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Nicht warten, sondern Zukunft selbst bestimmen

bv; 5. Sep 2017, 13:59 Uhr
Bilder: Bernd Vorländer --- Gemeinsam mit den Hülsenbuscher Bürgern nahm die Kommission vomn 'Unser Dorf hat Zukunft' Hülsenbusch in Augenschein.
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Nicht warten, sondern Zukunft selbst bestimmen

bv; 5. Sep 2017, 13:59 Uhr
Oberberg – So wie der Gummersbacher Stadtteil Hülsenbusch bewerben sich an die 40 Dörfer im Oberbergischen am Kreis-Wettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft“ – Bewertungskommission hat ihre Arbeit aufgenommen.
Von Bernd Vorländer

Sie reisen wieder – und sie brauchen richtig Kondition. Das gute Dutzend Mitstreiter, das Ursula Mahler, die Kommissionsvorsitzende des Kreiswettbewerbs „Unser Dorf hat Zukunft“ um sich geschart hat, ist seit Wochenbeginn nahezu täglich unterwegs, um die schönen Ecken Oberbergs in Augenschein zu nehmen. Wobei sich schön nicht nur auf die visuellen Aspekte bezieht. Der Dörferwettbewerb hat ja auch in der Region schon Tradition. Allerdings sind diesmal lediglich 40 Bewerber dabei, wohingegen es zu Hochzeiten schon einmal doppelt so viele Dörfer waren. Während früher aber vor allem optische Aspekte, etwa die Blumenpracht, gewürdigt wurden, kommt es heute auf andere Dinge an. Bei den Bewertungskriterien geht es um Demografie, um das Zusammenleben der Generationen, Planungen für die Zukunft, den Erhalt dörflicher Strukturen, aber auch um Kommunikation, die Einbeziehung aller Bürger bei Entscheidungsprozessen und Kooperationen, die Förderung der Jugendarbeit und die bauliche Gestaltung des Dorfes.


[Künstlerin Sabine Wallefeld ist erst einige Wochen in Hülsenbusch und schon jetzt überglücklich.]

Waren die Mitglieder der Kommission gestern im Wipperfürther Raum, in Egen, Kreuzberg und Wipperfeld unterwegs, startete man heute Morgen in Hülsenbusch. Und das Dorf mit der großen Tradition im Westen der Kreisstadt Gummersbach hatte tatsächlich einiges zu bieten, was die Kommissionsmitglieder mit großem Interesse registrierten. Heike Brand vom Vorstand der Dorfgemeinschaft machte deutlich, wie sehr sich die Einwohner darum bemühen, ihrem Dorf den ursprünglichen Charakter zu erhalten und neue Highlights hinzuzufügen. Zahlreiche Arbeitsgemeinschaften kümmern sich um spezielle Themen, etwa die Mobilität im ländlichen Raum, den Klimawandel, den bereits umgesetzten, zwei Kilometer langen Erlebniswald oder auch den Fitnesspfad, der in Planung ist. „Unser Leben wird bunter, aber es muss Spaß machen, sonst macht keiner mit“, sagt Brand.


Und die Hülsenbuscher packen wirklich an. Etwa beim Markt, der seit einigen Monaten dienstags eingerichtet wurde und der gut frequentiert wird. Neben den Händlern arbeitet auch die Dorfgemeinschaft in zwei Schichten, um die Besucher mit Kaffee, Kuchen und anderen Leckereien zu versorgen. Und der Kuchen wird selbstverständlich in der ortsansässigen Bäckerei gekauft – man unterstützt sich gegenseitig.

Seit kurzem hat mit Sabine Wallefeld eine Künstlerin im Gebäude des früheren Schuhmachers ihr Domizil aufgeschlagen. 40 Jahre habe sie in der Stadt gelebt, „aber hier sind alle meine Erwartungen weit übertroffen worden“, sagt die Buchautorin und Malerin. Die Kirche liegt mitten im Ensemble das alten Hülsenbuschs und ist mit ihren massiven Grauwackemauern identitätsstiftend für den gesamten Ort. Das Gotteshaus hat nicht nur eine fast 250-jührige Geschichte – die Ursprünge gehen sogar 800 Jahre zurück – es ist in Zusammenarbeit mit der Dorfkneipe auch immer stärker zu einem kulturellen Mittelpunkt geworden.


[Bernd Bassfeld informierte über Vergangenheit und Zukunft der markanten Hülsenbuscher Kirche im Ortskern.]

Wie sehr die Hülsenbuscher um ihre Zukunft kämpfen, zeigen weitere Entwicklungen: Als vor einigen Jahren der Wegfall der Dorfkneipe drohte, führte man Gespräche mit den Eigentümern und gründete eine Genossenschaft, die heute fast 200 Mitglieder hat und die die finanzielle Grundlage für den Weiterbetrieb schuf. 38 Helfer in Thekenteams opfern heute ihre Freizeit, um an fünf Tagen in der Woche dafür zu sorgen, dass Gäste willkommen sind. Aber eigentlich opfere niemand Zeit, sagt Genossenschafts-Vorstand Andreas Döhl. „Wer hier arbeitet, freut sich auf seine Schicht, weil man so viele nette Menschen kennenlernt und gute Gespräche führen kann.“ Und weil die Genossenschaft das Dorf und die Kirche unterstützt fügt Vorstand Sven Kiebler lächelnd hinzu: „Wir trinken uns im wahrsten Sinne des Wortes unser Dorf schön.“  Gemeinsam rettete man auch die Filiale der Bäckerei, die geschlossen werden sollte, dort arbeiten jetzt fünf Frauen aus dem Dorf.


[Umfassend über die Aktivitäten im Dorf informierte sich die Kommisssion bei ihrem 90-minütigen Besuch.]

Und in Arbeit ist auch schon das nächste Mega-Projekt in Hülsenbusch. Nach einer Vielzahl von Gesprächen ist klar, dass im ehemaligen Rathaus, in dem es heute noch zwei Gefängniszellen gibt, jetzt altengerechte Wohnungen entstehen. „Ein solches Projekt fehlte noch im Ort“, sagt Bernd Bassfeld, der vor fünf Jahren vom Niederrhein zugezogen ist und nie wieder weg will. Und nebenan, auf einem noch unbebauten Grundstück wird in den kommenden Jahren das Generationenhaus Hülsenbusch umgesetzt. Neben einer Tagespflege werden dort ein Kinderarzt sowie ein praktischer Arzt ihre Praxen haben. Die Pläne sind bereits in der Entstehung, gesucht wird noch ein Investor. Angesichts dessen, was die Hülsenbuscher mit Biss und Engagement bereits geschafft haben, zweifelte niemand in der Dorf-Kommission des Kreises daran, dass dieser Investor auch gefunden wird.

90 Minuten blieb die Mahler-Kommission in Hülsenbusch, dann rief der nächste Ort. Ab jetzt gilt für alle, auf die Platzierungen zu warten. Die werden am 21. November in Lindlar bekanntgegeben. Alle Teilnehmer dürfen sich dann über Geldpreise freuen, die die Kreissparkasse Köln zur Verfügung stellt. „Ohne diese Unterstützung könnten wir diesen Wettbewerb gar nicht durchführen“, so Kommissions-Chefin Ursula Mahler. In Lindlar wird dann auch bekanntgegeben, welche drei Dörfer am Landeswettbewerb teilnehmen dürfen.  
  
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