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Gummersbach verscheucht das Abstiegsgespenst

pn; 5. Jun 2017, 22:15 Uhr
Bilder: Alexander Arnold ---- Die Freude kannte bei den VfL-Spielern nach dem Schlusspfiff keine Grenzen.
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Gummersbach verscheucht das Abstiegsgespenst

pn; 5. Jun 2017, 22:15 Uhr
Gummersbach – Das Hasanefendic-Team erkämpft sich mit viel Glück einen Zähler gegen Göppingen und kann nur noch ganz theoretisch absteigen - RPP - Ambulantes Therapie- und Reha-Zentrum' und die AggerEnergie präsentieren die Berichterstattung über den VfL Gummersbach.
Von Peter Notbohm


Der Klassenerhalt des VfL Gummersbach steht zu 99 Prozent fest. Es müsste schon sehr viel passieren, als dass das Team von Interimstrainer Sead Hasanefendic am letzten Spieltag noch auf einen Abstiegsrang abrutschen könnte. Zwei Punkte Vorsprung und das um 28 Treffer bessere Torverhältnis gegenüber dem Bergischen HC sollten nach dem hart erkämpften Remis gegen Göppingen zum Ligaverbleib ausreichen, so dass die Planungen für die kommende Saison beginnen dürfen. Sehr viel leichter werden es die Oberberger im anstehenden Jahr allerdings auch nicht haben. Das hat die Partie am Pfingstmontag noch einmal eindrucksvoll unterstrichen.


VfL Gummersbach – FRISCH AUF! Göppingen 22:22 (8:11).


[Kévynn Nyokas agierte über 55 Minuten völlig verunsichert, kassierte sogar ein kleines Pfeifkonzert der eigenen Fans, war nach dem hier erzielten 22:22-Ausgleich aber der umjubelte Held.]

Nein, das waren keineswegs die besten Zutaten für einen schönen Handballnachmittag. Auf der Gästeseite eine stark angeschlagene FAG-Equipe, die mit lediglich drei Ersatzspielern anreiste und dem Saisonende entgegenfiebert, auf der anderen Seite ein nervlich stark angeschlagenes VfL-Team, das unbedingt noch einen Zähler benötigte, um einem Abstiegsendspiel beim TBV Lemgo am kommenden Samstag zu entgehen. Komplettiert wurde das dröge Rezept durch zwei Schiedsrichter, die mit ihren Entscheidungen auf beiden Trainerbänken für viele negative Emotionen sorgten. Herauskam ein äußerst schwaches Bundesligaspiel, bei dem beide Torhüter mit jeweils 13 Paraden hervorstachen, spielerisch allerdings weitestgehend Tristesse regierte.



[Alexander Becker zeigte in der Schlussphase ungeahnte Linksaußen-Qualitäten.]

Das lag bei den Hausherren vor allem daran, dass Julius Kühn nicht annähernd an seine Berlin-Leistung anknüpfen konnte. Vielmehr zeigte die Partie einmal mehr, wie abhängig die VfL-Offensive diese Saison von ihrem Nationalspieler war. Für seine vier Treffer benötige der künftige Melsungener 13 Versuche und ließ dabei zudem zwei Siebenmeter liegen. Hasanefendic verwies nach dem Spiel nicht ganz zu Unrecht darauf, dass Kühn nach sechs Wochen Verletzungspause nicht jedes Spiel sofort wieder liefern könne. Zumindest in der Anfangsphase der Begegnung konnten die Gastgeber dies aber noch kompensieren. Matthias Puhle, der erneut den Vorzug vor Carsten Lichtlein erhielt, rechtfertigte das Vertrauen abermals mit starken Paraden und übertünchte damit die Wurfschwäche seiner Vorderleute aus der zweiten Reihe.


Deutlich besser funktionierte dagegen die VfL-Defensive bis zum 5:3 (13.) durch Tobias Schröter. Eine Auszeit von FAG-Trainer Magnus Andersson sowie der erste verworfene Kühn-Siebenmeter leiteten nun allerdings die stärkste Phase der Gäste ein. Zwei schwache Nyokas-Abschlüsse sowie ein ebenfalls gut aufgelegter Göppingener Torhüter Primoz Prost sorgten dafür, dass die Partie zum 5:7 (18.) durch Adrian Pfahl kippte. Bis zum 8:8 (23.), das Andreas Schröder in der zweiten Welle erzielte, blieb das Spiel nun zwar offen, bis zur Pause sollte den Hausherren aber nicht mehr viel gelingen. Blinde Pässe nach vorne, Abschlusspech mit der Latte sowie ein viel zu lässiger Dreher frei vom Kreis durch Alexander Becker ließen die VfL-Fans beim 8:11-Pausenstand mächtig um den Klassenerhalt zittern.



Zumal auch der Auftakt in die zweite Hälfte alles andere als verheißungsvoll begann. Ein schwacher Wurf von Kapitän Christoph Schindler war ein gefundenes Fressen für Prost, während Marcel Schiller im Gegenzug auf 8:12 (31.) erhöhte. Über 10:13 (33.) blieb Gummersbach, angeführt von Simon Ernst, bis zum 13:15 (40.) aber immerhin noch auf Schlagdistanz. Es folgte eine völlig berechtigte Rote Karte gegen Linksaußen Kevin Schmidt, der dem durchbrechenden Daniel Fontaine von hinten in den Arm griff. Den fälligen Siebenmeter verwandelte Marcel Schiller, Andreas Berg erhöhte in Überzahl zudem zum 13:17 (42.). Ein Rückstand, dem Gummersbach lange hinterherlief. Den Gästen schwanden beim 17:21 (51.) aber auch allmählich die Kräfte. Die dünne Bank machte sich bemerkbar, so dass mehrere angeschlagene Spieler auf die Zähne beißen mussten.


[Matthias Puhle war wie schon in Berlin der Fels in der Brandung.]

Die Schlussphase mutierte zum reinen Nervenkrimi. Dabei sollten ausgerechnet mit Alexander Becker und Kévynn Nyokas zwei der vom VfL-Anhang am häufigsten kritisierten Akteure die umjubelten Helden werden. Becker erzielte zunächst einen lupenreinen Hattrick zum 20:21 (56.), ehe Adrian Pfahl mit seinem Treffer noch einmal auf die Euphoriebremse trat. Dann nahm sich der bis dahin völlig von der Rolle agierende Nyokas ein letztes Mal ein Herz und verwandelte die letzten zwei Würfen eiskalt, während die Gäste mit ausbleibenden Pfiffen der Unparteiischen mehr als nur haderten. Trainer Andersson ließ seinem Frust nach Abpfiff bei der Spielaufsicht freien Lauf und sprach auf der Pressekonferenz sogar von einem geklauten Punkt.


Gummersbach störte das hingegen wenig. Die Oberberger hatten in den letzten 30 Sekunden sogar noch die Chance zum Siegtreffer, gingen aber nach einer letzten Auszeit kein Risiko mehr und verzichteten auf einen letzten Torwurf. Der Rest war frenetischer Jubel über den zu 99 Prozent feststehenden Klassenerhalt. Umso emotionaler durfte auch die offizielle Verabschiedung von Daniel Mestrum, Andreas Heyme, Andreas Schröder, Julius Kühn, Kévynn Nyokas und Christoph Schindler ausfallen.


Gummersbach: Simon Ernst (5), Alexander Becker (4), Julius Kühn (4/1), Kévynn Nyokas, Andreas Schröder, Evgeni Pevnov (je 2), Florian von Gruchalla (2/2), Tobias Schröter (1).


Göppingen: Adrian Pfahl, Daniel Fontaine (je 5), Marcel Schiller (5/3), Manuel Späth, Niclas Barud, Andreas Berg (je 2), Tim Kneule (1).


Strafminuten: 4:4 (Schindler, Rote Karte Schmidt - Kneule, Barud).


Siebenmeter: 3/5 – 3/3 (Kühn scheitert 2x an Prost – Schiller souverän)


Zuschauer: 4132 (ausverkauft).




Stimmen zum Spiel


Magnus Andersson (Trainer Frisch Auf! Göppingen): „Ich bin stinksauer. Meinen Jungs muss ich ein Riesenkompliment machen, zumal wir große personelle Probleme hatten, aber Jemand hat uns heute einen Punkt gestohlen. Mehr möchte ich dazu nicht sagen.“


Sead Hasanefendic (Trainer VfL Gummersbach): „Wir haben einen Punkt gewonnen. Es war das erwartet schwere Spieler gegen einen Gegner, der erst in den letzten Wochen sein wahres Gesicht und seine wahre Stärke gezeigt hat. Wir hatten uns vorgenommen, alles zu geben, und das hat man auch gesehen, wobei uns der unerwartete Erfolg in Berlin neues Selbstvertrauen gegeben hat. Ganz wichtig waren die Paraden von Matthias Puhle, die uns auch in Phasen, in denen wir zu hektisch und zu unpräzise agiert haben, im Spiel gehalten haben.“


Aleksandar Knezevic (Sportlicher Leiter Frisch Auf! Göppingen): „Analysieren werden wir das Spiel später. Wir haben ein hartes Spiel gesehen, dass von beiden Teams intensiv geführt wurde. Gratulation an beide Mannschaften.“


Peter Schönberger (Geschäftsführer VfL Gummersbach): „Für mich war es ein Kaltstart in die erste Woche. Ich bin von Mannschaft, Trainer und Geschäftsstelle toll aufgenommen worden und alle haben immer an einen erfolgreichen Abschluss geglaubt. Es ist fantastisch, was Sead Hasanefendic mit dem Team auf die Beine gespielt hat, und mit diesem Spirit gewinnt man auch Spiele.“  


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