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Der unglaubliche Hans

bv; 9. Aug 2016, 07:00 Uhr
Bilder: Archiv, Bernd Vorländer.
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Der unglaubliche Hans

bv; 9. Aug 2016, 07:00 Uhr
Gummersbach - Er ist mit seinen 83 Jahren der bekannteste und älteste Läufer auf den Volksläufen der Region und hat fast 100.000 Kilometer abgespult: Hans Toelstede.
Von Bernd Vorländer


Der Mann ist wirklich ein Phänomen. In der oberbergischen Laufszene gibt es nahezu niemand, der ihn nicht kennt. Er ist der Grandseigneur der Leichtathleten, einer, der die Kilometer nicht verbissen in sich hineinfrisst, sondern der wie ein Gentleman, mit einem Lächeln im Gesicht und federnd ins Ziel gleitet. 95.000 Kilometer hat er in Training und Wettkampf bereits hinter sich gebracht, mehr als zweimal die Erde umrundet. Alles hat er fein säuberlich aufgeschrieben - jeden Meter. Seit 47 Jahren kann ihn nichts stoppen. Der Mann läuft und läuft und läuft. Er, das ist der unglaubliche Hans.


[Acht Jahrzehnte trennten Hans Toelstede und die jüngste Teilnehmerin am Volkslauf in Loope, Josi Meierlücke.]

Für Hans Toelstede ist Laufen und Bewegung eine Lebenseinstellung, ein Elixier, aus dem er auch heute, mit 83 Jahren noch schöpft. Dabei ist er eigentlich zufällig zur Leichtathletik gekommen. Mehr als 20 Jahre jagte Toelstede dem runden Leder bei der DJK Gummersbach hinterher. Dann hatte er genug, denn die Blessuren wurden zahlreicher und die Fußballschuhe hingen fortan am Nagel. Doch die sportlose Zeit nagte an Gesundheit und Psyche. Toelstede erhielt den Rat des Hausarztes, mit dem Laufen zu beginnen. Das war die Initialzündung. In der Folge gab es keine oberbergische Laufveranstaltung, an der "Super-Hans" nicht dauerhaft teilnahm. 40 Jahre hintereinander beim Silvester-Crosslauf in Gummersbach, wo er im vergangenen Jahr eine große Ehrung erhielt. 29 Starts beim Nordhellenlauf, alle 29 Wettkämpfe beim Nikolaus-Berglauf auf den Unnenberg.


Und 34 Mal ging es auch zum Bergneustädter Nachtlauf. Es gab nichts, was Hans Toelstede aufhalten konnte. Einmal startete er mit einem Hexenschuss in Bergneustadt. Seine Frau Ilse-Marie, die er bezeichnenderweise in der Kur beim Laufen kennengelernt hat, brachte ihn bis zum Start und holte ihn anschließend wieder ab. "Zu Hause angekommen, wusste ich kaum aus dem Auto zu kommen, aber ich war dabei gewesen und das war mir wichtig", sagt Toelstede. Über sein Läuferleben hat er penibel Buch geführt. "Das liegt einem im Blut, wenn man 42 Jahre lang als Industriekaufmann und viel in der Lohnbuchhaltung gearbeitet hat." In 29 Aktenordnern ist alles verpackt: Ausschreibungen, Ergebnislisten, Urkunden, Berichte, Bilder.


[Wo Toelstede an den Start geht, wird er von freundlichen Menschen und anfeuernden Rufen begleitet.]

Manchmal schwelgt Toelstede in Erinnerung, greift einen Ordner heraus und die Bilder von früher werden wieder wach. Etwa vom Juni 1978, als er am 100 Kilometer-Lauf im schweizerischen Biel teilnahm und nach 13:20 Stunden ins Ziel kam. Oder als er mit 53 Jahren seinen persönlichen Marathon-Rekord in Duisburg mit 3:06 Stunden aufstellte. Als Höhepunkt seines Läufer-Lebens ist ihm aber der 4. November 1990 in Erinnerung geblieben. "Der New York City-Marathon war unglaublich emotional, die Zeit völlig nebensächlich. 27.000 Teilnehmer und Millionen an den Straßen, Blaskapellen und eine Begeisterung, die alles in den Schatten gestellt hat", funkeln Toelstedes Augen noch heute, wenn er zurückdenkt.


[Natürlich hat Toelstede in all den Jahren zahlreiche Pokale, Urkunden und Auszeichnungen "erlaufen".]

Auch 2016 macht ihm das Laufen nach wie vor großen Spaß. Natürlich, so sagt er, sei er etwas langsamer geworden und müsse auch auf seinen Körper hören, doch die Erlebnisse mit den anderen Athleten, die Gespräche und das Gefühl, ins Ziel zu kommen, dies alles sei immer noch wunderschön. Ohne Sport ging es nie bei Hans Toelstede: Erst Fußball, dann Leichtathletik, zehn Jahre Geschäftsführer bei der LG Gummersbach, 18 Jahre in derselben Funktion beim TV Dümmlinghausen-Hesselbach. An ein Aufhören mag er nicht denken, zu Hause rumzusitzen, das wolle er seiner Frau ersparen, schmunzelt Toelstede. Und so schnürt er beim 30. Nikolaus-Berglauf ebenso die Schuhe, wie beim Grengellauf in Engelskirchen, beim Glühweinlauf in Marienhagen, vielleicht sogar nochmal beim Silvester-Crosslauf.

Den Ehrgeiz habe er abgelegt, sagt der 83-Jährige. Doch so ganz stimmt das nicht. "Bei meinem vergangenen Lauf war ich nicht Letzter und habe zwei hinter mir gelassen. Die waren deutlich jünger als ich", schwingt auch Stolz in der Stimme von Hans Toelstede mit.
  
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