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„Wir sind ein gallisches Dorf“

pn; 3. Mar 2017, 13:10 Uhr
Bild: Archiv ---- Marcus Toelstede und sein Team rücken auch dieses Jahr im Abstiegskampf eng zusammen.
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„Wir sind ein gallisches Dorf“

pn; 3. Mar 2017, 13:10 Uhr
Marienheide - Die HSG Marienheide/Müllenbach schien bereits abgestiegen, zeigt aber einmal mehr ihr Kämpferherz - OA sprach mit Trainer Marcus Toelstede über die aktuelle Saison, seine Zukunft sowie die künftige Philosophie des Vereins.
Von Peter Notbohm


OA: Herr Toelstede, nach neun Spieltagen lag Ihr Team mit einem einzigen Sieg abgeschlagen am Tabellenende. Hand aufs Herz. Haben Sie zu diesem Zeitpunkt selbst noch an den Klassenerhalt geglaubt?


Toelstede: Auf jeden Fall. Ich hatte ihn tatsächlich nicht abgehakt. Wir hatten bereits letztes Jahr eine ähnliche Konstellation. Die starken Gegner hatten wir bereits zu Beginn der Saison. Gerade der Blick auf unser Torverhältnis hat mich positiv gestimmt, weil wir viele dieser Spiele nur knapp verloren haben. Ich kenne das noch von letzter Saison. Man sollte die Jungs nicht abschreiben.


OA: Gab es ein Schlüsselspiel, das zur Wende geführt hat?


Toelstede: Wirklich wichtig war der Sieg gegen Nümbrecht, gerade in dieser Deutlichkeit (Anm. d. Red.: 32:20-Erfolg). Aber ein echtes Schlüsselspiel gab es nicht. Wir sind einfach ruhig geblieben. Selbst während unserer Niederlagenserie blieb die Stimmung gut. Das kann ein Vorteil, aber auch ein Problem sein. Natürlich ist es gut, weil man die Jungs immer jederzeit motivieren kann. Teilweise verzweifelt man als Trainer aber auch, wenn man die Jungs nach einer Niederlage nach einer halben Stunde schon wieder feiern sieht.


OA: Wie erklären Sie sich den eklatanten Unterschied zwischen ihren Heim- und Auswärtsauftritten? Ist die Konzentration auf die direkten Duelle im Abstiegskampf nicht ein Spiel mit dem Feuer?


Toelstede: Auffällig ist, dass wir auswärts nur sehr selten mit dem kompletten Kader anreisen. In den Medien wurde wir vor der Saison zum gallischen Dorf erklärt. Mittlerweile begrüßen wir sogar vor dem Spiel unseren Gegner und die Schiedsrichter mit dem Spruch „Wir sind ein gallisches Dorf“. Wir leben dieses Motto. Auswärts tun wir uns dagegen schwer. Das hat aber nichts mit dem Ball zu tun. Natürlich sind wir mit Klister unsicherer, aber aus meiner Sicht fehlt es einfach am Selbstverständnis, das wir zu Hause an den Tag legen.

OA: Am Wochenende steht mit Troisdorf ein direktes Duell im Abstiegskampf an. Warum gewinnt Ihr Team auch ohne Sie auf der Bank?


Toelstede: Ich habe fürchterliche Bauchschmerzen, dass ich urlaubsbedingt nicht dabei sein kann. Zu Hause habe ich kurz anklingen lassen, wie wichtig dieses Spiel für uns ist, das aber auch schnell wieder gelassen (lacht). Wir nehmen Troisdorf sehr ernst. Sie haben uns im Hinspiel eine ganz schöne Backpfeife verpasst. Aber wir haben mittlerweile eine echte Breite im Kader entwickelt. Wir sind nicht nur Holger Fischer. Die jungen Spieler entlasten ihn inzwischen sehr. Wir werden gewinnen, weil wir zu Hause stets eine Klasse besser agieren und weil wir mittlerweile viel Selbstvertrauen aufgebaut haben und von jeder Position gefährlich sind.



OA: Wie lautet das Ziel für die restliche Saison? Wo landet die HSG am Ende?


Toelstede: Vor der Saison haben wir einen einstelligen Tabellenplatz anvisiert. Wenn wir gegen Troisdorf gewinnen, springen wir auf Platz neun. Das wollen wir dann natürlich versuchen zu halten. Wir dürfen uns aber nicht nur auf unsere Heimstärke verlassen, sondern müssen auch auswärts noch etwas holen, zumal andere Teams wie Bonn jetzt aufrüsten.

OA: Wie sehen Sie es, dass andere Vereine ihre Reserveteams nun beginnen aufzurüsten?


Toelstede: Es macht die Landesliga sicherlich nicht interessanter, wenn nur noch Reserveteams in ihr spielen würden, aber natürlich würden wir das auch in Anspruch nehmen, wenn wir die Möglichkeit dazu hätten. Da kann man niemandem einen Vorwurf machen. Wenn ein Verein das so machen will, ist das so zu akzeptieren. Der Abstiegskampf ist in jedem Fall extrem eng und keine Mannschaft ist total abgeschlagen.


OA: Die meisten Trainer haben ihre Verträge mittlerweile verlängert oder haben bereits einen Nachfolger. In Marienheide war es diesbezüglich bisher ruhig. Wie sehen die Planungen aus?


Toelstede: Wir sind im engen Dialog. Ich bin relativ entspannt und entscheide mich, wenn ich so weit bin. Die Signale sind da, dass wir gerne weiter zusammenarbeiten möchten, aber viele erfahrene Spieler wie Holger Fischer, Daniel Küsters und Willi Derksen werden kommende Saison nicht mehr zur Verfügung stehen. Ich würde mir wünschen, dass jüngere Spieler mal ein wenig genauer hinschauen. Vor zwei Jahren kannte niemand die Gienczek-Brüder oder Leon Hagen, der in Strombach nur in der B2-Jugend spielte. Andere Vereine laufen sich nach diesen Jungs mittlerweile die Hacken ab. Auch Marc Hochsattel und Sven Höttgen sind auf dem Sprung. Ich würde mir wirklich wünschen, dass junge Spieler, die in anderen Vereinen wenig Perspektive haben, sehen, was bei uns möglich ist. Wenn man will, kann man bei uns auf sich aufmerksam machen.


OA: Die Jugend ist also die Zukunft? Der Verein kämpfte seit drei Jahren beständig gegen den Abstieg. Nicht wenige Kenner der Szene prophezeien der HSG ein düsteres Verschwinden in der Versenkung bei einem Abstieg. Zermürbt das nicht?


Toelstede: In den letzten zehn Jahren gab es aus Marienheide meist leider nur negative Schlagzeilen. Das hat sich in den letzten zwei Jahren ein wenig gewandelt. Das wird auch von den Zuschauern honoriert, die wieder vermehrt zu uns kommen, weil sie uns kämpfen sehen. Und wir haben mittlerweile auch wieder eine Jugend. Die hat vielleicht noch nicht das Niveau wie in Oberwiehl oder anderen Vereinen, aber man muss auch andere Beispiele sehen. Der TV Oberbantenberg hatte vor Jahren überhaupt keine Senioren mehr und Nümbrecht war vor zehn Jahren auch noch nur ein Kreisligist. Ich sehe uns sogar noch im Vorteil gegenüber manch anderen Vereinen. Bei uns gibt es zwar keinen Spritgeldzuschuss, wie in früheren Zeiten, aber wir wollen auch keine fertigen Spieler, sondern junge Talente und diese entwickeln.
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