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Drohende Abschiebung trotz Ausbildungsstelle

nh; 8. Mar 2017, 15:50 Uhr
Bild: Nils Hühn --- Muhammad Waseem (Mitte) hat Anfang Oktober 2016 seine Ausbildung zum Koch im Haus Kranenberg in Bielstein begonnen. Jetzt erhielt er den Bescheid, dass er Deutschland binnen 30 Tagen verlassen soll. Inhaber Christian Kahl und Küchenchefin Janine Heinemann ist das Lachen nach der Hiobsbotschaft vergangen.
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Drohende Abschiebung trotz Ausbildungsstelle

nh; 8. Mar 2017, 15:50 Uhr
Wiehl - Vergangene Woche teilte das Bundesamt dem Flüchtling Muhammad Waseem mit, dass er Deutschland innerhalb von 30 Tagen verlassen soll - Der pakistanische Koch (30) in Ausbildung und sein Chef Christian Kahl sind schockiert.
Von Nils Hühn

Mit Tränen in den Augen überreichte Koch Muhammad Waseem das Schreiben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) seinem Chef Christian Kahl, der das Haus Kranenberg in Bielstein betreibt. In dem Bescheid wird dem 30-jährigen Pakistaner kurz mitgeteilt, dass sein Antrag auf Anerkennung des Asylantrags abgelehnt wird und er innerhalb von 30 Tagen nach Erhalt des Schreibens die Bundesrepublik Deutschland verlassen soll. „Wir sind schockiert“, ist Kahl frustriert. „Und das soll Integration sein?“, ist er fassungslos über das Vorgehen. Im Oktober vergangenen Jahres hatte er Waseem nach einem erfolgreichen Praktikum als Auszubildenden eingestellt (OA berichtete). „Meines Wissens nach ist er dann für die Zeit der Ausbildung und anschließend zwei weitere Jahre geschützt“, ärgert sich Kahl über die nun angekündigte Abschiebung. Im Integrationsgesetz heißt es: „Auszubildende erhalten eine Duldung für die Gesamtdauer der Ausbildung. Wer im Betrieb bleibt, erhält ein Aufenthaltsrecht für zwei Jahre.“

Auch deshalb herrschte zunächst Ratlosigkeit, wie man nun weitervorgehen müsse. „Ich brauche Muhammad. Er muss hier bleiben“, erlebt Kahl den Fachkräftemangel bereits am eigenen Leib und ist froh, mit dem 30-jährigen Flüchtling einen engagierten Azubi gefunden zu haben. Der Deutsche Hotel und Gaststätten Verband (DeHoGa) sowie die Industrie- und Handelskammer rieten Muhammad Waseem, sich einen Anwalt zu nehmen. Dies tat Waseem und wird nun gegen die Abschiebung klagen. Während des Klageverfahrens har er einen Duldungsstatus. Mit dieser Lösung ist weder Waseem noch Kahl zufrieden, wollen beide Planungssicherheit.


Aber wieso soll ein Flüchtling, der sich integrieren will, deutsch lernt, Steuern zahlt und eine Ausbildung begonnen hat, abgeschoben werden? „In seiner Anhörung trug Herr Waseem im Wesentlichen vor, aufgrund eines rein innerfamiliären Konflikts aus Pakistan geflüchtet zu sein. Flüchtlingsschutz und Asylberechtigung konnten nicht ausgesprochen werden, da keine individuelle Verfolgung in Anknüpfung an die Genfer Flüchtlingskonventionen vorliegt“, erklärte BAMF-Sprecher Christoph Sander. Für unsere Recherche hat Muhammad Waseem die BAMF-Mitarbeiter von ihrer Schweigepflicht entbunden.

Das Bundesamt begrüßt es, dass Waseem sich in Gummersbach gut integriert und auf dem Arbeitsmarkt Fuß gefasst hat. „Für das Asylverfahren haben jedoch Integrationsleistungen im Einzelnen, wie zum Beispiel die Aufnahme einer Beschäftigung, bei der Prüfung des Asylantrags im Hinblick auf die Gewährung von asylrechtlichem Schutz keinen Einfluss“, erklärte Sander weiter. Zentrale Frage sei, welche Gefahr dem Antragsteller bei einer möglichen Rückkehr in sein Herkunftsland drohe.

Nach dem ablehnenden Bescheid vom Bundesamt ist nun die Ausländerbehörde des Oberbergischen Kreises zuständig. Sie kann eine Duldung aussprechen. Duldung bedeutet nach § 60a des Aufenthaltsgesetzes eine „Vorübergehende Aussetzung der Abschiebung“, die Ausreisepflicht bleibt jedoch bestehen. „Integrationsleistungen können unter Umständen zur Ausstellung einer Duldung führen“, erklärte Sander weiter. Ob Muhammad Waseem geduldet wird, wollte die Ausländerbehörde in Gummersbach nicht mitteilen. Die Voraussetzungen dafür sind recht gut, aber Klarheit haben weder Waseem noch Kahl.

Christian Kahl lässt seinen Auszubildenden aber nicht fallen und hilft ihm dabei, dass er in Deutschland bleiben kann. In den vergangenen Tagen hatte das Haus Kranenberg Betriebsferien. In dieser Zeit sollte eigentlich überwiegend am Hotel gearbeitet werden, dass demnächst den Betrieb erweitern wird. „Ich habe aber viel Zeit mit Telefonaten verbracht“, berichtet Kahl über die zusätzliche Arbeit. Dabei habe er viel Unterstützung erhalten, aber das Vorgehen des Bundesamtes, auch wenn es seine Richtigkeit haben sollte, kann Kahl nicht verstehen. „Das hat nichts mit einfacher Integration oder Unterstützung durch den Bund zu tun.“
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