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Stücker denkt an „übermorgen“

nh; 7. Dec 2016, 15:25 Uhr
Bilder: Nils Hühn --- Kämmerer Axel Brauer (rechts) erläuterte den Haushaltsplan 2017. Im kommenden Jahr wird die Stadt ein Defizit von knapp fünf Millionen Euro erwirtschaften.
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Stücker denkt an „übermorgen“

nh; 7. Dec 2016, 15:25 Uhr
Wiehl - Im kommenden Jahr investiert die Stadt über 16 Millionen Euro in die Infrastruktur, um zukunftsfähig zu sein - Defizit beträgt 2017 knapp fünf Millionen Euro - Steuern bleiben auf niedrigem Niveau (AKTUALISIERT).
Von Nils Hühn

Bei der gestrigen Haushaltseinbringung im Wiehler Stadtrat hatte man das Gefühl, dass sich Kämmerer Axel Brauer und Bürgermeister Ulrich Stücker eine Taktik zurechtgelegt hätten. Zuerst mimte Brauer den „bösen Bullen“, ehe Stücker als „guter Bulle“ in Erscheinung trat. Der Kämmerer verkündete, dass die Stadt erneut ein Defizit erwirtschaften wird. Knapp fünf Millionen Euro wird die Verwaltung mehr ausgeben, als sie einnimmt. Seit 2013 summiert sich dieses Defizit auf insgesamt 16,6 Millionen Euro.

War das Ziel bislang, eine Reserve der Ausgleichsrücklage von acht Millionen Euro zu erhalten, wird dieser Plan gestrichen, denn bereits im Jahr 2018, aber spätestens 2019, droht die vollständige Verzehrung dieser Rücklage. Dann würde es auch eine Statusänderung geben, und Wiehl würde von einem Anzeigehaushalt zu einem Genehmigungshaushalt wechseln. „Diese Statusänderung gilt es zu vermeiden“, so Brauer. Möglichkeiten wären eine Generalrevision aller Aufgaben und Ausgaben, Steuerhöhungen oder eine haushaltswirtschaftliche Sperre.




Aber so düster, wie es sich zunächst anhörte, wird die Zukunft in Wiehl nicht sein. Dies machte sogar der „böse Bulle“ Axel Brauer deutlich. „Wir sprechen von einem strukturellen Defizit.“ So investiert die Stadt in den kommenden Jahren kräftig in die Infrastruktur. 4,3 Millionen Euro in den Neubau des Feuerwehrhauses Oberwiehl, 3,8 Millionen Euro in die Sanierung des Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasiums, 3,5 Millionen Euro in den Erwerb von Wohnbau- und Gewerbegrundstücken, 1,6 Millionen Euro in die Erschließung des Gewerbegebiets Bomig-Süd - womit bereits gestern begonnen wurde - und weitere 695.000 € in die Anschaffung von Feuerwehrfahrzeugen. Fast eine Million Euro werden zudem in Konzepte zur Stadtentwicklung investiert.

Trotz all dieser immensen Investitionen soll die Grundsteuer B, die in anderen Kommunen drastisch erhöht wurde, bei 430 Prozent bleiben, womit Wiehl den niedrigsten Hebesatz im Oberbergischen Kreis hat. Ebenso sieht es bei der Gewerbesteuer aus, die mit ebenfalls 430 Prozent auf dem Niveau des Vorjahres bleiben soll. Insgesamt rechnet der Kämmerer mit Erträgen im Wert von 62,3 Millionen Euro. Dem stehen im Ergebnisplan 67,3 Millionen Euro Aufwendungen gegenüber.

Nach der Vorstellung des beeindruckenden Zahlenwerks trat Bürgermeister Stücker ans Rednerpult und hatte „Redebedarf“. Gute 45 Minuten dauerte seine Haushaltsrede, der er den Titel „An übermorgen denken“ gab. Auch wenn ihm die sogenannten Transferaufwendungen, durch die der Wiehler Haushalt in großen Teilen fremd bestimmt sei (beispielsweise Kreisumlage und Abundanzumlage), die Zornesröte ins Gesicht treibe, so sei er sich gewiss, dass dies Klagen auf hohem Niveau sei. „Ich klage jedoch lieber heute auf hohem Niveau, als in der Zukunft auf niedrigerem Niveau zu arbeiten“, erntete er für diese Aussage Applaus.

[Die Haushaltsrede von Bürgermeister Ulrich Stücker (stehend) dauerte 45 Minuten. "Ich habe Redebedarf", stellte er eingangs fest.] 

In seinem folgenden Vortrag schwor er die Ratsmitglieder ein, die Stadt zukunftsfähig zu machen. „Kluge Stadtentwicklung muss an übermorgen denken“, wie er es samt seiner Verwaltung im Rahmen der Stadtstrategie 2030 vorhat. Einen ersten Entwurf (41 Seiten stark) übergab er gestern den Fraktionen und versprach, dass sich Politik und Bürger in den kommenden Monaten beteiligen sollen.

Während er in seiner Rede viele Projekte ansprach, die in 2017 angegangen wurden, überraschte er mit seinen Aussagen zur Bahntrasse der Wiehltalbahn. Der Verlauf der Trasse, die dabei die Ortsteile Weiershagen, Bielstein, Wiehl-Zentrum und Oberwiehl miteinander verbinde, zeige eine „enorme stadtentwicklungspolitische Bedeutung“. Dieses „enorme Potenzial“ soll in Zukunft mit den Bahnbeteiligten diskutiert und „etwaige Nutzungsüberlegungen auf ihre Machbarkeit“ überprüft werden – völlig neue Töne im Wiehler Rathaus.

Bürgermeister Stücker erinnerte zum Schluss noch an die vollbrachten Leistungen des aktuellen Jahres und dankte dabei seinen Kollegen im Rathaus, aber auch den vielen ehrenamtlichen Helfern, die beispielsweise im Rahmen der Bewältigung der Flüchtlingsbewegung „Großartiges geleistet“ hätten. Schließlich schloss er mit den Worten, dass man sich Zeit für verschiedene Dinge nehmen solle – insbesondere „Zeit für Wiehl“.

Eckdaten des Haushaltplans 2017
Erträge: 62,3 Millionen Euro
Aufwendungen: 67,3 Millionen Euro
Fehlbetrag: 5 Millionen Euro
Einkommensteuer: 12,8 Millionen Euro
Gewerbesteuer: 22,7 Millionen Euro
Personalaufwand: 12,2 Millionen Euro
Kreisumlage: 17 Millionen Euro
Abundanzumlage: 1,1 Millionen Euro
Netto-Investitionssumme: 16,8 Millionen Euro

Hebesätze
Grundsteuer A: 260 (2017), 260 (2016)
Grundsteuer B: 430 (2017), 430 (2016)
Gewerbesteuer: 430 (2017), 430 (2016).


Rat kurz und kompakt

- Pascal Petermann (links) wurde einstimmig zum neuen stellvertretenden Leiter der Feuerwehr gewählt. Diesen Posten hatte Petermann bereits kommissarisch inne. Durch die Beförderung zum Stadtbrandinspektor und die Erfüllung aller Laufbahnrechtlichen Voraussetzungen konnte der Rat Pascal Petermann gestern Abend für die Dauer von sechs Jahren zum Ehrenbeamten ernennen.

- Die Verwaltungsgebührensatzung wurde nach über sechs Jahren nach der aktuellen Mustersatzung des Städte- und Gemeindebundes angepasst.

- Pascal Hilgenberg wurde zum neuen technischen Betriebsleiter des Abwasserwerkes bestellt, da er nach Fachbereichsleiter Hoch- und Tiefbau/ Gebäudemangement ist. Der bisherige Betriebsleiter Andreas Zurek wird zum Jahresende von seiner Arbeit entbunden, da er zum Fachbereichsleiter des neuen Fachbereichs 9 (IHK und Sonderprojekte) bestellt wurde.

- Der Rat beschloss folgende Staffelung der Eintrittspreise für die Wiehler Wasser Welt. Kinder bis ein Meter Körpergröße zahlen keinen Eintritt.



- Für den Jahresabschluss zum 31. Dezember 2015 mit einem Fehlbetrag von 1,4 Millionen Euro erteilte der Rat Bürgermeister Ulrich Stücker Entlastung.


- Der Rat beschloss eine neue Satzung über die Erhebung von Vergnügungssteuer. Der Steuersatz beträgt sechs Prozent auf den Spieleinsatz. Der Städte- und Gemeindebund hatte fünf Prozent vorgeschlagen und der Haupt- und Finanzausschuss sieben Prozent. Nach einer Erläuterung von Kämmerer Axel Brauer einigte man sich auf sechs Prozent.

- Die Winterdienst- und Kehrdienstgebühren wurden zuletzt zum 1. Januar 2014 erhöht, um die Defizite der Gebührenabrechnung 2010 gemäß Kommunalabgabengesetz innerhalb von vier Jahren auszugleichen. Diese Gebührenerhöhung hat in Verbindung mit den milden Wintern 2014, 2015 und voraussichtlich auch 2016 zu Überschüssen geführt, welche nun wiederum innerhalb von vier Jahren auszugleichen sind. Aus diesem Grund müssen die Gebühren für den Winterdienst ab 2017 gesenkt werden. Für 2017 gelten dann die folgenden Gebührensätze: Winterdienstgebühr:0,72 €/m (bisher 1,12 €/m) und Kehrdienstgebühr:0,56 €/m (bisher 0,56 €/m).
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