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Armut – gibt es auch in der Kreisstadt

bv; 20. Jul 2016, 14:52 Uhr
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Armut – gibt es auch in der Kreisstadt

bv; 20. Jul 2016, 14:52 Uhr
Gummersbach – Gummersbacher Sozialamt bestätigt, dass das Leben in der Stadt gerade für Kinder von großen sozialen Gegensätzen geprägt ist.
Von Bernd Vorländer

Armut, die begegnet uns doch nur noch, wenn wir im Fernsehen oder Internet mit Menschen konfrontiert werden, die nicht wissen, wie sie den nächsten Tag überleben sollen. So jedenfalls die landläufige Meinung. Doch neben dieser absoluten Armut, die mit 1,2 Milliarden Betroffenen skandalös hoch ist und bei der die Menschen mit rund einem Euro am Tag auskommen müssen, gibt es auch eine relative Armut. Diese Menschen haben weniger als die Hälfte des Durchschnittseinkommens zum Leben. Deutschland wird immer als reiches Land beschrieben – ist es das wirklich? In Nordrhein-Westfalen wächst jedes fünfte Kind in relativer Armut auf. Dabei bezieht sich Kinderarmut nicht nur auf die materielle Situation der Haushalte mit Kindern, sondern wirkt sich auch auf die Gesundheit, die Möglichkeiten, an Kultur und Sport teilzuhaben, und auf die soziale Integration aus. Diese Kinder haben es in der Schule schwerer, leiden unter Konzentrationsmängeln und verfügen über geringere Koordinationsfähigkeiten.


Die Fraktion Linke/Piraten im Gummersbacher Rat wollte jetzt wissen, wie hoch die Zahl der armen Kinder und Senioren in der Kreisstadt ist und wie die Stadt dem entgegentritt. Und Sozialamtsleiter Thomas Hein machte in seiner Antwort schnell deutlich, dass Gummersbach beim Trend in NRW keine Ausnahme darstellt. „Die Bedingungen, unter denen Kinder in unterschiedlichen Gummersbacher Stadtteilen aufwachsen, sind von starken sozialen Gegensätzen geprägt.“ Dabei sei diese Kinder-Armut keine Episode, sondern Dauerzustand. Mehr als 1.100 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren bezogen 2015 in Gummersbach Hartz IV. In der Kreisstadt hat man angesichts der Problematik ein umfassendes Angebot an Hilfs- und Betreuungsmaßnahmen entwickelt. Mit dem Baby-Begrüßungsdienst werden fast alle Eltern erreicht und erhalten eine Beratung, um Möglichkeiten früher Förderung gerade auch im gesundheitlichen Bereich, aber auch bei finanziellen Hilfen aufzuzeigen. Mit dem Elternbegleitbuch erhalten die Familien zudem ein Informationswerk, in dem alle wichtigen Ansprechpartner und weitere Fördermöglichkeiten enthalten sind. Zudem bediene man sich vielfältiger Netzwerke, so Hein, um frühzeitig einen Beitrag zur Beziehungs- und Erziehungskompetenz von Müttern und Vätern zu leisten.

Das Sozialamt verstehe sich als Lotse, erklärt Hein und macht deutlich, dass einzelne Familien auch bis zu einem Jahr intensiv begleitet würden. Häufig gebe es ganz konkrete Tipps – vom Stromsparen über eine Schuldnerberatung, den Besuch der Kleiderkammer oder die Vermittlung von Krabbelgruppen. Im vergangenen Jahr fanden 426 Willkommensbesuche statt, 69 Eltern wurden länger betreut. Den Kindern stehen dann in der Schule die Türen der Schulsozialarbeiter offen, um individuelle Probleme zu lösen, Lebensperspektiven zu entwickeln und zu verbessern. Im ersten Schulhalbjahr 2015/16 gab es 238 Beratungen. Nachhilfeprojekte und Beratungen im Bereich „Bildung und Teilhabe“ sowie Aktionen mit Kreissportbund und Kreisgesundheitsamt ergänzen das Angebot.

Auch bei Senioren gibt es in der Kreisstadt etliche Menschen, die konkret von Armut bedroht sind. Gerade bei denjenigen, die hilfs- und pflegebedürftig seien, steige die Gefahr, im Alter nicht über genügend Geld zu verfügen, um den Lebensunterhalt zu sichern, meint Hein. So ist die Zahl der Senioren, die Grundsicherung im Alter beziehen, in Gummersbach kontinuierlich angestiegen. Waren es vor vier Jahren noch etwa 450 Menschen, die finanziell unterstützt wurden, ist die Zahl im zweiten Halbjahr 2015 auf über 570 angestiegen. Auch hier berate man in vielfältiger Weise, verweise auf konkrete Hilfen – etwa bei der Pflege – aber auch auf Sozialtarife, Vergünstigungen und Ermäßigungen, so der Sozialamtsleiter.
  
  
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