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Ein Jahr, ein Kurs und ein Prozess

Red; 7. Apr 2017, 08:07 Uhr
Bild: privat.
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Ein Jahr, ein Kurs und ein Prozess

Red; 7. Apr 2017, 08:07 Uhr
Nümbrecht - Literaturkurs des Homburgischen Gymnasiums mit einer Interpretation von Kafkas „Der Prozess“, die unter die Haut ging.
In diesem Schuljahr erarbeiteten 19 Schüler des Q2-Literaturkurses des Homburgischen Gymnasiums unter der Leitung ihrer Lehrerin Katrin Rottländer und der Opernsängerin, Gesangpädagogin und Schauspieldozentin Karin Sander ihre eigene Interpretation des Romanklassikers „Der Prozess“ von Franz Kafka.  Der aus zehn Kapiteln bestehende Roman wurde in Gruppenarbeit auf eine moderne Art und Weise umgeschrieben und dadurch neu interpretiert. Insgesamt fünf Gruppen entwickelten dabei eigene Szenen, die größtenteils als Theateraufführung, aber auch als selbst gedrehter Film oder Fotoroman präsentiert wurden.

Das Original von Kafka handelt von dem Bankprokuristen Josef K., der am Morgen seines 30. Geburtstages verhaftet wird und nie den Grund für seine Verhaftung und den folgenden Prozess erfährt. Er versucht vergeblich, sich dagegen zu wehren, schafft es jedoch nicht, gegen das scheinbar nicht greifbare Gericht vorzugehen. Am Ende wird K. von zwei Herrn abgeführt und erschossen.

Zu Beginn der Aufführungen in der Aula richteten zwei Schüler aus der Q2 einige einleitende Worte an das Publikum. So wurde vorweg erklärt, dass der Protagonist Josef K. durch mehrere Darsteller, sowohl Schülerinnen als auch Schüler dargestellt werde, gekennzeichnet durch ein rotes T-Shirt mit einem roten K auf der Brust und insgesamt zehn kleine Handlungen zu sehen seien. Da die Schüler die ursprünglichen Kapitel in fünf Gruppen unter sich aufteilten und umschrieben, ohne die Herangehensweise der anderen Gruppen zu kennen, ergaben sich bewusst und für den Zuschauer möglicherweise überraschend, kleine und in sich abgeschlossene Handlungen.

Als roten Faden hatte der Literaturkurs das Oberthema „Mobbing“ gewählt. So fügten die Gruppenarbeiten sich mosaikartig zu einer Art Collage zusammen. Die Darsteller schafften es, das beklemmend Undurchschaubare und nahezu „kafkaeske“ der Romanvorlage in der Bühnenfassung zu erhalten, sodass Josef K. sich nie dem scheinbar willkürlichen und grundlosen Mobbing entziehen konnte und schließlich in den Selbstmord getrieben wurde. Alle Mitwirkenden spielten ihre Rollen mit großem Einfühlungsvermögen und persönlicher Note. Besonders die letzte Szene, Ks im wahrsten Sinne des Wortes sprachloser Selbstmord, untermalt von dem Damian Rice Song „Cold Water“, ging unter die Haut.

Auf ein aufwendiges Bühnenbild wurde bewusst verzichtet, um den Fokus auf die menschlichen Aspekte der Handlung zu lenken. So charakterisierten nur wenige spartanisch eingesetzte Möbelstücke und Requisiten die einzelnen Handlungsorte. Das ermöglichte auch schnelle und reibungslose Umbauten, untermalt von verbindenden Musiknummern, die die einzelnen Schülergruppen selbst für ihre Szenen ausgewählt hatten. Zum Schluss gab es bei beiden Aufführungen lang anhaltenden Applaus für alle Beteiligten.

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