunächst keineswegs verunsichern und hatte mittlerweile Lunte gerochen. Bis zum 17:20 (43.) war man weiter auf Augenhöhe, ehe Jerry Tollbring den Druck vom Kessel nahm. Zwei herrliche Treffer des Schweden sowie eine völlig übermotivierte Zeitstrafe gegen Marko Matic ließen den Rückstand wieder auf 18:24 (48.) anwachsen. Beuchler nahm nun seine letzte grüne Karte und ließ fortan ebenfalls mit dem siebten Feldspieler agieren. Über 20:27 (53.) blieben die Gäste zwar Herr der Lage, in der Schlussphase konnte sich Gummersbach aber immerhin noch einige Siebenmeter erkämpfen, die Florian von Gruchalla souverän verwandelte. Den Schlusspunkt unter die 26:29-Niederlage setzte letztlich Marvin Sommer 30 Sekunden vor dem Ende.


Ein Ergebnis, mit dem viele VfL-Fans sehr gut leben konnten. Aus den vergangenen Jahren ist man gegen den deutschen Meister schließlich schon ganz andere Packungen gewohnt. Allerdings sollte das Resultat trotz einer guten VfL-Moral auch nicht überbewertet werden. Zum Einen spulten die Gäste über weite Strecken lediglich ihr Pflichtprogramm ab und taten nur das Nötigste. Zum Anderen war die Quote der technischen Fehler und auch Fehlwürfe bei den Oberbergern erneut extrem hoch. Bestes Beispiel war dafür Stanislav Zhukov. Der Ukrainer benötigte für seine drei Treffer elf Versuche und produzierte zudem fünf technische Fehler. Ein echter Lichtblick war dagegen Florian Baumgärner. Nach wackliger Anfangsphase zeigte der Linkshänder seine beste Saisonleistung und traf überragende 80 Prozent seiner Würfe.


Stimmen


Nikolaj Jacobsen (Trainer Rhein Neckar Löwen): Ich bin nur teilweise zufrieden, schließlich hatten wir die Möglichkeiten mit einer höheren Führung in die Pause zu gehen. In der zweiten Hälfte lösen wir die Manndeckung gegen Andy Schmid nicht so gut und haben viele Fehlpässe und Fehler. Dadurch lassen wir Gummersbach wieder ins Spiel hinein. Das Spiel 7 gegen 6 haben wir dann aber gut gelöst. Leider fehlten uns nun aber die Paraden von Palicka. Gummersbach fand ebenfalls gute Lösungen. Mit den ersten 25 Minuten war ich sehr zufrieden und das Überzahlspiel war auch gut, aber allgemein waren wir nicht 100 Prozent konzentriert heute. Das darf man sich in der Bundesliga nicht erlauben. Dafür sind die Gegner zu gut und Gummersbach hat uns das Leben sehr schwer gemacht. Sie haben 60 Minuten gekämpft und wir haben nichts geschenkt bekommen.


Dirk Beuchler (Trainer VfL Gummersbach): Glückwunsch an die Löwen. Der Sieg geht völlig in Ordnung. In der ersten Hälfte haben wir uns gegen die sehr gute Deckung schwer getan und zu viele Fehler gemacht. Man hat gesehen, warum Andy Schmid mehrmals MVP geworden ist. Die 5:1-Deckung hat aber gut geklappt. Wenn du den deutschen Meister dann dazu zwingst, den siebten Feldspieler zu bringen, hat man viel richtig gemacht. Die Jungs haben das gut verteidigt. Ich muss meiner Mannschaft ein großes Kompliment machen. Sie hat sich aufgeopfert, gekämpft und alles gegeben. Auf diese Leistung können wir aufbauen. Man sieht, wir werden immer besser und werden auch die Punkte holen, die wir brauchen.


Oliver Roggisch (Sportlicher Leiter Rhein Neckar Löwen): Dass Gummersbach kämpfen würde, war keine Überraschung. Wir sind in der Abwehr gut in die Partie gekommen. Es ist schade, dass wir uns dafür aber nicht belohnen. Wenn wir 10:16 und 20:26 führen und dann nicht konzentriert weiter agieren. Wir gucken jetzt nach vorne. In 48 Stunden geht es gegen Barcelona. Das ist dann noch mal ein ganz anderes Spiel, wo wir vorne viel konzentrierter agieren müssen.


Peter Schönberger (Geschäftsführer VfL Gummersbach): Wenn man verliert kann man nicht ganz zufrieden sein. Das Publikum hat aber ein gutes Gespür dafür, was die Mannschaft geleistet hat und mit Standing Ovations nach dem Schlusspfiff reagiert. Das war eine sehr gute Moral. Die Mannschaft ist mental intakt.


[Auch wenn es hier anders aussieht: Dirk Beuchler war zufrieden mit der Leistung seines Teams und betont die Fortschritte.]

Statistik

Gummersbach: Florian Baumgärtner (8), Florian von Gruchalla (7/7), Alexander Becker, Stanislav Zhukov (je 3), Marvin Sommer, Moritz Preuss (je 2), Josef Pujol (1).


Rhein Neckar Löwen: Jerry Tollbring (8), Hendrik Pekeler (5), Andy Schmid (5/5), Harald Reinkind (4), Patrick Groetzki (3), Mads Mensah Larsen (2), Momir Rnic, Rafael Banea (je 1).


Torhüter
Carsten Lichtlein (1.-52. Minute, 6 Paraden), Lasse Hasenforther (52.-60. Minute, 2 Paraden).
Andreas Palicka (1.-60. Minute, 10 Paraden), Mikael Appelgren (zu zwei Siebenmetern eingesetzt, 1/1 Paraden).


Siebenmeter
7/8 – 5/6 (von Gruchalla scheitert einmal an Appelgren – Schmidt trifft den Pfosten).


Zeitstrafen
6:4 Minuten (Matic, Zhukov, Preuss – Tollbring, Mensah Larsen).


Zuschauer
3239.


Schiedsrichter
Christoph Immel / Roland Klein.
  
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