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Eine Heimat fernab der Heimat

db; 20. Jun 2016, 10:29 Uhr
Bilder: Martin Hütt, Christian Melzer (Galerie 37 bis 66) --- Traditionelle Musik und Tänze gehörten zum Programm des Festaktes.
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Eine Heimat fernab der Heimat

db; 20. Jun 2016, 10:29 Uhr
Wiehl – Mit einem großen Festakt und weiteren Veranstaltungen wurde am Wochenende das 50-jährige Bestehen der Siebenbürger-Sachsen-Siedlung Drabenderhöhe gefeiert (AKTUALISIERT).
„Die Siebenbürger Sachsen fühlen sich seit 50 Jahren in Drabenderhöhe daheim“, sagte Enni Janesch, Vorsitzende der Kreisgruppe Drabenderhöhe des Verbandes der Siebenbürger Sachsen. „Und sie sind gekommen, um zu bleiben.“ Vor 50 Jahren wurde die Siebenbürger-Sachsen-Siedlung in Drabenderhöhe feierlich eingeweiht. Neben der Siedlung gibt es seit 50 Jahren die Kreisgruppe Drabenderhöhe des Verbandes der Siebenbürger Sachsen, die Nachbarschaften, das Blasorchester Siebenbürgen-Drabenderhöhe, den Honterus-Chor, den Siebenbürgische Frauenverein, das Alten- und Pflegeheim Haus Siebenbürgen-Drabenderhöhe sowie den evangelischen Kindergarten. All dies wird und wurde an diesem Wochenende mit vielen Festivitäten gefeiert, unter anderem mit einem Festakt und zahlreichen Ehrengästen am Samstagmittag.



Siebenbürgen, auch bekannt als Transsilvanien, liegt im heutigen Rumänien. Die Geschichte der Siebenbürger Sachsen, einer deutschsprachigen Siedlergruppe, reicht zurück bis ins 12. Jahrhundert. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs kamen viele Siebenbürger Sachsen als Flüchtlinge nach Deutschland. Das Land Nordrhein-Westfalen übernahm 1957 offiziell die Patenschaft für die Bevölkerungsgruppe und suchte nach Siedlungsraum, der schließlich in Form von Drabenderhöhe gefunden wurde. Dort entstand fortan die größte Ansiedlung von Siebenbürger Sachsen außerhalb Rumäniens. Rainer Schmeltzer, Minister für Arbeit, Integration und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen (Bild), sprach deshalb auch stolz von Nordrhein-Westfalen als „Zuwanderungsland par excellence“.

Wohn- und Lebensraum für fast 3000 Menschen mit Gemeinschaftsbauten und Einrichtungen für Handel und Gewerbe wurden geschaffen. Die Ankommenden hatten einen Krieg mit seinen schrecklichen Folgen mitgemacht, hatten Evakuierung, Flucht, Deportation und Diktatur erlebt. Am meisten schmerzte der Verlust der Heimat. In Drabenderhöhe gab es nun die Chance wieder ein neues zu Hause zu finden. Durch den Zuzug der vielen neuen Bewohner veränderte sich nicht nur das Bild des Dorfes mit seinen rund 500 Einwohnern, sondern auch das Leben im Dorf, in der Kirchengemeinde, in den Vereinen und in der Schule. Bürgermeister Ulrich Stücker sagte: „Hier in Drabenderhöhe ist gelungen, was auch aktuell das zentrale Thema ist: Die Integration von neuen Mitbürgern.“ Dafür wichtig seien Toleranz und Verständnis sowie die Bereitschaft, offen auf Menschen zuzugehen. „Die Siebenbürger Sachsen sind ein integraler Bestandteil von Wiehl geworden und bereichern das Leben der Stadt.“


[Vorsitzende Enni Janesch (Mitte) im Kreise ihrer Ehrengäste.]

Viele prominente Gäste, darunter die Bundespräsidenten Carl Carstens (1980), Richard von Weizsäcker (1986), Roman Herzog (1995) und Johannes Rau (2004) waren zu Gast in Drabenderhöhe und wurden von der Bevölkerung begeistert empfangen. Zahlreiche Politiker, fast alle Patenminister von NRW, Besuchergruppen aus dem In- und Ausland, besonders auch aus Amerika und Kanada, kamen und kommen immer wieder gerne nach Drabenderhöhe.

Für den Oberbergischen Kreis überbrachte Landrat Jochen Hagt die Glückwünsche. Er sagte, die Ansiedlung der Siebenbürger Sachsen Mitte der 60er Jahre war ein Geschenk für die wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung von Drabenderhöhe. Außerdem dankte der Landrat allen, die sich dafür in den vergangenen 50 Jahren engagiert haben. „Das ist ein Beispiel für gelungene Integration“, so Hagt. Dies wurde bereits 1991 mit einer Goldmedaille im 1. Bundeswettbewerb für vorbildliche Integration von Aussiedlern in der Bundesrepublik gewürdigt. Bürger aus der Siedlung haben sich als Stadtverordnete in der Stadt Wiehl und als Kreistagsmitglieder im Kreistag des Oberbergischen Kreises engagiert und werden es auch weiter tun. 2004 wurde Hagen Jobi, ein Drabenderhöher mit siebenbürgischen Wurzeln, zum Landrat des Oberbergischen Kreises gewählt.


[Die Ehrengäste hatten vielfältige Geschenke mitgebracht.] 

Die siebenbürgischen Vereine pflegen auch heute noch ihre Tradition und ihr Brauchtum, Veranstaltungen und die Heimatstube (ein kleines Museum) werden gut und gerne besucht. Die jüngeren Menschen, die nicht in Siebenbürgen geboren wurden, haben nicht mehr eine so enge Bindung zum Geburtsland der Eltern und Großeltern. Ihre Identifikation mit Drabenderhöhe ist größer und die Zugehörigkeit zum Verband der Siebenbürger Sachsen ist nicht mehr selbstverständlich. Die in der zweiten und dritten Generation in Oberberg geborenen Menschen sehen sich weniger in der Pflicht, das kulturelle Erbe ihrer Vorfahren zu pflegen. Trotzdem sei es nach wie vor wichtig, das hierher mitgebrachte Kulturerbe zur Wahrung der siebenbürgischen Identität weiter zu erhalten, betonte Janesch.


[Die Chorsänger in traditioneller Kleidung.]

Im Januar 2014 wurde der Siebenbürgisch-Deutsch-Rumänische Freundeskreis Wiehl-Bistritz gegründet. Im August 2015 unterzeichneten die Bürgermeister beider Städte einen Partnerschaftsvertrag. Der Bürgermeister von Bistritz zählte ebenfalls zu den Ehrengästen des Festaktes, wie auch die beiden Bundestagsabgeordneten Klaus-Peter Flosbach und Michaela Engelmeier sowie viele weitere Gäste, die Grußworte überbrachten. Der Festakt endete nach rund drei Stunden, doch Enni Janesch versprach bereits mit einem Augenzwinkern. „In zehn Jahren machen wir noch eine halbe Stunde länger.“ Am Sonntag fand ein großer Festumzug statt. Gleichzeitig stand an diesem Wochenende das traditionelle Musikertreffen der Vereinigten Trachtenkapellen aus NRW und Wolfsburg auf dem Programm, zu dem 180 Musiker anreisten sowie aus Österreich die siebenbürgischen Blaskapellen aus  Elixhausen und Munderfing.
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